«Adalbert Klingler: Ein Leben für den Kasperli»

Mit ihrem Buch rückt die Bonstetter Autorin Regula Klingler ihren Grossvater ins richtige Licht

Regula Klinglers Buch über ihren Grossvater ist eine intensiv recherchierte und emotional ansprechende Biografie und ein differenziertes Sachbuch, das ein Stück Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts vermittelt. (Bild Regula Zellweger)

Regula Klinglers Buch über ihren Grossvater ist eine intensiv recherchierte und emotional ansprechende Biografie und ein differenziertes Sachbuch, das ein Stück Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts vermittelt. (Bild Regula Zellweger)

Rund 60 Figuren aus Privatbesitz sind an der Ausstellung im Figurentheater-Museum bis zum nächsten Frühling in 
Herisau zu sehen. (Bild zvg)

Rund 60 Figuren aus Privatbesitz sind an der Ausstellung im Figurentheater-Museum bis zum nächsten Frühling in Herisau zu sehen. (Bild zvg)

«Seid ihr alle da?» Mit diesem Satz beginnt traditionell ein Kasperlitheater, das die Zuschauer einlädt, mitzumachen. Die Wurzeln der Kasperlifigur reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Er ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Puppentheaterfigur bekannt. Den Schweizer Kasperli geprägt hat der Zürcher Adalbert Klingler (1896–1974), lange bevor Jörg Schneider mit seinen Tonbandaufnahmen die Kinderzimmer eroberte.

Adalbert Klingler war der Wegbereiter des künstlerischen Handpuppenspiels in der Schweiz, er hatte 1933 grosse Erfolge an der Zürcher Gartenschau und an der Landesausstellung «Landi39» in Zürich. Gemeinsam besuchte er während des Zweiten Weltkriegs mit dem Schriftsteller Traugott Vogel im Rahmen der Geistigen Landesverteidigung die Soldaten im Aktivdienst. Zudem spielte er in Schulhäusern.

1946 stellte ihn Gottlieb Duttweiler, der Gründer des Migros-Genossenschafts-Bundes, als Puppenspieler im Park im Grünen an. Adalbert Klingler wurde damit der erste fest angestellte Puppenspieler der Schweiz. 1964 beendete er sein Engagement im Park im Grünen. Seine von Künstlern geschaffenen Puppen und seine Stücke überliess er dem Park. Sein Nachfolger wurde Jörg Schneider, in dessen Schatten Adalbert Klingler zu stehen kam – bis heute. Er arbeitete bis zu seinem Tod als Schriftsteller und Maler. Dies ist zusammengefasst die berufliche Laufbahn des ­Puppenspielers.

Der Mensch Adalbert Klingler

Regula Klingler, seine Enkelin, hat es von frühster Jugend an beschäftigt, dass ihr Grossvater nicht die Würdigung als Vater des Schweizer Kasperlitheaters bekam, die er aus ihrer Sicht verdient hätte. Dies war ihre Motivation, ein intensiv recherchiertes und reich bebildertes Buch zu verfassen, das den Menschen Adalbert Klingler in all seinen Facetten zeigt. Sie erinnert sich gut an ihren Grossvater, denn sie wuchs in seinem Haus in Oerlikon auf. Sie erlebte, wie ihre Grossmutter Hilde Klingler-Endres und ihre Mutter Irmgard Spörri-Klingler ihn intensiv unterstützten. Sie ermöglichten ihm, dem gelernten Schneider mit grossem künstlerischem Talent, sich voll und ganz mit dem Handpuppenspiel zu beschäftigen. Regula Klingler widmete das Buch den beiden Frauen: «Sie gaben dem Ehemann und Vater Vertrauen, Kraft und Stabilität, ohne sich je selbst ins Rampenlicht zu stellen. Sie ordneten ihr eigenes Leben dem Kasper unter.»

Der Vertrag mit Duttweiler enthält die Abmachung, dass Hilde Klingler ihren Mann tatkräftig unterstützen musste – dies ohne Lohn. Neben dem Engagement ihres Mannes sorgte sie auch für den Haushalt und die vier Kinder.

