Hörgenuss und Gaumenschmaus

Ein spannend unterhaltender Stargast und ein Verwöhnprogramm der Extraklasse, machten den Vorleseabend in der Regionalbibliothek perfekt.

Regionalbibliothek intim: Autor Sunil Mann im Gespräch mit Bibliotheksleiterin Ulla Schiesser. <em>(Bild Christine Häusermann)</em>
Regionalbibliothek intim: Autor Sunil Mann im Gespräch mit Bibliotheksleiterin Ulla Schiesser. <em>(Bild Christine Häusermann)</em>

Nach dem Motto «Ich bin auch eine Gastgeberin, Köchin, Bäckerin, Food-stylistin, Innendekorateurin, Moderatorin, Aufräumerin!», fassten die Bibliothekarinnen der Regionalbibliothek ihr Jobprofil an diesem Abend grosszügig weit und boten dem Publikum eine umwerfende Bücher-Lese-Kultur-Atmosphäre in der sonst nüchternen Bibliothek. Erstaunt ist man nur, dass das Team nicht noch eine heisse Schokolade mit Grand Marnier und Sahnehäubchen auf den Heimweg servierte, um das Lesen vollends zu zelebrieren.

Lesen braucht eine gute Atmosphäre

Ulla Schiesser, Leiterin der Regionalbibliothek und der Berner Autor mit indischen Wurzeln, Sunil Mann, setzten sich im abgedunkelten Raum in die beiden bequemen Ledersessel unter den roten Lampenschirm. Das warme Licht, das nur die beiden beleuchtete, machte den Platz zur Bühne. Der heitere Auftakt des folgenden Kurzinterviews gab dem Autor und dem Publikum die Möglichkeit, sich aufzuwärmen und sich aufeinander einzulassen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer sassen an kleinen Tischchen bei einem Glas Wein und kleinen feinen Häppchen, zu denen nach jeder Geschichte wieder neue hinzukamen.

Naive Männer, berechnende Frauen

Sunil Mann begann die Lesung mit seiner «Chronoswiss»-Uhren-Geschichte, die nach der Erstpublikation auch von «Chronoswiss» gegen «gutes Geld» gekauft wurde, wie er erwähnte – und damit einen kleinen Einblick in den finanziellen Balanceakt seiner Anfangsjahre als Schriftsteller gab. In der Geschichte wiegt sich ein reicher, gerade pensionierter Mann bezüglich seinem zurückgezogenen, gemütlichen Leben und der Liebe und Genügsamkeit seiner jungen Frau, in selbstgerechten, völlig falschen Vorstellungen, die ihn schliesslich sogar das Leben kosten.

Auch die zweite Lesung handelte von einem naiven, geradezu trotteligen Mann in der Liebe und Beziehung zu einer berechnenden Frau, auch hier mit tödlichem Ausgang. Beide Storys sind schon zehn Jahre alt. «Es gibt Sachen, die ich früher schrieb, die finde ich schlecht, die können nicht mithalten, aber die ‹Chronoswiss›-Geschichte finde ich immer noch gut», sagt Sunil Mann in der Pause.

Ran ans Eingemachte

Viele Leserinnen und Leser neigen zur Ungeduld und fürchten langweilige Vorleser, denn gut schreiben heisst nicht unbedingt gut vorlesen. Bei Sunil Mann ist eine solche Befürchtung unbegründet. Er liest schnell, trotzdem spannend und akzentuiert, in gepflegtem Deutsch, ja er kreiert einen Sog, bei dem es einem leicht fällt, dranzubleiben. Und er mutet den Zuhörern auch einiges zu.

Im Buch, an dem er gerade arbeitet, gibt es drei Erzählstränge, einer davon handelt von einer 14-jährigen, die durch Voodoo-Zauber ihre Seele verkauft. Sie wird mit der Aussicht auf guten Verdienst und einen seriösen Job nach Europa geschickt, damit sie Geld nach Hause senden kann, dabei endet sie schliesslich in der Zwangsprostitution, aus der es, wegen ihres Aberglaubens, keinen Ausweg gibt. Die Geschichte basiert auf dem realen Schicksal vieler junger Afrikanerinnen. Sunil Mann recherchiert viel und meist online.

Der Urenkel von Thomas Mann vielleicht?

Die süsse «Friandise» nach dieser harten Kost, war die saftige Geschichte einer Verwechslung einer Kiste Mangos mit zwei Frauen, ein Auszug aus einem seiner Langstrassen-Krimis mit Privatdetektiv Vijay Kumar, derweil die Bibliothekarinnen ihrerseits mit Brownies, Sablés und Napolitaines auftrumpften.

Nein, mit Thomas Mann sei er nicht verwandt, die häufigste Frage, die ihm gestellt würde, beantwortete er bei der Fragerunde gleich vorab. Die begeisterten Zuhörenden hatten jedoch noch genügend andere, die sie ihm stellten, bevor der Autor seine Bücher signieren konnte, die Urs Wetli von der Buchhandlung Scheidegger zum Verkauf bereithielt. Man freut sich schon auf die nächste Lesung!

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