Chronik einer Eskalation

Gegen die Sekundarschulpräsidentin von Bonstetten läuft ein Aufsichtsverfahren – wie konnte es so weit kommen?

Blick aus der Luft auf das Areal der Sekundarschule Bonstetten. (Bild CH Media)

Am 25. November 2024 erhielt der ­Bezirksrat Affoltern happige Post aus der Sekundarschule Bonstetten: Auf seinen Tisch flatterte eine Aufsichtsbeschwer-de gegen Schulpräsidentin Tamara ­Fakhreddine. Ihre Amtsführung sei auf ordnungsgemässe Ausübung und allfällige Rechtsverletzungen zu überprüfen, wurde beantragt. Unterzeichnet haben die Beschwerde 24 Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarschule Bonstetten.

Was muss an einer Schule vorgefallen sein, dass mehr als die Hälfte aller dort beschäftigten Lehrpersonen (insgesamt sind es rund 40) an die Aufsichtsbehörde gelangt, um ihrer Schulpräsidentin, salopp gesagt, das Handwerk zu legen?

Die wichtigste Erkenntnis in dieser Recherche ist: Wer im Konflikt zur Sekundarschule Bonstetten mit einem Aussenblick versucht, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, wird früher oder später merken, dass neben dem roten Faden aus Fakten und Meinungen noch ein zweiter verläuft, der blau ist. Es gibt in dieser Geschichte zwei Wahrheiten, die sich nicht decken – obwohl beide Seiten eigentlich das Beste für die ­Sekundarschule Bonstetten wollen.

I. Die Entfremdung– aus Sicht der Lehrpersonen

Tamara Fakhreddine ist seit Juli 2018 Schulpräsidentin in Bonstetten. Wann genau die Entfremdung zwischen ihr und den Lehrpersonen begonnen hat, ist schwer zu rekonstruieren. Zwischen den Zeilen war in den Gesprächen mit Drittpersonen herauszuhören, dass es für sie – aus der Privatwirtschaft kommend und selber keine ausgebildete Lehrerin – von Anfang an schwierig war, sich bei den Lehrpersonen auf Augenhöhe zu etablieren.

Der Auslöser für den Konflikt mit der Schulpräsidentin seien ursprünglich Drittpersonen gewesen, erzählt eine Auskunftsperson: «Es gab auf der Schulverwaltung immer wieder Abgänge. Es waren auffallend viele. Irgendwann begannen sich diese Vakanzen auf den Unterricht auszuwirken. Etwa, wenn IT-Support für die iPads der Jugendlichen gefragt war, aber keine Ansprechperson mehr da war. So fiel irgendwann auch den Lehrpersonen auf, dass etwas nicht stimmt.»

Hinter hervorgehaltener Hand sei die Schulpräsidentin von den Betroffenen, die gekündigt hätten und ihr direkt unterstellt gewesen seien, mehrfach als Grund oder Mitgrund für die Kündigungen genannt worden. Mit ihrem Führungsstil ecke sie an, so der Tenor gegenüber dem «Anzeiger» in den Recherchegesprächen. Mehrfach war von einem ausgeprägten Machtdrang und starker Dominanz die Rede. «Die Lehrpersonen wollten das Personal aus der Schulverwaltung unterstützen und forderten von der Schulpflege mehrmals, dass diese Kündigungsgründe analysiert werden, was aber nicht geschah.»

Im Herbst 2023 führte die Sekundarschule Bonstetten eine Retraite durch. Aufgrund der anhaltend angespannten Situation zwischen ihr und dem Lehrkollegium habe Tamara Fakhreddine dort die Vertrauensfrage gestellt und ihren Rücktritt angeboten. Unter den Lehrpersonen habe sich damals aber noch die Überzeugung durchgesetzt, dass ein Wechsel im Schulpräsidium noch mehr Unruhe in die Schule bringen würde, was schädlich wäre. Man sprach sich also dafür aus, dass Tamara Fakhreddine im Amt bleibt, forderte aber Veränderungsbereitschaft: «Die Schulpflege wurde aufgefordert, bei den Gründen für die vielen Kündigungen genau hinzuschauen. Bis dahin waren es 17 Abgänge, Lehrpersonen nicht eingerechnet.»

In den Folgemonaten sei es zu weiteren Kündigungen gekommen. Darunter zum Abgang von Schulleiterin Jeannette Egli, die offenbar einen guten Draht zu den Lehrpersonen hatte.

