Keine Bezirksfusion, aber Zusammenarbeit unter Gemeinden

Das Limmattal und das Säuliamt als ein Bezirk? Was der kantonale Gemeindepräsidentenverband (GPV) im Rahmen des Projekts «Gemeinden 2030» vorschlägt, stösst bei den Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten im Bezirk Affoltern auf Skepsis bis Ablehnung. Eine weitergehende Zusammenarbeit unter Gemeinden, auch mit ausserkantonalen, wird jedoch begrüsst.

Blick auf den Weiler Landikon, der zu Birmensdorf gehört und an der Grenze zum Bezirk Affoltern liegt.
Blick auf den Weiler Landikon, der zu Birmensdorf gehört und an der Grenze zum Bezirk Affoltern liegt.

Der GPV schlägt im Rahmen des Projekts «Gemeinden 2030» einen weitreichenden Umbau des Kantons Zürich vor. Kernstück ist dabei die Bildung von grösseren Regionen, welche die Bezirke ersetzen sollen: eine Reduktion von zwölf auf acht. Das Papier sieht eine Zusammenlegung des Limmattals und des Säuliamtes vor. Das wäre dann eine Region mit über 143000 Einwohnern und einer Fläche von 173 Quadratkilometern. Mit rund 55000 Einwohnern ist der Bezirk Affoltern die wesentlich kleinere Region als das Limmattal. Eine solche Gebietsreform, wie sie der GPV vorschlägt, macht eine Änderung der Kantonsverfassung und eine Volksabstimmung nötig. Aber das ist noch weit entfernt. Die bis Juni 2020 angesetzte Vernehmlassung zum Projekt «Gemeinden 2030» wird wohl wegen des Coronavirus verlängert werden.


31 funktionale Räume
Im Weiteren schlägt der GPV vor, die freiwillige Zusammenarbeit unter den Gemeinden im kleineren Verbund zu vertiefen. Ihm schwebt auf Kantonsebene die Bildung von 31 funktionalen Räumen mit mindestens 10000 Einwohnern vor. Zudem sollen Regionen auch Aufgaben übernehmen, die heute auf Gemeindestufe angesiedelt sind, zum Beispiel die Kesb (Kindes- und ­Erwachsenenschutzbehörde), die Pflegebettenplanung oder die Standort­förderung.


Clemens Grötsch, Stadtpräsident in Affoltern, hat in einer der vier kantonalen Arbeitsgruppen mitgearbeitet. Der GPV befasste sich mit dem Milizsystem und mit den funktionalen Räumen, der Regierungsrat mit der Zusammenarbeit zwischen Kanton und Gemeinden auf Verwaltungsebene und mit der Digitalisierung. Für Grötsch ist die Gebietsreform kein vorrangiges Thema, vor allem aber die vorgeschlagene nicht sakrosankt: Warum nicht auch über einen Zusammenschluss Zimmerberg – Säuliamt diskutieren? Im Vordergrund stehe die Erweiterung der gemeindeübergreifenden Zusammenarbeit – auch über die Kantonsgrenzen hinaus.


Gewachsene Einheit
Ja, die Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten im Bezirk Affoltern stehen dieser Gebietsreform sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber, wie eine Umfrage zeigt. Christian Gabathuler, Gemeindepräsident in Maschwanden und Präsident der Zürcher Planungsgruppe Knonaueramt (ZPK), sagt: «Im Kanton Zürich gibt es gewisse Gebiete, wo ein Zusammenschluss Sinn macht. Aber das Säuliamt und das Limmattal zusammenlegen? Das Amt ist eine gewachsene, geografisch gut abgegrenzte Einheit – und eine Region, die gut funktioniert.»


Die Bildung von funktionalen Räumen mache demgegenüber Sinn – und dabei müsse man auch über die Gemeinde- und gar über die Kantonsgrenzen hinausschauen. Gabathuler macht auf ein Projekt aufmerksam, über das die Stimmberechtigten am 17. Mai 2020 hätten abstimmen müssen, die nun aber wegen des Coronavirus von der Urne ferngehalten werden: der ­Anschluss des Steueramtes von Ma­schwanden an dasjenige der Gemeinde Mettmenstetten.


Und in Knonau funktioniert beispielsweise die Zusammenarbeit mit Kappel und Mettmenstetten bei der Abwasserreinigung schon lange. Esther Breitenmoser, die Knonauer Gemeindepräsidentin, erwähnt auch die Busverbindung (Linie 42) zwischen Cham und Knonau, die im Dezember 2019 eröffnet wurde und auf Initiative der Zuger zustande gekommen ist. Wegen des ­Virus wird die Linie 42 aber seit
30. März nicht mehr bis zum Bahnhof Knonau geführt.


