Wenn das Klassenzimmer zur Manege und Werkstatt wird
Ein ganzes Zirkusdorf gastierte während fünf Tagen auf dem Knonauer Schulareal
Schon von Weitem waren Konzerttöne und fröhlicher Kinderjubel zu hören. Am vergangenen Freitag feierte die Primarschule Knonau bei guter Witterung das grosse Finale der Projektwoche. Das alle drei Jahre stattfindende Schulhausfest wurde in diesem Jahr mit einer Zirkuswoche kombiniert. Und so rollte am Montag letzter Woche die Zirkuscrew von Pipistrello mit Traktoren und 16 Wagen auf den oberen Schulhausplatz.
Die Aufregung bei den knapp 300 Kindern – vom Kindergarten bis zur sechsten Klasse – war riesig. «Uns war es wichtig, diese Projektwoche mit den verschiedenen Ateliers altersdurchmischt durchzuführen», meint Timo Gasser, Co-Schulleiter der Primarschule Knonau. Die Kinder durften sich im Voraus für ihre Wunsch-Ateliers anmelden. Einige wollten unbedingt mit den Pipistrelli in der Manege wirken, andere zog es in Werkstätten wie Schneiderei und Schreinerei. Weiter gab es eine Theater-, Musik- und Tanzgruppe, ein Atelier für Zauberei, Einrad und Jonglage, eine Presseabteilung und einen Restaurantbetrieb.
Einblicke in den Zirkusalltag
Die Schule orientierte sich am Geist des Zirkus Pipistrello. So wie die Zirkuscrew jeweils nicht weiss, was sie am Zielort erwartet, wollte auch die Schule das Programm nicht fix vorgeben. Sie überliessen es hauptsächlich den Kindern, die Ateliers mit ihren eigenen Vorstellungen inhaltlich zu füllen. Unter tatkräftiger Unterstützung vom Schulteam. Die Kinder musste man nicht lange bitten: Sie liessen sich sofort vom kreativen Geist und dem inspirierenden Umfeld anstecken und legten mit viel Tatendrang los. «Interessant zu beobachten war, welche Geduld die Kinder an den Tag legten. Etwa, um einen Zaubertrick einzuüben, braucht es grosse Ausdauer. Einige Kinder wollten nicht einmal Pause einlegen, so vertieft waren sie in ihr Vorhaben», erzählt Timo Gasser. Es zeigte sich eindrücklich, welches Feuer die intrinsische Motivation zu entfachen vermag, wenn man den Mut hat, mit einem weissen Blatt zu starten. Diesen Spirit möchten sie als Schule künftig vermehrt ausleben. Ergänzend zum bereits etablierten projektorientierten Lernen. Für die Pipistrelli ist der Zirkus kein temporäres Projekt, sondern ihr Leben. Zur Einführung in ihre Welt öffneten sie für die Knonauer Schülerinnen und Schüler ihre Wohnungen, sprich die Wagen. Ein Zirkuswagen ist in der Mitte geteilt und ergibt damit zwei winzige, aber vollständig eingerichtete Wohnbereiche. Dieser unverfälschte Blick in ihre Privatsphäre und auch die Offenheit, mit welcher das Zirkusteam ihre Lebensform zugänglich machte, trug wesentlich dazu bei, dass der Funke sogleich auf alle Beteiligten übersprang. «Die Kinder sahen uns mal in Arbeitsmontur, mal in Glitzerkleidern oder auch im ‹Pischi› beim Morgenkaffee», offenbart Lara Würth.
Das Team von Pipistrello besteht aus 17 Erwachsenen sowie zwei Kindern und ist während 22 Wochen im Jahr unterwegs. Es wird mehrheitlich von Schulen gebucht, aber ebenfalls für Ferienpässe oder von sozialen Institutionen wie Heimen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Der Rahmen für solche Engagements ist vorgegeben, lässt jedoch im Detail Raum für eine individuelle Ausgestaltung. Ganz nach Interesse.
Während der Zirkuswoche entstand ein einzigartiges Gemeinschaftsgefühl – in den einzelnen Gruppen ebenso wie in der ganzen Schule. Die Kinder durften Teil der Zirkusrealität werden und packten diese Chance mit ihrer unvoreingenommenen, begeisterungsfähigen Art am Schopf. Das Zirkusfest am Freitag war dann der krönende Abschluss dieser besonderen Woche: Drei Stunden prall gefüllt mit diversen Showblocks, staunendem Publikum und stolzen Künstlerinnen und Schülern. Die unbändige Freude der Kinder, das Gelernte endlich zeigen zu dürfen, trug zu einer feierlichen Atmosphäre bei und wird bestimmt noch lange nachhallen. Vielleicht ein Leben lang.