Eine Abstimmung gerät zum Debakel

Unsaubere Abstimmungsunterlagen werden für die Gemeinde Wettswil zum Bumerang

An der Hanglage unterhalb der entstehenden Alterswohnungen (obere Bildmitte) will die Stadt Zürich bauen. (Bild Stefan Felder)

Am 19. November 2023 stimmten die Wettswilerinnen und Wettswiler über drei kommunale Vorlagen ab. Darunter auch über die Bau- und Zonenordnung (BZO) «Weierächer-Grabmatten». In den Leserbriefspalten des «Anzeigers» meldeten sich im Vorfeld einzelne Gegner zu Wort, die die Vorlage zur Ablehnung empfahlen; zu ihnen gehörten etwa alt Gemeindepräsident Hanspeter Eichenberger oder die SVP Wettswil. Es waren kaum mehr als eine Handvoll Voten. Auch ein zustimmendes fand sich darunter: Die FDP Wettswil gab eine Ja-Parole heraus. So weit, so unauffällig.

Am Abstimmungsergebnis zeigte sich dann, dass das Geschäft in der Bevölkerung offenbar weit umstrittener ist. Es fiel denkbar knapp aus: Auf 768 Ja-Stimmen kamen 722 Nein-Stimmen. Mit lediglich 46 Stimmen Unterschied und einem Ja-Anteil von 51,5 Prozent wurde die Vorlage gutgeheissen. Erledigt ist die Sache damit allerdings nicht: Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat die Abstimmung zur besagten Bau- und Zonenordnung mit Urteil vom 21. März wieder aufgehoben («Anzeiger» vom 4. April). Das «Ja»-Ergebnis wird somit ungültig. Aufgehoben wurde mit dem Urteil auch der Beschluss des Bezirksrats vom 19. Dezember 2023.

Dorthin waren Daniel und Hermann Baur aus Wettswil bereits Anfang Oktober gelangt. Damals forderten sie, die anstehende Abstimmung zur BZO sei «auszusetzen», bis der Gemeinderat den Beleuchtenden Bericht zu diesem Geschäft überarbeitet habe. Ihr Vorwurf: Im Bericht werden den Stimmberechtigten wesentliche Informationen vorenthalten. Nach der Abstimmung forderten sie, das Resultat sei aufzuheben und das Geschäft zu wiederholen. Als der Bezirksrat die Beschwerde abwies, zogen die Brüder Baur den Entscheid weiter ans Verwaltungs­gericht.

Hintergrund dieses Geschäfts ist das Grundstück «Weierächer-Grabmatten», das in den nächsten Jahren überbaut werden soll. Das Areal bietet Wohnraum für mehr als 1000 Personen – es ist für Wettswil mit seinen rund 5300 Einwohnenden also von prägender Grösse. Doch seit die Stadt Zürich (die grösste Grundeigentümerin) im Jahr 2012 ihre Bauabsicht kundgetan hat, ist nicht klar, wie das Areal vom Norden her erschlossen werden soll. Und bis die Erschliessung nicht geklärt ist, darf nicht gebaut werden. Bis vor der Abstimmung im November lagen zwei Zufahrtsvarianten auf dem Tisch – beide umstritten. Und zwar offenbar nicht nur bei den Anwohnenden, die den Verkehr vor der Haustüre hätten, sondern auch in anderen Teilen der Bevölkerung. Bemängelt wird, dass die Variante, die von der Gemeinde favorisiert wird, unübersichtlich und deshalb gefährlich sei.

Gemeinde verschwieg ihre Absicht

Der Vorwurf der beiden Rekurrenten: Mit einem «Ja» zur Bau- und Zonenordnung habe die Stimmbevölkerung einen Vorentscheid zugunsten des Gemeinderats gefällt – und zwar unwissentlich. Anhand der geplanten Umzonungen werde die zweite Erschliessungsvariante verunmöglicht. Allerdings sei dieser Fakt im Beleuchtenden Bericht nicht offengelegt worden. Lediglich aus Plänen sei dies ersichtlich gewesen. Diese Pläne seien in den Unterlagen zur Abstimmung allerdings nirgends erschienen.

Die Gemeinde stellte die Ausgangslage im Beleuchtenden Bericht anders dar: Mit einem Ja zur BZO werde noch kein Vorentscheid für eine der beiden Varianten getroffen, behauptete sie. Welche Linienführung sie für die (umstrittene) Zufahrtsstrasse nun plante, gab sie nicht an. Nur aus einem einzigen Satz war mit entsprechendem Vorwissen herauszulesen, dass ein Ja die Weichen für die von der Gemeinde favorisierte Variante stellen würde.

Das Verwaltungsgericht hat die Gemeinde wegen dieses Vorgehens nun zurückgepfiffen. Der Mangel wiege schwer, heisst es im Urteil. Noch ist offen, ob die Behörde das Urteil akzeptiert oder ob sie es weiterzieht.Was steckt hinter den jahrelangen Querelen, die nun in dieser Fehlleistung gipfelten?

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