Nadia Hausheer: «Prozesse von unten nach oben»
Es sind genau solche Projekte, bei denen auch mehrere  Gemeinden involviert sein können, die nach Ansicht der Gemeindepräsidenten Sinn machen. Im Oberamt wird überlegt, wie man auf Verwaltungsebene Abteilungen zusammenlegen kann. Laut Nadia Hausheer, Gemeindepräsidentin von Aeugst, haben sich Projektgruppen in den Gemeinden Aeugst, Hausen, Rifferswil und Kappel auf acht Themengebiete fokussiert, wo interkommunale Zusammenarbeit möglich ist – kurz-, mittel- und langfristig. Der Prozess ist nun durch das Virus einstweilen gestoppt worden. Wichtig sei, so Nadia Hausheer, dass solche Prozesse von unten nach oben stattfinden und die Identifikation mit Dorf und Region nicht verloren geht. Einen Zusammenschluss der beiden Regionen sieht sie nicht und fragt sich, was das Säuliamt in einem solchen Fall preisgeben müsste. «Es sind zwei Welten mit unterschiedlichen Bevölkerungsstrukturen.»


Thomas Ammann, Gemeindepräsident in Obfelden, befürchtet, dass das Säuliamt im Verbund mit dem Limmattal an Bedeutung verlieren und an den Rand gedrängt werden könnte. Für ihn ist wichtig, dass die funktionalen Räume nicht zu eng definiert werden und man sich flexiblen und dynamischen Formen von Kooperationen auch über die Kantonsgrenzen hinaus nicht verschliessen darf.


Auch Stefan Gyseler, Gemeindepräsident in Hausen, spricht von zwei unterschiedlichen Regionen. Er sieht ­einen Zusammenschluss «eher nicht», erwähnt aber die Schwierigkeit, im Milizsystem fähige Leute zu rekrutieren; die Anforderungen steigen. Für ihn bleibt die Frage, ob es in zehn Jahren noch so viele kleine Gemeinden geben wird. Und es stelle sich unter diesen schwieriger werdenden Voraussetzungen natürlich die Frage nach Gemeindefusionen. Das schliesst auch der Mettmenstetter Gemeindepräsident René Kälin nicht aus. «Ich bin da ergebnisoffen. Kleine Gemeinden sind in Zukunft kaum überlebensfähig.» Er ist ebenfalls dafür, dass bei gewissen Themen eine gemeindeübergreifende Zusammenarbeit stattfinden sollte – wie zum Beispiel auch in der Oberstufe, wo Mettmenstetten mit Knonau und Maschwanden eine Kreisschulgemeinde bildet.


Im Unteramt findet in den Gemeinden Bonstetten, Wettswil und Stallikon in verschiedenen Bereichen eine Zusammenarbeit statt, etwa bei der Feuerwehr und im Sozialdienst oder bei den Schützen. Bei der Kläranlage ­Birmensdorf sind die drei Unterämtler Gemeinden angeschlossen. Für den Stalliker Gemeindepräsidenten Werner Michel ist es noch zu früh, über einen Bezirk mit dem Limmattal und dem Säuliamt zu diskutieren. Und Kathrin Röthlisberger, die Wettswiler Gemeindepräsidentin, sieht nicht, wo bei ­einem gemeinsamen Bezirk die Vorteile liegen, ob da am Ende Einsparungen möglich sind. «Ich bin aber nicht dagegen, solche Vorschläge eingehend zu prüfen.» Die erfolgte Zusammenlegung der Staatsanwaltschaften Limmattal/Albis – das könne ja Sinn machen, sagt ­Erwin Leuenberger, der Bonstetter Gemeindepräsident. Ansonsten erkennt er keine Vorteile bei einer Zusammenlegung – für beide Regionen nicht. «Wir haben kaum Berührungsprunkte zum Limmattal», fügt er bei.


Grosse Gebilde – weiter weg von der Bevölkerung
Für Jakob Müller, den Gemeindepräsidenten von Kappel, ist ein Bezirks­zusammenschluss kein Thema. «Bei solch grossen Gebilden entfernt man sich noch weiter weg von den Bürgerinnen und Bürgern», sagt er.
In Kappel pflegten die Behörden den direkten Draht zur Bevölkerung. Ein direkter, unkomplizierter Austausch vermindere Bürokratie. «Baugesuche beispielsweise müssen nach Zürich, aber zuvor findet eine Besprechung der Bauherrschaft mit der Behörde vor Ort statt», nennt Müller als ein Beispiel, und auch er redet der Zusammenarbeit auf Gemeindestufe das Wort: «Wenn Hausen, Rifferswil, Aeugst und Kappel in den Verwaltungen das gleiche PC-System anwenden, so ist das sicher ein Vorteil. Eine bestimmte Grösse macht auch Sinn, wenn es um die Kesb oder um den Sozialdienst geht», so ­Jakob Müller.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern11.06.2025

«Ungenutztes Potenzial für Artenvielfalt»

Ende Juni beschäftigt sich das Knonauer Stimmvolk mit einer Einzelinitiative und einem Gegenvorschlag dazu
Bezirk Affoltern11.06.2025

Unerwartet grosser Zuwachs für den Musikverein Maschwanden

Das Projekt «MVM + Friends» brachte neun Neue
Bezirk Affoltern11.06.2025

Vorschlag für «Doppelsporthalle Typ A»

Gemeinderat Knonau will in Neubau auch die Tagesstrukturen integrieren