Das Verständnis für Demenz fördern

Seit Anfang 2019 ist Mettmen­stetten auf dem Weg, eine ­demenzfreundliche Gemeinde zu werden. Corona hat für Verzögerungen gesorgt, doch die Gemeinde behält den Kurs bei.

Eine Situation, wie sie im Haushalt von dementen Menschen schon mal auftreten kann... (Bild Ursula Jarvis)
Eine Situation, wie sie im Haushalt von dementen Menschen schon mal auftreten kann... (Bild Ursula Jarvis)

«Eine demenzfreundliche Gemeinde ist ein Ort, wo Menschen mit Demenz verstanden, respektiert und unterstützt werden und wo sie Teil des gesellschaftlichen Lebens sind» – so umreisst ­Ursula Junker, Gemeinderätin von Mettmenstetten, das Ziel des Projekts «Demenzfreundliche Gemeinde». Die Startveranstaltung dazu fiel im Februar 2019. Zuvor hatte der Gemeinderat das auf vier Jahre konzipierte Projekt und Auslagen von jährlich 5000 Franken dazu bewilligt. Realisiert wird das Ganze zusammen mit der Alzheimer Vereinigung Kanton Zürich. Für Alzheimer Zürich sind die Sensibilisierung der Öffentlichkeit in den Gemeinden, die Schulung der Ämter, die Bereitstellung von Dienstleistungen wie Tagesbetreuung, Entlastungsdienste und direkte Unterstützung der betroffenen Familien zu Hause wesentliche Faktoren, mit denen die Lebensqualität von dementen Menschen gesteigert werden kann. Ausser in Mettmenstetten wird das Projekt derzeit auch in Wädenswil, Küsnacht, Uetikon am See und Wallisellen umgesetzt. ­Alzheimer Zürich betreibt sozusagen das Coaching der Gemeinden im ganzen Prozess, bietet eine umfassende Beratung an und unterstützt die konkrete Umsetzung des Projekts.

Wo steht Mettmenstetten heute, zwei Jahre nach dem Start? «Wir sind auf dem Weg dazu, eine demenzfreundliche Gemeinde zu werden», sagt Ursula Junker, Sozialvorsteherin im Gemeinderat Mettmenstetten. «Im ersten Jahr konnten wir einige Schwerpunkte setzen, nun aber ist das Ganze etwas ins Stocken geraten wegen Corona.» Letztes Jahr fand etwa die Schulung von öffentlichen Dienstleistern und von Geschäften im Umgang mit dementen Personen statt. So wurde etwa das Volg-Personal instruiert, wie es sich zu verhalten habe, wenn zum Beispiel eine demente Person im Laden ihre Einkaufstasche füllt, ohne dafür am Schluss zu bezahlen. Oder wenn diese mehrfach am Tag dieselben Einkäufe tätigt oder im Ladenregal plötzlich einen Apfel anknabbert. In solchen Situationen gilt es für das ­Personal, einfühlsam und sensibel zu reagieren und ohne die betroffene Person blosszustellen. Solche Schulungen haben auch auf der Gemeindeverwaltung Mettmenstetten, bei Gut Training sowie in einer Arztpraxis stattgefunden.

Öffentliche Veranstaltungen waren dem Thema Demenz gewidmet, so etwa im vergangenen Jahr, als Theologe, ­Ethiker und Gerontologe Heinz Rüeger «Ethische Fragen im Umgang mit ­Demenz» mit interessiertem Publikum diskutierte. In diesem Herbst konnte coronabedingt als einzige Veranstaltung ein Informations- und Diskussionsabend mit Hausarzt Bruno Köhler zur Rolle der Hausärzte im Umgang mit einer Demenzerkrankung durchgeführt werden.

Viele sind schon am Anschlag

Im Sommer 2019 hat Mettmenstetten als wohl wichtigstes Angebot im Rahmen von «Demenzfreundliche Gemeinde» eine Demenzsprechstunde ins Leben gerufen. Jeden ersten Dienst im Monat können Betroffene, Angehörige oder Interessierte sich beraten lassen, kostenlos und ohne Anmeldung. Neben Daniela Bigler Billetter von Alzheimer Zug ­beantwortet auch Sozialdiakonin Ursula Jarvis von der Kommission für Altersfragen Mettmenstetten Fragen zum Thema Demenz und hilft Ratsuchenden weiter. «Wir wollten eigentlich eine ganz niederschwellige Beratung anbieten, merkten aber schnell, dass die meisten Menschen, die zu uns kommen, schon mittendrin stecken. Viele Angehörige von dementen Personen sind schon ziemlich am Anschlag, wenn sie zu uns kommen.» Hauptaufgabe der beiden Frauen ist es, aufzuzeigen, welche Möglichkeiten und ­Angebote es in dieser Lebenssituation gibt. «Es ist eine Wahnsinnsaufgabe, mit einem dementen Menschen zusammenzuleben, vor allem im fortgeschrittenen Stadium», sagt Ursula Jarvis. Oftmals müssten sie den Leuten klarzumachen versuchen, dass es nichts mit Versagen zu tun habe, wenn man sich entschliesse, Hilfe von aussen anzunehmen oder den dementen Partner in ein Heim zu geben. «Für viele dreht sich das Leben nur noch um den andern. Doch es ist ganz wichtig, auch auf sich selbst zu schauen, um sich und seine Energie und Kraft zu schonen. Nur dann ist ein Miteinander im Familiensystem lange möglich.»

Nun, in der Coronazeit, komme noch hinzu, dass sich viele Angehörige noch weniger als sonst getrauen, überhaupt mit den dementen Partnern ausser Haus zu gehen. Auch gehen die Kontakte mit Freunden zurück. «Corona hat dazu geführt, dass Angehörige von dementen Menschen noch viel mehr auf sich zurückgeworfen sind», so Jarvis.

Lohnendes Engagement

Gemäss der gesamtschweizerischen Erhebung zur Demenz ist davon auszugehen, dass in Mettmenstetten mit seinen gut 5000 Einwohnern rund 100 Personen an Demenz in verschiedenen Stadien leiden. Für Sozialvorsteherin Ursula Junker macht das Engagement ihrer Gemeinde Sinn. «Die Zahl der ­Demenzbetroffenen steigt weiter an. Sie sollen in unserm Dorf Teil einer Gemeinschaft sein, die Rücksicht auf sie nimmt. Viele möchten möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden leben können. Dank Beratungs- und Unterstützungsangeboten können Heimeintritte um Jahre verzögert werden. Das freut nicht nur die Betroffenen, sondern schont auch die Gemeindefinanzen.»

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