Freundlicher Austausch von Argumenten
Nichts Neues zu den brennenden Themen Bezirksspital und Umfahrungsstrassenbau. Die Kantonsratskandidaten beliessen es anlässlich der überparteilichen Kantonsratskandidatenvorstellung am Mittwochabend im Kasinosaal beim Rezitieren ihrer Legislaturziele und Weltanschauungen.

Wir gehen jetzt einmal ganz kühn davon aus, dass einem zukünftigen Zürcher Kantonsrat tatsächlich das Wohl der Bevölkerung in seinem Wahlkreis am Herzen liegt, er sich für eine funktionierende Infrastruktur, eine brummende Wirtschaft und gegen überbordende Ausgaben in der Verwaltung einsetzt; zudem für Chancengleichheit, sozialen Frieden, Umweltschutz und gegen Sozialabbau. Das nämlich bekräftigten alle Kandidaten auf dem Podium, besetzt durch Hans Läubli (Grüne, bisher), Moritz Spillmann (SP, bisher), Hans Wiesner (Grünliberale, bisher), Daniel Sommer (EVP, neu), Olivier Hofmann (FDP, bisher), Martin Haab (SVP, bisher) und Brigitte Wettstein (EDU, neu). Wettstein liegt ausserdem die Stärkung der Familie als innerster Kern der Gesellschaft am Herzen. Das gilt es zu erwähnen, denn ansonsten kam die einzige Frau in der von Bernhard Schneider moderierten Männerrunde kaum mehr zu Wort.
Sozialmissbrauch bekämpfen – wie?
Interessant wurde die Diskussion da, wo es um die drückenden Probleme in unserer Gesellschaft geht. Beispielsweise, dass es immer mehr Menschen gibt, die von der Sozialhilfe leben. Oder wie es Hofmann ausdrückte: «Man sollte Fehlanreize verhindern. Es sei stossend, dass eine berufstätige Frau 16 Wochen Mutterschaftsurlaub erhalte, eine mit Sozialhilfe dagegen drei Jahre.» Selbst Läubli ist dafür, dass Missbräuche im Sozialwesen verhindert werden. Er sieht jedoch die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) gefährdet. Wiesner rief in Erinnerung, das die Skos lediglich ein Verein sei ohne Weisungsbefugnis. Er plädierte dafür, den Gemeinden mehr Freiraum zu lassen und erwähnte das Beispiel Regensdorf (mit dem mutmasslichen Mörder Jeton G., der Zeit seines Lebens von der Sozialhilfe gelebt hat). «Man kann den Klimawandel nicht mit sozialer Kälte kompensieren», entgegnete Spillmann wortgewandt – und sorgte für einen der wenigen erheiternden Momente des Abends. Er lokalisierte in Regensdorf ein Versagen der Behörde – und nicht etwa der Skos-Richtlinien. Die Behörde habe ihre Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Allgemein gelte es jedoch, das Thema des Sozialmissbrauchs nicht überzubewerten. Die Zahlen der Missbrauchsfälle verharrten gemäss Statistik auf tiefem Niveau. Haab widersprach: «Wir haben hier kein Einzelfallproblem.» Man müsse aufpassen, dass die Gelder letztlich nicht den tatsächlich Bedürftigen fehlten. Darauf Läubli: «Wenn mit der gleichen Konsequenz gegen Steuerhinterzieher vorgegangen würde wie gegen Sozialbetrüger, würde die Rechnung anders aussehen.» Im Sozialwesen herrsche eine tiefe Missbrauchsquote. «Man sollte nicht auf den Einzelfällen herumreiten, sondern sich gescheiter für eine gute Altersvorsorgeinfrastruktur einsetzen», meinte Sommer zum Thema. «Man dürfe nicht Äpfel mit Birnen vergleichen», wies ihn Haab zurecht. Die Infrastruktur sei bereits sehr gut. Der Fall in Regensdorf sei für die Behörde jedoch nicht ganz so einfach wie dargestellt. Sobald die Familie eines mutmasslichen Straftäters von Sozialhilfekürzungen mitbetroffen sei, müsse von der Behörde ein aufwendiges Verfahren angestrengt werden, um die Sozialhilfe über das Mass von 15 Prozent zu kürzen oder sogar auf Nothilfe umzustellen. Läubli regte deshalb an, auch die Sozialkosten in den Lastenausgleich unter den Gemeinden im Kanton aufzunehmen.