Regula Klingler beschreibt ihren Grossvater als charismatisch und von Jugend an theaterbegeistert. Als vor 100 Jahren die Erstaufführung des Welttheaters in Einsiedeln stattfand, spielte er die Rolle des Königs.

Erinnerungen der Enkelin

Im Kapitel «Erinnerungen der Enkelin» beschreibt die Bonstetterin Regula Klingler die Atmosphäre im Kasperlihaus im Park im Grünen: «Ich liebe diesen Geruch von warmem Wollstoff, von Fell und Filz der Figurenbekleidung, von Ölfarbe der Holzköpfe und Kulissen, von den erhitzten Holzwänden des Häuschens.» Für sie bedeuten diese Gerüche Heimat der ersten fünf Lebensjahre. «Das Kasperhäuschen ist eine Zwischenwelt.»

Regula Klingler erzählt in einer bildhaften, alle Sinne ansprechenden, differenzierten Sprache. Zahlreiche Fotos, Zitate und Schriftstücke im Original ergänzen ihren Text zu einem abwechslungsreichen Buch, das ein Stück Puppentheatergeschichte, aber auch vom Leben während und nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt. Es zeigt auf, wie schwierig es war, sich als Künstler zu positionieren und gleichzeitig eine Familie zu ernähren und auch, welche selbstlose Rolle Frauen oft im Hintergrund und mit wenig Anerkennung übernahmen. Beim Lesen fühlt man sich beispielsweise mitten im Kasperlihaus, wo Regula Klinglers Grossmutter die Manuskriptseiten umblättert, Figuren und Requisiten bereithält, beim Wechseln der Figuren die Puppen über die Hände des Puppenspielers stülpt und ihre Mutter mit sanften Paukenschlägen die Stimmung intensiviert, als der Zauberer auftritt. Wenn es donnert, schüttelt sie ein Wellblech, beim Erscheinen des Teufels entzündet sie ein bengalisches Feuer.

Adalbert Klingler wechselt die Stimme, je nachdem ob er den Kasperli, ­einen Hund, den Zauberer oder eine Hexe spielt – bei knappem Sauerstoff eine ­riesige Anstrengung für die Stimme.

Als Regula Klingler fünf Jahre alt war, musste ihr Grossvater aus gesundheitlichen Gründen im Alter von 68 Jahren das Puppenspiel aufgeben. Sie erinnert sich: «Danach war nichts mehr so, wie es gewesen war. Ohne seinen Kasper war er wie ein Kontrabass ohne Saiten.»

Adalbert Klinglers Kasperli

In der Schweiz war das Handpuppentheater viel weniger verbreitet als in den deutschsprachigen Nachbarländern. Die ersten Handpuppen schuf Adalbert Klingler selbst und spielte fremde Stücke. Später liess er die Puppen von namhaften Künstlern kreieren und schrieb seine eigenen Texte. Anfänglich orientierte sich Adalbert Klingler an den traditionellen Kasperfiguren, die oft deftige Texte von sich gaben und mit einem Knüppel andere Figuren verprügelten. Nach und nach aber wurde sein Kasperli sanfter, ein Held, mit dem sich die Zuschauer identifizieren konnten. Sein Kasperli fluchte auch nicht unflätig, sondern wirkte mit Fröhlichkeit, positivem Denken und Sprachwitz gegen Gewalt. Seine Kasperlifigur glaubte an das Gute.

Am 24. Mai 2025 fand die Buchpremiere im Figurentheater-Museum in Herisau statt, im Rahmen einer Ausstellung mit rund 60 Figuren aus dem Besitz der Familie. «Sie war gut besucht und ich konnte viele Leser und Leserinnen für das Buch über meinen Grossvater gewinnen», erzählt Regula Klingler begeistert. Die Ausstellung dauert bis am 27. April 2026. Mit ihrem Buch und der Ausstellung ist es ihr gelungen, das Leben und Werk ihres Grossvaters ins richtige Licht zu rücken und respektvoll zu würdigen.

«Adalbert Klingler: Ein Leben für den Kasperli» von Regula Klingler, 300 Seiten, Hardcover mit Fotos, Reinhardt Verlag 2025, 38 Franken

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