«Wir sind überzeugt, dass Sie das Geld gestohlen haben»

Obergericht: Geldstrafe wegen Diebstahls – Verfahren wegen Veruntreuung eingestellt

Das Obergericht ist überzeugt, dass die heute 31-jährige Angestellte eines ­Verkaufsgeschäfts im Bezirk Affoltern einen Safebag mit 4500 Franken Inhalt gestohlen hat. Sie wird wegen Diebstahls zu einer bedingten Geld­strafe von 90 Tagessätzen à 80 Franken verurteilt. Das Verfahren wegen Veruntreuung wird – anders als der Entscheid des Bezirksgerichts Affoltern – eingestellt.

Die Frau ist im Kosovo geboren und inzwischen italienische Staatsbürgerin. Sie lebt seit 2017 in der Schweiz und wohnt im Bezirk Bülach. Im Bezirk Affoltern arbeitete sie als Assistentin des Filialleiters. Ihr wird vorgeworfen, am 17. November 2022 einen zum Abwurf in den Tresor bestimmten Safebag mit 4500 Franken «in einem unbeobachteten Moment» an sich genommen zu haben. Später fand man diese Tasche mit Sicherheitsverschluss in einem Kasten in ihrer Wohnung. Auch vor Obergericht bestritt sie den Diebstahl und belastete ihren Vorgesetzten F., der den Safebag erstellt habe. Sie wisse nicht, was danach passiert sei. Den am PC ­erfassten Vorgang habe sie nicht unterschrieben. F. habe ihr diese Tat «untergejubelt», weil man sie loswerden wollte und sie obendrein belästigt – auch sexuell. Er habe sie, die Weiterbildungen gemacht habe, auch als Bedrohung für seine Stellung im Betrieb gesehen. Den Safebag habe man ihr in die Tasche gesteckt. Allerdings hat die Frau hernach eine Schuldanerkennung unterschrieben. «Warum denn, um Himmels willen?», wollte der Oberrichter wissen. Es sei ihr damals nicht gut gegangen, sie sei krank gewesen und habe den Job behalten wollen. Das habe man ihr nach der Unterschrift versprochen, aber dann nach dieser Unterschrift sofort die fristlose Kündigung erhalten. Sie habe das unter Druck getan und die Tragweite nicht erkannt, als man ihr mit dieser letzten Chance gedroht habe, sagte die Verteidigerin.

Manipulationen an der Kasse?

Vorgeworfen werden ihr ausserdem ­Kassenmanipulationen. Sie hatte die Kompetenz, die Rückgabe eines verkauften Artikels durch einen Kunden zu autorisieren, auch wenn dieser die für Kassenpersonal geltende Grenze von 15 Franken überstieg. Es bestand die Möglichkeit, ohne Vieraugenprinzip Rücknahmen von höherem Wert durchzuführen – und den entsprechenden Betrag aus der Kasse zu nehmen. Dabei wurde statt eines Kassabons eine sogenannte «Dummy-Bon-Nummer» erstellt. Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau Manipulationen in 22 Fällen vor. Auch in diesem Fall bestreitet sie die Vorwürfe – unter dem Hinweis, dass alle Zugang gehabt hätten zum dafür erforderlichen Badge und ihn missbraucht haben können. Allerdings war in allen 22 Fällen ihr Badge verwendet worden. Dass sie auch hier eine Schuldanerkennung unterschrieben hat, konnte sie nicht schlüssig erklären. Die Verteidigerin wies darauf hin, dass alle Kassiererinnen Rücknahmen selbstständig vornehmen können, auch mit dem Badge der Beschuldigten. Bewiesenermassen sei das so geschehen. Hier gelte «in dubio pro reo». Ihre Schuldanerkennungen seien auch das Resultat von Einschüchterungen seitens der Vorgesetzten, die ihr obendrein das Recht auf rechtlichen Beistand verweigert hätten. Die Vorstellung, dass die Polizei bei ihr vor der Türe stehen würde, habe sie verängstigt. Die Aussagen der Vorgesetzten seien schwammig, zum Teil unwahr und ausweichend, so die Anwältin der Beschuldigten. Sie habe keine finanziellen Sorgen und somit kein Motiv gehabt, ihren Arbeitgeber zu schädigen. Ergo müsse sie – wie schon beim Bezirksgericht vorgebracht – vollumfänglich freigesprochen werden.

Vom Bezirksgericht Affoltern kassierte die nicht vorbestrafte Frau wegen Diebstahls und mehrfacher Veruntreuung eine bedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 80 Franken, dies bei einer Probezeit von zwei Jahren (der «Anzeiger» hat darüber berichtet).

Urteil teilweise korrigiert

Das Obergericht hat nun dieses Urteil teilweise korrigiert und die bedingte Geldstrafe auf 90 Tagessätze à 80 Franken gesenkt – wegen Diebstahls. Das Verfahren wegen mehrfacher Veruntreuung wird hingegen eingestellt. Sie muss die Verfahrenskosten zur Hälfte übernehmen, und die Prozessentschädigung für die Verteidigung wird von 12000 auf 6000 Franken reduziert. Schadenersatzforderungen werden auf den Zivilweg verwiesen. Für Christoph Spiess, Präsident der II. Strafkammer, sind beim Safebag-Diebstahl zu viele Indizien vorhanden, die gegen die Frau sprechen. Es gebe keine vernünftige Erklärung für die Aufbewahrung des Safebags in ihrer Wohnung, eine Mittäterschaft von F. sei spekulativ. «Für den Diebstahl kommen nur sie oder F. infrage – oder beide zusammen. Beweise gebe es nicht dafür», sagte er. Rachegedanke oder Angst um die Karriere – das sei nicht glaubhaft, aber sehr seltsam, die belastende Schuldanerkennung. Spiess verwies auch auf diverse Geldüberweisungen in den Kosovo. «Woher kommt das Geld? Sie sind nicht auf Rosen gebettet, Wohnung und Heirat ergeben Finanzbedarf – alles stark belastende Indizien, die einen Freispruch verunmöglichen. Wir haben lange diskutiert, sind aber überzeugt, dass Sie das Geld gestohlen haben, auch wenn der Fall nicht vollkommen klar ist», resümierte der Vorsitzende und sprach «von einer unbedachten, spontanen Handlung». Die sexuelle Belästigung sei hingegen konkret, man habe da die Beschuldigte nicht ernst genommen.

Das Verfahren wegen mehrfacher Veruntreuung wird hingegen eingestellt. Spiess sprach hier von einer «Bagatelle» und davon, dass vorliegend kein Strafantrag vorhanden sei. Man hätte also erst gar kein Verfahren durchführen müssen.

Urteil SB 240 384 vom 20. Juni 2025, noch nicht rechtskräftig

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