Architekt drohen zehn Monate Gefängnis

Prozess in Affoltern wegen Betrugsvorwurf rund um Eigentumswohnungen

Im Prozess geht es auch um viel Geld. Die Wohnungseigentümer fordern acht Millionen Franken zurück für aufwendige Sanierungen: Plastikröhre auf einer Baustelle. (Symbolbild Daniel Vaia)

Einem Architekten aus dem Bezirk ­Affoltern drohen in Zusammenhang mit einem grösseren Bauvorhaben eine bedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten sowie eine Busse von 3000 Franken. Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis wirft ihm Betrug vor. Er soll den Käufern der von ihm entwickelten und erstellten Eigentumswohnungen bewusst schwere Baumängel verschwiegen und sie bei mehreren Gelegenheiten getäuscht ­haben.

Infolge der Mängel soll es in der Überbauung mit den 30 Eigentumswohnungen zu schweren Schäden durch eindringendes Wasser gekommen sein. Die Eigentümergemeinschaft veranlasste ab 2018 – nur wenige Jahre nach dem Kauf – eine umfassende Sanierung der Liegenschaften, deren Kosten sich auf rund acht Millionen Franken beliefen. Die Kosten dafür hatte sie aus der eigenen Tasche zu zahlen. Sie fordert den Betrag im Rahmen des Strafverfahrens vom Architekten zurück.

Der Beschuldigte, vertreten durch Verteidiger Duri Bonin (Bonin & Langner, Zürich und Meilen), wies bei der Verhandlung Anfang Juli vor dem ­Bezirksgericht Affoltern alle Anschuldigungen zurück und verlangte einen ­Freispruch.

Von der Staatsanwaltschaft war beim Prozess niemand vor Ort. Dafür vertrat Christian Stoll (Tschudi Thaler Rechtsanwälte, Zürich) die Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer, von denen sieben den Prozess persönlich vor Ort verfolgten. Stoll forderte eine ­Verurteilung im Sinne der Anklage ­sowie die Übernahme der erwähnten millionenteuren Sanierung durch den Beschuldigten.

Ein Urteil wird das Gericht unter dem Vorsitz von Sabrina Hürlimann in einigen Wochen fällen. Man wolle nicht vorschnell urteilen und nochmals «alles sauber durchdenken», erklärte Hürlimann nach kurzer Beratung.

Wie umfangreich und komplex der Fall ist, deutet schon der Umfang der Anklageschrift an: Sie umfasst 30 Seiten!

Sieben Abmahnungen

Der Fall reicht relativ weit zurück, bis 2008/2009. In dieser Zeit wurden in ­einer Säuliämter Gemeinde die 30 Eigentumswohnungen erstellt, verteilt auf sechs Gebäude. Der Beschuldigte war dabei über mehrere Firmenbeteiligungen massgeblich an der Planung (Architektur), dem Bau (Generalunternehmen) und dem Verkauf beteiligt (Immobilienhandel). In zwei der drei Firmen war er laut Staatsanwaltschaft die «zentrale und prägende Persönlichkeit» sowie der «massgebliche Entscheidungsträger».

In dieser Zeit beauftragte der Beschuldigte bzw. eines seiner Unternehmen eine im Aargau domizilierte Firma mit den Abdichtungs- und Spenglerarbeiten in der Überbauung. Der weiter nicht ungewöhnliche Auftrag sollte jene Entwicklung in Gang setzen, die zur heute vorliegenden Anklage führte.

Denn die Aargauer Firma stellte ­gemäss Anklage «während der Arbeitsausführung diverse von den ursprünglichen Bauplänen (...) erheblich abweichende Unregelmässigkeiten beim Rohbau fest». Laut Anklageschrift teilte sie dies auch dem Architekturbüro des Beschuldigten mit, wobei sie gleichzeitig klar machte, dass sie unter diesen ­Umständen ihre Arbeiten «nicht fachgerecht erbringen» kann.

