Innereien müssen zuerst gegessen werden

Innereien sind die am wenigsten lange haltbaren Teile von Tieren. Vor der Erfindung von Kühl- systemen, mussten sie sofort verzehrt werden – aus der Not wurde eine Tugend gemacht: die Metzgete entstand.

Hausmetzgete auf einem Berner Bauernhof. Volkskundliche Bilder von P. Wyss, um 1930. (Bild zvg.)
Hausmetzgete auf einem Berner Bauernhof. Volkskundliche Bilder von P. Wyss, um 1930. (Bild zvg.)

Für Vegetaristen mag eine Schlachtplatte etwas vom despektierlichsten überhaupt sein – für den Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste ist sie Vereinszweck. Unabhängig vom individuellen Geschmack ist die Metzgete eine jahrhundertealte Tradition.
Seit Menschen auf die Jagd gehen, gibt es eine Art Metzgete. Nach dem Jagen wurden die Beutetiere ausgeweidet und die Innereien, als leicht verderbliche Lebensmittel, oft vor Ort verspeist. Mit der Sesshaftigkeit und Domestizierung von Nutztieren fand die Metzgete, in der nördlichen Hemisphäre, jeweils im Herbst statt. Da auch die Tiernahrung im Winter beschränkt war, wurden traditionell primär jene Tiere im Herbst geschlachtet, die im Winter keinen Mehrwert brachten: die Schweine. Milch- und
Eier-produzierende Tiere wurden nach Möglichkeit durchgefüttert.
Die Metzgete fand bis Anfang des 20. Jahrhunderts primär in der bäuerlichen Oberschicht statt. Als Beispiel dient Maschwanden um 1790: Damals konnte nur ein Siebtel der Einwohner ausschliesslich vom Bauernberuf leben. Die restlichen Einwohner waren Hilfskräfte und Handwerker, die meist nebenberuflich einige Tiere aufzogen und einen Gemüsegarten bestellten. Auf jeden der 14 hauptberuflichen Bauern entfielen im Durchschnitt zwei Schweine. Wobei davon ausgegangen werden kann, dass eines im Herbst geschlachtet wurde. Das Fleisch wurde geräuchert und gepökelt, Innereien und Blut wurden verarbeitet und möglichst schnell verspeist – in einer Metzgete eben.

Metzgete in der Moderne

Das Schlachten auf dem Bauernhof war eine anstrengende und zeitintensive Arbeit. Die Schweine mussten von Hand auf die Schlachtbank gehoben und die Borsten von Hand abgeschabt werden. Zudem war sowohl die Herstellung als auch der Unterhalt der meist hölzernen Gefässe aufwändig. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte die Bauernmetzgete jedoch Bestand.
Durch die Rationierung während des Krieges kam es zu Reglementierungen im Metzgerberuf. Die Rationierungsgesetze liessen Bauernmetzgeten und anschliessenden Verzehr nicht mehr zu. Tiere mussten im Dorfschlachthaus geschlachtet werden und die Erzeugnisse konnten nur durch Abgabe von Lebensmittelmarken erstanden werden. Nach dem Ende der Rationierung übernahmen immer mehr Lohnmetzger die herbstlichen Schlachtungen und die Metzgete verlagerte sich in die Wirtshäuser, die oft von Metzgerfamilien betrieben wurden.

Das Wirtschaftswunder macht Metzgeten überflüssig

Durch das Wirtschaftswunder in den Nachkriegsjahrzehnten hielten einerseits Kühlaggregate Einzug in Metzgereien und Haushalte und der zunehmende Wohlstand in breiten Teilen der Bevölkerung andererseits liessen den Konsum von Innereien in Verruf geraten. Als Reaktion auf diese Tendenzen wurde 1968 der Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste gegründet, der bis heute existiert.
Auch die Gastwirtschaften reagierten auf die veränderten Kundenwünsche. Anstatt riesige Schlachtplatten, mit Schweineerzeugnissen, Kartoffeln und Sauerkraut in die Mitte des Tisches zu stellen, bieten immer mehr Betriebe gediegene Metzgeten an. Gang für Gang werden die traditionellen Speisen raffiniert in die moderne Küche integriert.

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