Der letzte Laienrichter am Bezirksgericht?

An Gerichten sollen nur noch juristisch ausgebildete Richterinnen und Richter Urteile fällen dürfen. Der Kantonsrat unterstützt eine parlamentarische Initiative, mit der das Laienrichtertum beendet werden soll. Mit Otto Steinmann sitzt ein einziger Nichtjurist am Bezirksgericht Affoltern.

Seit sieben Jahren am Bezirksgericht Affoltern als Richter tätig: Otto Steinmann ist der einzige
Seit sieben Jahren am Bezirksgericht Affoltern als Richter tätig: Otto Steinmann ist der einzige

Die Kritik am Laienrichtertum ist nicht neu. Juristen sind gegen dieses Relikt aus dem 19. Jahrhundert, argumentieren mit Überforderung von nicht juristisch ausgebildeten Personen an Gerichten, wo die Fälle auch komplexer geworden sind. Oftmals sässen Laienrichter gewieften Anwälten gegenüber, die ihnen fachlich überlegen sind. Die Legitimation von Urteilen durch Laienrichter sei geschwächt, wird weiter argumentiert. Die von der SVP angeführte Gegenseite argumentierte im Kantonsrat mit der guten Erfahrung, die mit Laienrichtern gemacht würden, mit deren Lebenserfahrung und der Akzeptanz in der Bevölkerung – gerade in ländlichen Regionen.

Zweiteilige Ausbildung

Peter Frey, Präsident des Bezirksgerichts Affoltern, hält es für wichtig, abzuklären, wo und wie Laienrichter sinnvollerweise ihren Beitrag leisten können – in einem beschränkten Einsatzgebiet, auf jeden Fall dort, wo er sich zu Hause fühlt. «Es macht keinen Sinn, dem Laienrichter schwere, komplexe Fälle, etwa im Bereich von Forderungen, zuzuteilen», hält Frey fest und ergänzt: «Bei uns in Affoltern funktioniert das gut.»

Im fünfköpfigen Richtergremium ist Otto Steinmann der einzige Nichtjurist. Er amtet seit sieben Jahren als Richter und bewältigt – wie alle mit Ausnahme des vollamtlichen Gerichtspräsidenten – ein 35-Prozent-Pensum. Zu Beginn seiner Tätigkeit absolvierte Steinmann auf Verbandsebene Schulungen und Kurse, die von pensionierten Oberrichtern, Richtern von verschiedenen Bezirksgerichten und von Anwälten geleitet wurden. Weitere individuelle Ausbildung fand am Gericht selber statt. «Während dreier Monate habe ich bei Gerichtssitzungen vom Gerichtspräsidenten Anschauungsunterricht erhalten. Nach drei Monaten durfte ich unter Begleitung des Gerichtspräsidenten in eigener Regie Fälle behandeln», sagt Otto Steinmann. «Nicht jedes Gericht bietet eine solche individuelle Zusatzausbildung. Gerichtspräsidenten, die vehement gegen das Laienrichtertum sind, machen das kaum. Dann scheitert ein Laienrichter oft», fügt er bei.

«Beurteilung oft richtig»

Für die Einsetzung von Richtern und die Behandlung von Fällen gibt es keine einheitlichen Regelungen. In Affoltern amtet Otto Steinmann als Einzelrichter im Bereich des Familienrechts und des Scheidungsrechts, nicht aber bei Straffällen. Bei solchen wirkt er nur im Kollegialgericht mit, also in einer Dreierbesetzung. «Andere Gerichte übertragen Laienrichtern mehr Aufgaben», fügt Steinmann bei. Er räumt ein, dass Juristen in verfahrenstechnischen Angelegenheiten besser sind als Laien. «Bei der Beurteilung einer Situation liege ich aber sehr oft richtig», sagt er unter dem Hinweis auf seine Lebenserfahrung, dies nachgerade beim Familienrecht.

In seiner siebenjährigen Tätigkeit hat er nur in einem Fall von einem Anwalt Kritik einstecken müssen, als dieser sagte «Aha, ein Laienrichter.» Oft erhält Otto Steinmann von den Prozessbeteiligten positive Rückmeldungen – etwa mit der Feststellung, er wirke ruhig, umsichtig und könne gut zuhören. Von Anwälten und Gerichtspersonal erhält er bisweilen Komplimente, etwa mit der Feststellung: «Wie hast du diesen Fall bloss lösen können ...?»

Insgesamt ist Otto Steinmann der Auffassung, dass es in einem Vierergremium einen Laienrichter verträgt – «mehr nicht», fügt er bei und gesteht auch ein, kein Alleskönner zu sein. «Die Fälle sind ja auch komplexer geworden.» Und aufwändiger. Zähle er die Stunden fürs Aktenstudium, so übersteige das ein 35-Prozent-Pensum deutlich. Ein Pensum übrigens, für das er tiefer entschädigt wird als juristisch ausgebildete Richterinnen und Richter. In diesem Zusammenhang erwähnt Steinmann auch den Umstand, dass nur noch mit ausgebildeten Juristen besetzte Gerichte auch teurer werden.

Behördenreferendum der SVP – und dann eine Volksabstimmung

Wie auch immer: Es ist gut möglich, dass Otto Steinmann, der seine zweite sechsjährige Amtsdauer absolviert, der letzte Laienrichter am Bezirksgericht sein wird. Zu einer weiteren Amtsdauer tritt er ohnehin nicht mehr an. Die SVP, welcher der Affoltemer angehört, hat sich im Kantonsrat vehement für die Beibehaltung des Laienrichterums eingesetzt und ein Behördenreferendum gegen den Ratsentscheid angekündigt. Das Volk wird also über diese Frage an der Urne befinden können.

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