Die festgestellten Mängel hielt die Aargauer Firma 2009 gegenüber dem Architekturbüro in sieben Abmahnungen fest. In den Abmahnungen der ­Aargauer Firma spielten unter anderem Fehler eine Rolle, durch die Wasser ins Gebäude eindringen könnte. Erwähnt wurden beispielsweise ein nicht den ­SIA-Normen entsprechendes Gefälle, zu geringe Anschlussbreiten bei Fensterrahmen oder Risse in Betonbrüstungen. Gleichzeitig wurde jeweils auf die potenziellen Schäden hingewiesen, die sich daraus ergeben konnten: «Gefahr von Beschädigungen der Bausubstanz durch stehendes Wasser, (...) Gefahr von Fäulnis bei den Fenstern, (...) Gefahr von Wasseransammlungen im Dachaufbau, (...) Wasser an Stellen im Balkonaufbau» etc.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Architekturbüro des ­Beschuldigten spätestens ab diesem Zeitpunkt über die Baumängel informiert war – und dennoch keine Korrekturen veranlasste. Laut Anklageschrift wurden die Abmahnungen lediglich zur Kenntnis genommen und das Aargauer Unternehmen angewiesen, die Arbeiten wie ursprünglich geplant auszuführen – «ohne dass die abgemahnten Umstände korrigiert werden sollten».

(Wie sich später herausstellte, ­begingen die Aargauer Abdichtungsarbeiter darauf selber mehrere Ausführungsfehler, was aber im Prozess nicht weiter thematisiert wurde.)

«Massive versteckte Mängel»

In der Folge sollen – immer laut ­Anklage – nicht einmal ein Jahr nach dem Bezug der Eigentumswohnungen «Wasserinfiltrationen in einzelnen Wohnungen, gemeinschaftlichen Teilen der Gebäude und in der Einstellhalle» aufgetreten sein. Das Ganze mündete schliesslich in der von den Wohnungseigentümern veranlassten millionenschweren Sanierung in den Jahren 2018 bis 2021. Ob die Schäden in Zusammenhang mit den früheren Abmahnungen stehen, wird von der Verteidigung infrage gestellt.

Obwohl der Beschuldigte laut Staatsanwaltschaft früh über die Mängel ­Bescheid wusste, unterliess er es in all den Jahren, die Wohnungskäufer über die «massiven versteckten Mängel» in Kenntnis zu setzen. Vielmehr habe er «gezielt den Irrglauben hervorgerufen, die Überbauung sei – wenn überhaupt – nur geringfügig mängelbehaftet und bei den immer wieder festgestellten Wasserinfiltrationen handle es sich nur um ein geringfügiges, mit wenig finanziellem Aufwand behebbares Problem».

Als Beispiel für die Täuschungs­manöver des Beschuldigten nennt die Staatsanwaltschaft eine Vereinbarung aus dem Jahr 2009 zwischen dem ­Beschuldigten und der Aargauer Firma. Bei einer Besprechung über ausstehende Zahlungen habe er die Aargauer dazu gebracht, dass diese die Abmahnungen zurückziehen und sie für gegenstandslos erklären.

Freispruch gefordert

Verteidiger Duri Bonin forderte beim Prozess in Affoltern einen Freispruch für den Beschuldigten oder eine Ein­stellung des Verfahrens. «Es fehlt an allem, was einen Betrug ausmacht», erklärte er: «Eine Täuschung, ein Irrtum, ein Schaden – und ein Vorsatz.» Die ­Verteidigung kritisierte zudem, dass die Anklage nicht auf einem unabhängigen Gutachten basiert, sondern auf Parteiberichten, welche selbst mit über einer Million Franken an der Sanierung ­verdient habe. Der Sachverhalt, so ­Bonin, sei technisch komplex, juristisch aber klar: Der Rückzug der Abmahnungen habe der Absicherung der Erwerber gedient – nicht ihrer Täuschung.

Auch die mehrere Jahre nach der Bauvollendung erfolgte «teure Luxussanierung» (Bonin) beweise nichts. Mit den Abmahnungen habe sich das ­Aargauer Unternehmen lediglich «nicht rückwirkend angreifbar machen ­wollen». So hätten die Abmahnungen keine Reparaturaufforderungen beinhaltet, keine konkreten Baumängel oder Hinweise auf eine akute Gefahr. Die ­erwähnte Abweichung von SIA-Normen sei ebenfalls nicht zu beanstanden, die Einhaltung der Normen sei nicht ­zwingend.

Vielmehr sei es so, dass die Baukommission der Wohnungsinhaber Fristen versäumt habe und selber 2016 eine Vergleichsvereinbarung angestossen habe.

Davon abgesehen gelte bei Betrug eine Verjährungsfrist von 15 Jahren. Und da die letzte Wohnung im Dezember 2009 an einen Käufer übergeben wurde, sei diese Frist im Dezember 2024 abgelaufen.