So habe sich unter den Lehrpersonen neuer Widerstand gegen Tamara ­Fakhreddine formiert: Das Ergebnis war ein Brief an die Schulpräsidentin im Juni 2024 mit dem Wunsch, sie möge ihrem Angebot von Herbst 2023 nun doch nachkommen und von ihrem Amt zurücktreten. Unterschrieben wurde der Brief im Namen der Lehrpersonen, also anonym. Zuvor war im Rahmen einer Mitarbeitenden-Konferenz über das Vorhaben abgestimmt worden: Von den 26 Anwesenden waren 24 dafür, zwei Personen haben sich enthalten. Dem Vernehmen nach handelt es sich um dieselben Lehrpersonen, die im November 2024 die Aufsichtsbeschwerde gegen Tamara Fakhreddine eingereicht haben.

II. Die Entfremdung – aus Sicht der Schulpflege

Tamara Fakhreddine hat die Möglichkeit erhalten, im Rahmen dieses Artikels ihre Sicht auf die Dinge zu schildern und zu sämtlichen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Auf diese Fragen – auch dazu, wie es zur Entfremdung mit den Lehrpersonen gekommen ist–, nimmt sie folgendermassen Stellung:

«Die Verantwortung der Sekundarschule ist es, Jugendliche auf ihre Zukunft vorzubereiten. Die drei Jahre an der Sekundarschule sind ein wichtiger Bestandteil in einer prägenden Lebensphase unserer Jugendlichen.» Umso wichtiger sei es, den Fokus wieder konsequent auf die Schülerinnen und Schüler zu richten und die Energie in die Weiterentwicklung der Schule zu ­investieren. «Aufbauend auf den Erkenntnissen der letzten Jahre braucht es nun einen Übergang in eine offene, konstruktive Zusammenarbeit. Damit bündeln wir die Kräfte und erreichen gesetzte Ziele. Gemeinsam.» Tamara Fakhreddine sprach zuletzt von einer Transformation, die die Sekundarschule Bonstetten «von einer kleinen Schule mit informellen Strukturen hin zu einer grösseren, klar strukturierten und geführten Schule» führen soll. «Mit diesen Reformierungsplänen hat ­Tamara Fakhreddine keinen einfachen Stand», sagt ein aussenstehender ­Beobachter, der die Sekundarschule Bonstetten über Jahre begleitet hat und die internen Strukturen sehr gut kennt. «Es hat in Bonstetten Tradition, dass die Lehrpersonen gegen die Schulpflege einen Kampf führen.»

Die Gründe seien eigentlich positiv: «Das Selbstverständnis der Lehrpersonen sieht vor, diese Schule aus Pflichtbewusstsein und alter Tradition zu tragen und zu repräsentieren.» Wenn nun eine Schulleitung die Zügel mehr in der Hand halten will, sorge das für Spannungen. Der Beobachter sagt: «Die Schulpräsidentin steht einer Lehrerschaft gegenüber, die zusammenhält und die es gewohnt war, Verantwortung für diese Schule zu tragen. Diese starke Tradition, die über Generationen gefestigt und weitergegeben wurde, scheint die Schulpräsidentin womöglich nicht ganz erfasst zu haben. Es ist ihr bisher nicht gelungen, diese Kräfte in den Entwicklungsprozess einzubinden.»

III. Die Eskalation– aus Sicht der Lehrpersonen

Was sich nach dem Brief mit der Rücktrittsbitte im Juni 2024 zugetragen hat, schildern mehrere Auskunftspersonen so: Tamara Fakhreddine habe den Rücktritt verweigert und habe versucht, den Drahtzieher hinter dem Protestbrief zu identifizieren. «Sie hat nicht realisiert, dass es die eine treibende Kraft nicht gibt, sondern dass die Lehrpersonen reihenweise unzufrieden sind», erzählt eine Auskunftsperson. Weiter habe sie begonnen, «Beweise» zu sammeln, um die ihr missliebigen Lehrpersonen loszuwerden. Dies sei mit Aktennotizen geschehen. Kleinste Fehltritte hätten plötzlich gereicht, um einen Eintrag in die Personalakte zu kassieren. Der Streit, der nun die Gestalt eines Machtkampfs annahm, spitzte sich zu.

Was letztlich der genaue Auslöser war, dass die 24 Lehrpersonen im November 2024 eine Aufsichtsbeschwerde beim Bezirksrat einreichten und ob das geschilderte Vorgehen mit den Aktennotizen davor oder erst danach begann, ist nicht bekannt. Das Dokument liegt dem «Anzeiger» nicht vor.

