Sie dankte dem Gerichtspräsidenten per Handschlag

Verfahrenseinstellung und Freispruch für eine 34-jährige Schweizerin

Die verbale Auseinandersetzung im Zentrum Oberdorf in Affoltern endete in einem Gerichtsverfahren – und mit einem Freispruch für die Frau. (Bild Werner Schneiter)

Ein Jubelschrei entfuhr ihr nicht, aber ein herzhaftes Lachen. Als der Gerichtspräsident das Urteil verkündete, sprang die Beschuldigte wie von einer Tarantel gestochen auf und drückte dem Vorsitzenden, der Gerichtsschreiberin und der Auditorin die Hand. «Danke vielmals», sagte sie beim Verlassen des Gerichtssaals mehrmals. Und auch den Gerichtsreporter liess sie danach teilhaben an ihrer Freude.

Die 34-jährige Schweizerin hat allen Grund dazu. Denn der Einzelrichter hat das Verfahren wegen Beschimpfung eingestellt und sie vom Vorwurf der Tätlichkeiten freigesprochen. Er sprach von einer komplexen Situation, durchtränkt von vielen Emotionen.

Laut Anklage wird der Frau vorgeworfen, ihrem Ex-Partner im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung im Zentrum Oberdorf in Affoltern gesagt zu haben: «Du Pädophiler musst mir gar nichts erzählen».

Am Abend der Auseinandersetzung suchte der Mann die Mutter der Beschuldigten auf, um das Vorgefallene zu erklären. Als er die Örtlichkeit wieder verlassen wollte, soll die Beschuldigte die Lifttür blockiert und ihn am Hals gewürgt haben. Sie soll ihn dann aus dem Fahrstuhl geschubst und ihn hernach mit ausgezogenem Schuh auf den Oberkörper geschlagen haben. Er erstattete Anzeige.

Minderjährige Tochter sexuell missbraucht?

Diese Auseinandersetzung schilderte die Frau völlig anders. Sie sei von ihm geschlagen und am Bein verletzt worden, dort habe sie einen Schnitt erlitten. Dass sie ihn einen Pädophilen genannt hat, gab die Frau zu. «Es ist mir halt einfach herausgerutscht, weil es eine emotionale Sache ist», sagte sie. Die alleinerziehende Frau hat drei Kinder. Der Knabe stammt von diesem Ex-Partner, mit dem sie vor ein paar Jahren unverheiratet zusammengelebt hat. Sie nannte dann den Grund für den «Pädo»-Satz: Er habe eine ihrer minderjährigen Töchter ­sexuell missbraucht, erzählte sie wortreich und den Tränen nahe. Sie habe deswegen unter anderem die Kesb eingeschaltet, eine Anzeige sei im Sand verlaufen. Die Kantonspolizei sei im Besitz eines Sticks mit Bildern und Filmen, die ihr Ex von Kindern aufgenommen habe – keine Nacktaufnahmen, weshalb man ihr beschieden habe, in diesem Fall nichts machen zu können. «Mein Ex-Partner hat eine verzerrte Wahrnehmung, er trinkt den ganzen Tag und lungert herum. Er müsste psychologisch getestet werden», gab die Frau im Schlusswort zu Protokoll und sieht sich hier als Opfer. «Wegen dieser Aussage bin ich nun zur Täterin geworden.» Zur Gerichtsverhandlung kam es, weil die Frau den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft angefochten hatte. Diese verlangt eine unbedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 15 Franken und eine ­Busse von 300 Franken. Ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom Dezember 2022 wegen Betrugs der Frau (140 Tagessätze zu je 40 Franken) will die Staatsanwaltschaft nicht widerrufen, aber die Probezeit um ein Jahr verlängern.

Fehlender Strafantrag führt zur Einstellung des Verfahrens

Diese wird nun nicht verlängert, weil das Gericht das Verfahren erstens wegen Beschimpfung einstellt. Der Mann hätte im Rahmen seiner Einvernahme explizit eine Anklage wegen Beschimpfung verlangen müssen. Laut Protokoll hat er aber lediglich gesagt, er möchte einen Antrag stellen. «Das ist keine klare Willensäusserung. Ein Strafantrag fehlt, deshalb müssen wir das Verfahren einstellen», sagte Gerichtspräsident Peter Frey. Vom Vorwurf der Tätlichkeiten wurde die Frau zweitens freigesprochen. Die Auseinandersetzung sei hier nicht ausreichend beschrieben worden, auch die Zahl der Schläge sei nicht bekannt, ebenso wenig wie der genaue Tathergang. Und um hartes Zuschlagen habe es sich vorliegend nicht gehandelt, so die Begründung für den Freispruch. Die Probezeit ihrer Vorstrafe wird nun nicht verlängert. Zudem werden die Verfahrenskosten von gut 1000 Franken auf die Staatskasse genommen.

Urteil GB 250 007 vom 28. Mai 2025, noch nicht rechtskräftig

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