Als der Sonnenberg die Gemüter erhitzte

Ein Rekord, der bis heute gilt: 786 Stimmberechtigte drängten vor 40 Jahren in den alten Kasinosaal von Affoltern. Sie stimmten in einem zweiten Anlauf einer Überbauung des Sonnenbergs zu.

Fast 800 drängten 1983 in den Kasinosaal. Die Gemeindeversammlung befürwortete nach fünfstündiger Debatte eine Sonnenberg-Überbauung. (Archivbild)

Fast 800 drängten 1983 in den Kasinosaal. Die Gemeindeversammlung befürwortete nach fünfstündiger Debatte eine Sonnenberg-Überbauung. (Archivbild)

Freier Blick über Affoltern in die Berge: Der Sonnenberg, hier unterhalb des Panoramawegs, ist längst überbaut. (Bild -ter.)

Freier Blick über Affoltern in die Berge: Der Sonnenberg, hier unterhalb des Panoramawegs, ist längst überbaut. (Bild -ter.)

100, 200 oder gar 300 an einer Gemeindeversammlung verdient nach heutigen Massstäben das Prädikat «ausserordentlich». Vor exakt 40 Jahren strömten in Affoltern fast 800 Stimmberechtigte in den altehrwürdigen Kasinosaal, dazu einige Gäste und Medienvertreter, auch von Tageszeitungen. Die Beteiligung entsprach rund 17 Prozent der damals stimmberechtigten Bevölkerung des ­Bezirkshauptorts! Die Kardinalfrage des Abends: Das 80000 Quadratmeter grosse Gebiet im Sonnenberg auszonen oder einzonen? Das Komitee «Pro Sonnenberg», das eine Überbauung bekämpfte, mobilisierte mit einem Grossinserat im «Anzeiger», nachdem es eine Petition mit 800 Unterschriften eingereicht hatte. Jene, die sich im befürwortenden Komitee für eine Überbauung starkmachten, griffen zu einem militärischen Begriff. Sie versandten vor dem Gemeindeversammlungstermin «Marschbefehle». Das zeigte Wirkung. Nicht alle fanden Sitzplätze im Saal oder auf der Galerie und mussten die rund fünf Stunden dauernde Gemeindeversammlung stehend erdulden. Und Gemeindepräsident Hans Gut stellte sich zu Beginn die Frage, wie sich allfällig nicht Stimmberechtigte von den anderen trennen lassen würden. «Wir haben uns aber gründlich vorbereitet», erinnert er sich.

Zwängerei oder sinnvolle Überbauung?

Nun ja, alles lief letztlich regulär ab, und auch die Diskussion verlief in gesittetem Rahmen – auch wenn der ablehnende Teil einer Überbauung am Sonnenberg von grosser Zwängerei sprach, insbesondere mit dem Hinweis darauf, dass die Gemeindeversammlung vom 17. Mai 1982 mit 198 gegen 117 Stimmen – eher überraschend – einer Freihaltung zugestimmt hatte. Die andere Seite sprach von «einem Fehlentscheid mit weit­reichenden Folgen», auch in finanzieller Hinsicht. Ein kritischer Geist warnte hingegen im proppenvollen Kasinosaal: «Wenn wir diesen Entscheid nun umstossen, machen wir von der Gemeindeversammlung etwas kaputt.» Er fragte sich auch, ob man ein solch empfindliches Gebiet noch überbauen dürfe.

Ja, fand das «Komitee für eine sinnvolle Überbauung Sonnenberg». Es reichte im November 1982 eine von 750 Einwohnerinnen und Einwohnern unterzeichnete Initiative ein mit der Forderung, das Geschäft nochmals der Gemeindeversammlung vorzulegen – so, wie es Gemeinderat und Planungskommission damals in befürwortendem Sinne verabschiedet hatten. Der Gemeinderat erklärte den Initiativtext für «erheblich» und legte diesen erneut zur ­Abstimmung vor. Dessen Kernpunkt: die Aufhebung der Freihaltezone. An der Gemeindeversammlung wurde vor ­allem mit drohenden Entschädigungsfolgen von etwa 12 Mio. Franken argumentiert, was Affoltern wieder zu einer Finanzausgleichsgemeinde degradieren, die Attraktivität mindern würde – und durch höhere Steuern zu einer weiteren Schwächung der Steuerkraft führen könne. Bliebe ausgerechnet im Bezirkshauptort eine letzte Baulandreserve grün, würde das mögliche Zuzüger ausschliessen. Von anderer Seite wurde betont, dass es auch einmal Mut brauche, die Kosten für ein schönes Erholungsgebiet aufzubringen – und ein langfristiges Denken, gepaart mit Zurückhaltung privater Interessen.

Der Entscheid fiel weit nach Mitternacht überaus deutlich: 541 sprachen sich für eine Überbauung des Sonnenbergs aus, 179 für eine Freihaltung. Ein Antrag auf Urnenabstimmung scheiterte. Dann verzog sich ein grosser Teil in die Restaurants, wo nach einer langen und aufwühlenden Versammlung die damals geltende Polizeistunde aufgehoben wurde. Ein Gestaltungsplan für den Sonnenberg, dessen Bedeutung an der Gemeindeversammlung hervorgehoben wurde, war danach kein Thema mehr. Hans Gut, bis 1986 Gemeindepräsident, bedauert das.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern11.06.2025

«Ungenutztes Potenzial für Artenvielfalt»

Ende Juni beschäftigt sich das Knonauer Stimmvolk mit einer Einzelinitiative und einem Gegenvorschlag dazu
Bezirk Affoltern11.06.2025

Unerwartet grosser Zuwachs für den Musikverein Maschwanden

Das Projekt «MVM + Friends» brachte neun Neue
Bezirk Affoltern11.06.2025

Vorschlag für «Doppelsporthalle Typ A»

Gemeinderat Knonau will in Neubau auch die Tagesstrukturen integrieren