Bekannt ist dagegen, dass diese ­Aktennotizpraxis von einer anderen Abteilung bestätigt wurde: Der Hausdienst der Sekundarschule Bonstetten hat sich im Frühjahr 2025 ebenfalls beim Bezirksrat gemeldet und stützt in seinem Schreiben, das dem «Anzeiger» vorliegt, die Schilderungen der Auskunftspersonen. Es habe eine «inoffizielle Liste» existiert mit jenen 24 Lehrpersonen, die sich kritisch gegenüber Tamara ­Fakhreddine geäussert hätten, heisst es dort. Der Hausdienst habe den Auftrag gefasst, diese Personen im Alltag systematisch zu beobachten und Fehlverhalten zu melden, sodass Aktennotizen angefertigt werden könnten.

Offenbar sind daraus denn auch mehrere Aktennotizen entstanden. Einmal, weil ein Lehrer die Schüler bei schönem Wetter mit Hallenturnschuhen draussen turnen liess. Ein anderes Mal, weil derselbe Lehrer in der Turnhalle während eines Spiels verbotenerweise via eine Absperrung auf die Tribüne kletterte, um den Ball zu holen.

Im Rahmen dieser Aktennotizen sei er auch dazu gedrängt worden, Unwahrheiten zu verbreiten, klagt der Hausdienst in dem Schreiben weiter. Einmal habe man auf Geheiss des Vorgesetzten einer Reinigungsmitarbeiterin einen Brief schreiben müssen, indem es hiess, Lehrpersonen hätten sich über unsaubere Arbeit beklagt. Dies stimmte offenbar nicht, sodass sich wiederum mehrere Lehrpersonen mit einem Brief für die Mitarbeiterin einsetzten und den Vorwürfen widersprachen. Für diesen Einsatz habe der Initiant des Briefs dann eine Aktennotiz erhalten.

Doch die Vorwürfe des Hausdienstteams reichen noch weiter: Im März 2025 sei für eine dieser missliebigen Lehrpersonen die Kündigung vorbereitet worden. Dabei sei ein Hausdienstmitarbeiter aufgrund seiner Erfahrung im Sicherheitsdienst beauftragt worden, vor Ort dabei zu sein, um den Mitarbeiter im Fall von Widerstand zu fixieren und aus dem Schulzimmer abzuführen. Mehrere Quellen bestätigen, dass es sich bei dem Lehrer, der damals offenbar die Kündigung erhalten sollte, um jene Person handle, die von Tamara Fakhreddine zuvor als «Drahtzieher» hinter dem Protestbrief ausgemacht worden sei.

Zur Kündigung kam es nicht, weil der Lehrer kurz davor krankheitsbedingt ausfiel. Trotzdem barg die Angelegenheit Sprengkraft, denn offenbar soll die Schulleitung in einer internen Schulkonferenz zu Protokoll gegeben haben, dass sie für diesen Mitarbeiter keine Kündigung veranlasst habe. Es soll die Schulpräsidentin höchstselbst gewesen sein, die die Fäden gezogen habe.

Auch dieser Vorwurf ist letztlich nicht belegt, da das Schulkonferenz-­Protokoll dem «Anzeiger» nicht vorliegt. Tamara Fakhreddine hat zum Vorwurf direkt keine Stellung genommen, sondern, wie erwähnt, eine allgemeine Stellungnahme eingereicht. Bewiesen ist jedoch, dass die Schulpräsidentin in der Vergangenheit unerlaubterweise in das Ressort Personal eingegriffen hatte. Mit einem Zwischenbeschluss Anfang April hat der Bezirksrat ihr untersagt, dies weiterhin zu tun.

IIII. Der aktuelle Stand- und was noch folgt

Die erwähnte Aufsichtsbeschwerde gegen Tamara Fakhreddine ist nach wie vor beim Bezirksrat hängig. Bis spätestens vor den Sommerferien will dieser das Verfahren abgeschlossen und allfällige Massnahmen angeordnet haben, sagt Statthalter Claude Schmidt.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern23.06.2025

Immer mehr häusliche Gewalt

Viermal so viele Fälle am Bezirksgericht im Vergleich zu 2015
Bezirk Affoltern23.06.2025

Türlersee – erleben und erfahren

Eine Exkursion, super organisiert von der Gemeinde Hausen in Koordination mit dem Türlersee-Schutzverband
Bezirk Affoltern23.06.2025

Sekundarschule Obfelden-Ottenbach mit Gewinn

Die knapp besuchte Versammlung beschloss über Jahres- und Kreditabrechnungen