Sein Mandant, so Bonin, sei «ein Unternehmer mit Verantwortung, der ein gelungenes Projekt realisiert hat». So habe eine ursprünglich für 1,32 Millionen Franken gekaufte Wohnung ­Anfang dieses Jahres für 2,4 Millionen Franken weiterverkauft werden können: «Das ist kein Schaden, das ist eine Wertsteigerung von über 1 Million Franken.»

Der Beschuldigte selber schwieg während des Prozesses. Erst ganz am Schluss richtete er sein Wort an die im Saal anwesenden Wohnungseigentümer (siehe unten).

«Mängel kleingeredet»

Christian Stoll als Vertreter der Privatkläger bezeichnete in seinem Plädoyer die Ausführungen der Verteidigung als «haltlose Schutzbehauptungen».

Der Beschuldigte habe sehr wohl mit Arglist gehandelt, indem er die ihm bekannten «kleingeredeten Mängel» und Abmahnungen «wiederholt ­verschwiegen» habe. Weder bei der ­Eigentumsübertragung, noch bei der Bauabnahme, anlässlich einer Stockwerkeigentümerversammlung oder bei der Unterzeichnung einer Vereinbarung mit den Stockwerkeigentümern zur ­Beilegung sämtlicher bestehender ­Differenzen seien diese Mängel und ­Abmahnungen jemals erwähnt worden.

Ins selbe Kapitel gehöre das mit der Aargauer Firma vereinbarte «Verschwindenlassen» (Stoll) der Abmahnungen. Es sei dem garantiepflichtigen Beschuldigten nur darum gegangen, sich die erheblichen Kosten für die Behebung der Mängel zu sparen. Darum habe er die Mängel so lange unter dem Deckel halten wollen, bis er von den Käufern nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann.

Hätten die Stockwerkeigentümer von den Mängeln und dem «immensen Risiko» gewusst, hätten sie anders ­gehandelt und beispielsweise auch Mehrkosten (für Sonderwünsche und individuelle Ausstattungen) in der Höhe von 551000 Franken zurück­behalten.

«Nicht nachvollziehbar» sei die ­Behauptung, die millionenteure Sanierung sei übertrieben gewesen: «Die ­Sanierung war technisch notwendig, einige für die Stabilität der Balkone zwingend nötigen Armierungseisen ­waren nach drei, vier Jahren bereits komplett weggerostet.»

Von einer Verjährung könne ebenfalls keine Rede sein, diese beginne erst mit der Saldovereinbarung 2016 und ende somit 2031, so Stoll.

«Mit Herzblut gebaut»

Zum Schluss der Verhandlung ergriff schliesslich der Beschuldigte das Wort, das er direkt an die im Gerichtssaal hinter ihm sitzenden Wohnungseigentümer richtete. Er habe ein «architektonisch herausragendes Werk» erstellt, das einen «erheblichen Mehrwert» für die Eigentümer geschaffen habe und in dem sein «Herzblut» stecke. Und weiter: Er könne auch heute «allen in die Augen blicken». Gleichzeitig sei er menschlich tief enttäuscht, er könne die Anklage nicht nachvollziehen: «Es ist in meiner Karriere einzigartig, so angegangen zu werden.»

Ob er damit seine früheren Kunden, die Privatkläger, erreichte? Es sind Zweifel angebracht. Denn die Besitzer der Eigentumswohnungen haben zusätzlich zum Kaufpreis für die spätere Sanierung grob geschätzt (je nach Quote) zwischen 150000 und 350000 Franken aufwenden müssen. Für einige sei das existenzbedrohend gewesen, war in Affoltern zu hören. Angesprochen auf die Schlussworte des Beschuldigten meinte eine der Geschädigten nach dem Prozess achselzuckend: «Er redet immer so, für mich war es ein Déjà-vu.»

Für den Beschuldigten gilt die ­Unschuldsvermutung.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern21.07.2025

Ein Treffen mit der Bildungs­direktorin brachte die Wende

Wie das Säuliamt doch noch zu seinem Kantonsschulprovisorium kam
Bezirk Affoltern21.07.2025

Feuerwerksverbot: Handel im Bezirk mässig betroffen

Manor verzichtet dieses Jahr auf den Verkauf von Feuerwerk, Drogerie Rütimann macht weiter
Bezirk Affoltern17.07.2025

Alexander Soland wird Finanzchef am Spital Affoltern

Anfang Juli teilte das Spital Affoltern mit, dass Irene Christen per 1. Januar 2026 neue CEO wird. Nun wurde eine weitere Personalie bekannt gegeben: Alexander…