«Dazu machen wir keine Angaben»
Am Freitagabend feuerte eine Polizistin der Stadtpolizei Affoltern einen Warnschuss ab. Wie häufig kommt das vor und welche Folgen zieht das nach sich? Wer solche Fragen hat, läuft bei den Behörden auf.

Der Sachverhalt ist hinlänglich bekannt: Am vergangenen Freitag befanden sich drei Angehörige der Stadtpolizei Affoltern auf einer Fusspatrouille, als sie einen Mann erkannten, der mutmasslich Einbrüche begangen hat und deshalb zur Verhaftung ausgeschrieben war. Als sie ihn zur Kontrolle anhalten wollten, flüchtete der Mann zu Fuss.
Am Samstagmorgen verschickte die Kantonspolizei Zürich eine Medienmitteilung. Darin teilte sie mit, dass eine Polizistin im Rahmen der geschilderten Ereignisse einen Warnschuss abgegeben habe. Es gab keine Verletzten, aber auch keinen Verhafteten. Der dreiköpfigen Patrouille gelang es nicht, den Mann zu stellen. Am Sonntagmorgen war es ein Polizist der Kantonspolizei Zürich, der den 31-jährigen Schweizer wiedererkannte und auf dem Areal des Obfelder Dorfmärts festnahm.
Keine Statistiken, keine Auskunft
Der Mann ist nun also in Polizeigewahrsam. Doch wie geht es für die Polizistin weiter, die den Schuss abgefeuert hat? Klar ist: Der Gebrauch der Dienstwaffe setzt ein internes Verfahren in Gang. In der Mitteilung von Samstagmorgen hiess es dazu: «Die Kantonspolizei Zürich hat in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft I die Ermittlungen zum Vorfall aufgenommen.»
In welchen Fällen dürfen Polizistinnen und Polizisten einen Warnschuss abfeuern? Wie regelmässig trainieren sie den Schusswaffeneinsatz? Wie häufig kommt es bei der Kantonspolizei Zürich im Jahr zu Schussabgaben? Und haben diese zugenommen?
Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft schreibt zur Frage nach der Anzahl der Verfahren, die sie im Zusammenhang mit Schussabgaben von Polizistinnen und Polizisten führt: «Dazu führen wir keine Statistik.»
Und zur Frage, wie viele dieser Verfahren eingestellt würden: «Dazu führen wir keine Statistik.»
Und zur Frage, welche juristischen Konsequenzen eine Schussabgabe ohne Verletzungsfolge für Polizeibeamte haben könnte: «Dazu machen wir mit Rücksicht auf die erst angelaufenen Vorabklärungen und Persönlichkeitsrechte der Beteiligten keine Angaben.»
Anruf bei der «Ansprechperson für Medien», welche die Kantonspolizei Zürich in ihrer Mitteilung genannt hatte. Gibt es dort Auskunft zu generellen Fragen zum Schusswaffeneinsatz? Nein: Der Mediensprecher bittet um schriftliche Fragen, die er schliesslich «wegen der Zuständigkeit im laufenden Verfahren» wiederum an die Oberstaatsanwaltschaft weiterleitet (wo man ja tags zuvor erfahren hat, dass es zu Schussabgaben nichts zu erfahren gibt). Nun heisst es bei der Medienstelle: «Danke für Ihre Nachfrage. Über unsere gegebenen Antworten hinaus verzichten wir auf weitere Ausführungen zur Ausbildung, Dienstanweisungen und Statistik der Polizei. Dazu muss ich Sie an die Medienstelle der Kantonspolizei Zürich zurückverweisen. Es ist natürlich der Polizei überlassen, ob sie sich zu Ihren Ergänzungsfragen äussern möchte.»
Zurück bei der Kantonspolizei heisst es am Telefon, dass man nichts sage, habe auch taktische Gründe; Auskünfte könnten die Ermittlungen tangieren. Und als man näher verstehen möchte, inwiefern es die Ermittlungen zur Schussabgabe in Affoltern negativ beeinflusst, wenn die Öffentlichkeit weiss, wie regelmässig Polizistinnen Schiesstrainings absolvieren oder zu wie vielen Schussabgaben es im Jahr während des Dienstes kommt, heisst es nur noch: Man mache, wie gesagt, keine Angaben.
Warnschuss als letztes Mittel
Im Fall der Affoltemer Polizistin wird nun zu klären sein, ob der Warnschuss angesichts der Umstände verhältnismässig war. Im Polizeigesetz des Kantons Zürich steht, die Polizei dürfe in angemessener Weise von der Schusswaffe Gebrauch machen, wenn andere verfügbare Mittel nicht ausreichen würden. Als mögliche Rechtfertigungsgründe werden mehrere Situationen aufgezählt:
Etwa, wenn Angehörige der Polizei oder andere Personen in gefährlicher Weise angegriffen oder mit einem gefährlichen Angriff unmittelbar bedroht werden. Oder wenn Personen für andere eine ernste Gefahr darstellen und versuchen, der Festnahme zu entkommen. Weiter zur Befreiung von Geiseln, zur Verhinderung eines unmittelbar drohenden schweren Verbrechens. Oder: Wenn eine Person ein schweres Verbrechen oder Vergehen begangen hat oder dessen dringend verdächtigt wird und fliehen will.
Ein Warnschuss darf nur abgegeben werden, sofern die Umstände die Wirkung eines Warnrufes vereiteln.