Sparen bei den «Steuergeschenken»
«Ich bin strikte gegen Steuergeschenke für Gutverdienende», sagte Sommer zur Frage, wie die Kantonsfinanzen wieder ins Lot zu bringen sind. Für Wiesner geht es nicht ums Sparen. Er möchte die Ausgaben bremsen. «Die Steuereinnahmen der hohen Einkommen sind um 15 Prozent gesunken», stellte Läubli fest und ergänzte, dass sich bei den Verwaltungskosten Einsparungen vornehmen liessen. Die hohen Verwaltungsausgaben seien mehrheitlich unter bürgerlichen Regierungen entstanden. «Man sollte Steuergeschenke wieder rückgängig machen», stiess Spillmann ins gleiche Horn wie Sommer. Der Kanton Zürich habe einen baulichen Sanierungsbedarf in Höhe von zehn Milliarden Franken, der aus Spargründen laufend zurückgestellt werde, was nicht besonders klug sei. Mit konkreten Zahlen wartete Hofmann auf: «Der Kanton verfügt über ein Budget von 14 Milliarden Franken. Davon seine fünf Milliarden Personalkosten.» Zum defizitären Budget sagte er, dass es unerwartet gekommen sei, trotz guter Konjunktur. Das habe Verunsicherung ausgelöst. Haab rechnete vor, dass dies pro Kopf der 35000 Kantonsangestellten einen Jahreslohn von 110000 Franken ergebe. Gegenüber der eigenen Partei gab er sich kritisch, den Perfektionismus im Strassenbau angehend. Er warnte aber davor, an der Steuerschraube zu drehen. Steuerlich attraktivere Kantone seien zu nah. Ein Fragezeichen machte Haab hinter den 500 Millionen Franken Zuschüssen für den Kulturbetrieb. Läubli verteidigte: «Die Kultur ist ein wesentlicher Teil der Gesellschaft!» Die Förderung des kulturellen Lebens sei als Verfassungsauftrag im Gesetz verankert.
Berechtigte Staatsgarantie der ZKB?
Bei der Frage, ob die Staatsgarantie für die viertgrösste Bank im Land, die Zürcher Kantonalbank (ZKB) noch zeitgemäss sei, meldete Hofmann Bedenken an: «Die ZKB engagiert sich inzwischen auch im Private Banking für ausländische Kundschaft. Ein Viertel des Kapitals ist ausserhalb des Kantons investiert, zehn Prozent sogar im Ausland.» Gehe etwas schief, müsse der Kanton für das Defizit geradestehen. Der Hausemer plädierte dafür, dass auch privates Geld für eine allfällige Defizitdeckung bereitgestellt werden sollte. Generiert werden könnte es beispielsweise mit nachrangingen Anleihen. Spillmann gab Hofmann recht. Die ZKB solle sich ihrer Wurzeln als Bank der Kleingewerbler und Bauern besinnen, sonst verwirke sie ihre Berechtigung als Bank des Kantons.Läubli findet es wichtig, dass die Bank zu 100 Prozent in der öffentlichen Hand bleibt. Es gehe nicht an, dass die Gewinne von Privaten abgesahnt, allfällige Defizite jedoch der Gemeinschaft aufgebürdet werden. Haab gab zu bedenken, dass die Politik über die Wahl des Bankrats Einfluss auf die Entscheide der Bank nehmen könne. Kritisch äusserte er sich jedoch, dass sich die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) in dieses Auswahlprozedere einmische.
Ungewisse Zukunft für das Spital
Nachdem sich eine Frau aus dem Publikum erstaunt zeigte, dass das Bezirksspital bisher kein Thema auf dem Podium war, äusserten sich die Kandidaten auch dazu. Alle wollen sich für das Bezirksspital einsetzen. Wie jedoch dessen Zukunft aussieht, darüber herrschte keine Klarheit. Es brauche eine klare Strategie und eine stringente Führung, war der allgemeine Tenor. Die Rechtsform spiele dabei eine sekundäre Rolle. «Den Privatisierungstendenzen gelte es jedoch entgegenzuwirken», sagte Spillmann und auch Läubli sprach sich gegen private Beteiligungen aus. Hofmann erklärte: «Wir haben zu viele Spitalbetten. Affoltern wird sich auf etwas spezialisieren müssen, um in Zukunft bestehen zu können.» Die Geriatrie und Langzeitpflege könnten der Schlüssel sein. Haab pflichtete ihm bei und ergänzte: «Der Fortbestand hängt auch von der Akzeptanz und der Auslastung durch die Bevölkerung ab.»
Klimaschutz? Kantonsschule in Affoltern!
Eine Votantin wollte wissen, was die Kantonsräte für den Klimaschutz zu tun gedenken. Haab postulierte für die einheimische Lebensmittelproduktion. Sommer propagierte den Arbeitsplatz in der Nähe des Wohnortes und die Nachhaltigkeitsprojekte seiner Parteikollegin Lisette Müller «Strom für morn» und «Zürich erneuerbar». Hofmann machte auf das grosse Potenzial ungenutzter Hausdächer aufmerksam, die sich in Kantonsbesitz befinden und für eine Fotovoltaikanlage eignen würden. Läubli lokalisierte das Übel der Klimaerwärmung in der Mobilität, die es einzudämmen gelte. Zudem könne man die Vorschriften bezüglich Energetik am Bau verschärfen. Wiesner rief in Erinnerung, dass die Energiewende nicht gratis zu haben sei. Spillmann äusserte ein einfaches Rezept: «Indem die Mittelschüler künftig in Affoltern zur Schule gehen und nicht nach Urdorf oder Zürich pendeln müssen.»