Wenn im Kloster das Schwein Thema wird

Wo steht das Schwein im Mittelpunkt oder vielmehr das, was nach dem Schlachten daraus wird? Im Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste (VBL). Gegründet 1968, feierte er am Samstag im Kloster Kappel «Halbziit», denn sein Bestehen ist auf 99 Jahre befristet – so wie zahlreiche wichtige Staatsverträge.

Es sind alles gestandene Frauen und Männer, die VBL-Mitglieder, mehrheitlich in fortgeschrittenem Alter, die vor allem ein Tier vereint: das Schwein oder das, was sich im Schwein befindet und alles hergibt, was eine perfekte Schlachtplatte ausmacht. Der Chronist hat aber niemanden mit einer Leibesfülle ausgemacht, die auf solcherlei Schlemmereien hindeuten würde.

Walter Keller, in Obfelden wohnhafter Rektor der VBL-Akademie, gehörte 1968 im Restaurant Löwen Unteralbis, Langnau a.A., zu den fünf Gründungsmitgliedern des VBL. Über die Gründe dieser Gründung kann aber nur spekuliert werden, weil die Gründer, damals allesamt Studenten, darüber bis dato beharrlich schweigen. Eine skurrile Gegenbewegung zum damals beginnenden Fast-Food-Zeitalter oder eine Pioniertat für eine tierfreundlichere Schlachttierhaltung? Oder ein Deckmantel für eine Meute von Zechern und Säufern, wie es in einer Pressemitteilung hiess? Sicher ist, dass sich Freunde und Fans von schweinischen Herrlichkeiten seither regelmässig bei Metzgeten treffen und vom sogenannten Tafelmajor ausgesuchte Veranstaltungen besuchen. Dazu werden vorab in der Deutschschweiz auch Bewertungen vorgenommen und Preise verleihen. 1980 erhielt das Restaurant Central in Affoltern eine Auszeichnung – als bisher einzige Ämtler Gaststätte mit traditioneller Metzgete.

«Heil dir, geliebtes Schwein» als Vereinshymne

Der VBL ist eine nicht-kommerzielle Organisation, der inzwischen über 100 Mitglieder angehören, die allesamt die Vereinshymne verinnerlicht haben. Nach der Melodie «Heil dir Helvetia» beginnt sie mit «Heil dir, geliebtes Schwein.»

Neben der Bewertung von Metzgeten leistet sich der VBL eine Kunstkommission, die sich mit künstlerischen Aspekten schweinischer Aktivitäten befasst und inzwischen über eine grosse Sammlung verfügt. Als «Denkfabrik» ist dem VBL ausserdem eine Akademie eigen, die sich mit Fachtechnischem, mit ideologischen Grundlagen des Schlachtens befasst und dazu beiträgt, dass das Image vom der fetten Armeleutespeise verschwindet, die Metzgete salonfähig und in gewissen Kreisen zum Renner geworden ist. Wichtige Kriterien bildet auch artgerechte Tierhaltung und Qualität in Sachen Ökologie. Welchen Stellenwert die angebotenen Studien mit Diplomabschluss einnehmen, lässt sich vorliegend nicht mit einer Studie belegen. Aber es werden Kontakte zu Hochschulen gepflegt und Blogs angeboten (www.metzgete.wordpress.com und www.zumfressngern.ch).

Metzgete auf dem Mars

Beim «Halbziit»-Fest im Kloster Kappel lud der VBL seine Mitglieder am vergangenen Samstag im Haus am See zu einem Symposium ein, wo unter anderen Prof. Dr. Christine Brombach, Dozentin der Forschungsgruppe Sensorik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (Zhaw), zum Thema «Metzgete 4.0» referierte – ein spannender Bogen von einstigen zu heutigen Ernährungsgewohnheiten und -wissen. Sie bezeichnete die Wurst als archaisches Kulturgut und den Darm als ältestes Kochgefäss.

VBL-Rektor Walter Keller griff dem Thema auf humoristische Weise etwas vor, indem er einen Blick in die Zukunft wagte beziehungsweise darüber sinnierte, was uns bis zum Vereinsende in 49½ Jahren erwartet. Demnach müssen ab 2030 keine Tiere mehr geschlachtet werden; wir essen Blut- und Leberwürste, die im Labor gezüchtet worden sind. Ab 2040 werden wir solcherlei kulinarische Freuden nur noch virtuell geniessen können, derweil 2050 die erste Metzgete auf dem Mars veranstaltet wird. Ab 2060 ist das Vereinsziel erreicht, die Zahl der VBL-Mitglieder schrumpft.

Zwei Jahre vor Vereinsende, also 2065, wird mit den Schlussessen begonnen. Denn gemäss vereinseigener Verfassung wird der VBL nach 99 Jahren aufgelöst – so wie das bei Staats- oder Baurechtsverträgen oft der Fall ist. Dann muss der Kontostand auf null gesunken sein und die Blut- und Leberwürste hohe Zeit haben. Ob bis dahin ausserdem das Ziel erreicht ist, wonach die Metzgete auch im Sommer stattfindet und dazu auch Würste von Reh-, Hirsch- oder Kaninchenblut auf die Teller kommen, wird sich zeigen. Kalbs-, Pferde- und Gitzimetzgeten finden sich schon heute im Angebot von Restaurants – alles im Sinne einer vollständigen und sinnvollen Verwertung, einhergehend mit der Minimierung von Schlachtabfällen.

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