«Schon eine Balkon-Solaranlage kann etwas bewegen»
Bewusstsein für Energiefragen schaffen – darum ging es am Samstag am Energietag in Mettmenstetten. Der erhoffte Grossandrang blieb zwar aus, die Anwesenden zeigten sich dafür äusserst interessiert am informativen Angebot.

Wenn schon ins Säuliamt, dann muss es sich lohnen. Das scheint bei den Zürcher Regierungsräten aktuell die Devise zu sein. Vor vier Wochen stattete Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli erst dem Spital Affoltern und dann dem Seewadel-Neubau einen Besuch ab. Letztes Wochenende kam nun Martin Neukom nicht nur zum Eröffnungsfest des Autobahnzubringers Obfelden-Ottenbach, sondern auch an den Energietag in Mettmenstetten. Während seine Regierungsratskollegen jeweils in grossen Limousinen vorzufahren pflegen, setzt der Grüne Baudirektor punkto Fortbewegungsmittel ein Statement: Im «Microlino», der elektrischen Neuinterpretation der winzigen BMW Isetta, liess er sich vom Zubringer-Fest in Obfelden an den Energietag in Mettmenstetten chauffieren. Heim in Richtung Winterthur sollte es dann später mit öffentlichen Verkehrsmitteln gehen.
Spätzünder mit Sprint
Der Anlass in Mettmenstetten stand ganz im Zeichen der Energiestadt-Zertifizierung. Als erste Gemeinde im Bezirk darf sich Mettmenstetten «Energiestadt Gold» nennen. Dieses Label erhalten Gemeinden, die mindestens 75 Prozent ihrer Handlungsspielräume bereits genutzt haben. Mettmenstetten kommt auf 77 Prozent. Zum «super Resultat» gratulierte im Namen des Trägervereins Energiestadt Bruno Bébié, Vorstandsmitglied und ehemaliger Energiebeauftragter der Stadt Zürich. Als Energiestadt sei Mettmenstetten zwar Spätzünder, sagte er, habe seit der Erstzertifizierung im Jahr 2014 aber einen energiepolitischen Sprint eingelegt, auf Rang elf des kantonalen Energiestadt-Rankings. «Das zeugt von energiepolitischem Engagement», so Bébié.
Schweizweit haben mittlerweile 460 Gemeinden eine Energiestadt-Zertifizierung. Das betreffe rund 60 Prozent der Bevölkerung, so Bébié. Die Herausforderung der Energiewende sei nicht technischer Art, hielt er fest, sondern in den Köpfen der Leute. Schon eine kleine Balkon-Solaranlage könne da etwas bewegen – nicht wegen der Strommenge, sondern weil sie das Bewusstsein verändere. Als einen wichtigen Erfolgsfaktor nannte Bébié unter anderem die Offenheit für Innovation und neue Konzepte. «Es kann niemand sagen, was die Energiewende kostet», räumte er ein, «aber das kann man vom Klimawandel ja auch nicht abschätzen.»
Grosse technische Revolution
«Wir stehen global am Start einer grossen technischen Revolution – vergleichbar mit der industriellen Revolution», hielt Regierungsrat Neukom fest. Auch er stellt die technische Machbarkeit der Energiewende nicht infrage: In den letzten 30 Jahren habe man da grosse Sprünge geschafft, etwa in der Energieeffizienz und der Wärmedämmung. Mit dieser Entwicklung vermochte allerdings das soziale Verhalten nicht Schritt zu halten, rügte er: Es werde weiterhin viel geflogen und der Osterstau am Gotthard sei auch nicht kürzer geworden. «Die sozialen Veränderungen brauchen offenbar viel mehr Zeit», so Neukom. Der Energietag sollte der Bevölkerung unter anderem aufzeigen, was heute schon machbar ist.
Der erhoffte Grossandrang blieb zwar aus, die Anwesenden zeigten sich jedoch äusserst interessiert. So auch Gemeindepräsidentin Vreni Spinner. Seit 11 Uhr sei sie von einem Referat zum nächsten gegangen: «Das Gewerbe gibt Gas», hielt sie beeindruckt fest, «ich hoffe, dass die Behörden und Ämter ebenso viel Gas geben.» Die Interessierten konnten sich über die neusten Entwicklungen der Elektromobilität informieren lassen, über die Nutzung von Sonnen- und Windenergie sowie über das Engagement des Mettmenstetter Vereins Ades in Madagaskar. Interessierte Blicke hat auch das elektrische Tuk-Tuk von Subeez auf sich gezogen. Das dreirädrige Gefährt für bis zu drei Personen steht in den nächsten sechs Wochen in Maschwanden zum Verleih. Weitere Ämtler Standorte sollen dazukommen.
Windenergie vom A4-Kraftwerk
Die Standortförderung nutzte die Gelegenheit, über die Planung ihres A4-Kraftwerks zu informieren. Vorgesehen als Solar-Projekt, spielt da mittlerweile die Komponente Windnutzung die grössere Rolle. Bis zu 100 GWh pro Jahr erhofft man sich von der Teilüberdeckung der Autobahn im Knonauer Amt. 45 GWh davon sollen allein die langsam drehenden Windturbinen bringen. In einem nächsten Schritt geht es darum, dass die drei betroffenen Gemeinden Knonau, Mettmenstetten und Obfelden einen Richtplan-Eintrag beantragen. Bis 2026 soll dieser vollzogen sein. Gleichzeitig läuft die Planung der Finanzierung. «Wenn alles optimal läuft, könnte die Anlage bis 2028 gebaut sein», so Co-Projektleiter Charles Höhn.
Die ganze Region Knonauer Amt sei sehr aktiv in der Energiepolitik, hielt Marcel Eicher, Mettmenstetter Gesundheits- und Umweltvorstand, sowie OK-Leiter des Energietags, fest, betonte aber auch, dass Mettmenstetten dabei eine wichtige Rolle spiele. Am Gold-Label haben nebst der politischen Gemeinde auch die Primar- und insbesondere die Sekundarschulgemeinde massgeblich Anteil: «Die Sek Mättmi ist seit zwei Wochen energieautark», hielt Eicher fest.