Mit Kreativität durch den Wandel
Für Simon Rehsche aus Stallikon ist Transformation keine Herausforderung, sondern seine treibende Kraft

Die Werbebranche war schon immer vom Wandel geprägt. Doch selten war das Tempo so rasant wie heute. Mit dieser Geschwindigkeit umzugehen, ist für viele Fachleute nicht nur eine Herausforderung, sondern auch der Grund, weshalb sie diese Arbeit gewählt haben. Einer von ihnen ist Simon Rehsche. Der 46-jährige Psychologe aus Stallikon arbeitet seit über 15 Jahren in der Werbung – er analysiert, wie Menschen denken, gibt Marken eine Stimme und begleitet den Übergang von klassischen Kampagnen zu einem Medienumfeld, das sich laufend verändert.
Rehsche wuchs in Zürich auf und studierte Psychologie an der Universität Zürich. «Ich wollte nie Therapeut werden, sondern verstehen, warum Menschen tun, was sie tun», sagt er. Sein erster Job führte ihn nach dem Studium zur Uefa für die Euro 2008. Kurz darauf wechselte er zu einer grossen Agentur in Zürich.
Dort lernte er, wie aus Erkenntnissen Ideen entstehen – und wie Konkurrenz Kreativität formt. Die strategische Markenplanung wurde zu seinem Schwerpunkt: herauszufinden, wofür eine Marke stehen kann, warum sie relevant ist, und wie sie mit dem Publikum spricht. «Eine Werbekampagne sieht fertig oft ganz simpel aus und soll dies auch», sagt er. «Doch dahinter stehen immer viele Entscheidungen über die Bedeutung, die man anstrebt, und die Wirkung, die man mit der Kommunikation erzielen will.»
Vom Angestellten zum Unternehmer
Mit der Verantwortung wuchs auch der Wunsch nach unternehmerischer Freiheit. Gemeinsam mit einem ehemaligen Schulfreund, ebenfalls Werber, übernahm er die Aufgabe, die Schweizer Dependance einer erfolgreichen deutschen Netzwerkagentur aufzubauen und zu leiten. Es war der Schritt vom Angestellten zum Unternehmer. Nach einigen Jahren vollzogen beide ein Management-Buy-out und führten die Firma eigenständig weiter – die Neu Creative Agency war geboren, mit Holding in Stallikon und Agenturräumen in Zürich.
Heute entwickelt er mit seinem Team Kampagnen für bekannte Schweizer Marken wie die Bank Cler, Comparis, Wingo, Sporttip, die Post und viele weitere. Für Simon ist nicht die Kundengrösse entscheidend. «Starke Ideen, die Ideen auf Themen verändern, faszinieren mich,» sagt er. «Kreativität öffnet fast jede Türe.» Obwohl die Agentur schweizweit tätig ist, bleibt vieles im Hintergrund – und begegnet uns doch täglich: auf Plakaten, in Zügen, an Bushaltestellen, im TV und zunehmend online. Der Erfolg zeigt sich dabei nicht im Moment der Veröffentlichung, sondern langfristig in der Wirkung. «Man erkundet, was eine Marke sein – nicht nur, was sie heute ist», sagt er. Als Mitgründer und Geschäftsführer bewegt sich Rehsche zwischen strategischer Beratung und kreativer Umsetzung: Markenentwicklung, Texte, Konzepte sowie die Sicherung der Markenrelevanz im Wettbewerb. Stress entsteht weniger durch Termine als durch das unvollendete Denken – jenen Moment, in dem die Lösung noch nicht sichtbar ist. Bewegung, Sport oder ein Tapetenwechsel helfen ihm, die Perspektive zu öffnen. «Kreativität braucht Unterbrechung. Nur dann kann das Gehirn neue Verbindungen schaffen.»
Eine Branche, die nie stehen bleibt
Die Werbung verändert sich rasanter als je zuvor. Künstliche Intelligenz beschleunigt Prozesse, generiert Bilder und Texte und ermöglicht es, Aufgaben intern zu lösen, die früher externe Spezialisten erforderten. «Das macht uns effizienter, aber erhöht auch den Druck, ständig dazuzulernen», sagt Rehsche. Monatlich entstehen neue Tools – und Agenturen müssen laufend neu entscheiden, welche davon wirklich nützen. Was gestern aktuell war, kann heute schon veraltet wirken.
Auch gesellschaftliche Erwartungen haben sich gewandelt: Sensibilität in Sprache, Diversität, Repräsentation. «Werbung findet mitten in gesellschaftlichen Debatten statt», sagt er. Mut und Rücksicht stehen in einem komplexen Verhältnis – und prägen Diskussionen in kreativen Teams.
Nach vielen Jahren im Geschäft empfindet er seinen Beruf weiterhin als Privileg. Kaum ein Tag ist gleich wie der andere. Jedes Projekt beginnt mit einer Frage und endet – im besten Fall – mit etwas, das zuvor nicht existierte. «Wenn eine Idee den öffentlichen Raum erreicht und Reaktionen auslöst, wird die Arbeit real», sagt er. Die Zukunft der Werbung wird aus seiner Sicht weiterhin Flexibilität und kritisches Denken verlangen. Was ihn antreibt, ist die Überzeugung, dass gut durchdachte Ideen Realität beeinflussen können. «Wenn ein Gedanke noch nie ausprobiert wurde», sagt er, «ist das genau der Grund, ihn auszuprobieren.»
Zu Hause in Stallikon
Der Umzug von der Stadt nach Stallikon geschah schnell – ohne Vorkenntnis des Dorfs. Die Familie suchte Naturnähe und mehr Platz. «Wir kannten Stallikon überhaupt nicht. Aber als wir hier waren, hat es sich sofort richtig angefühlt.» Die Nähe zur Stadt bei gleichzeitiger Ruhe weiss er heute zu schätzen.
Seine Arbeit bleibt im Dorf meist unbemerkt – und ist zugleich überall sichtbar: auf Bildschirmen im öffentlichen Verkehr, auf Werbeflächen und digitalen Kanälen im ganzen Land. Darüber freut er sich auch nach Jahren in der Werbung immer wieder von Neuem: «Plötzlich begegnet man einer Kampagne, die man selbst mitgestaltet hat. Das ist immer besonders.»
Simon Rehsche gehört zu einer Generation von Kreativunternehmern, die neu definieren, wie Werbung Alltag und Kultur mitprägen. Die Aufgabe bleibt: relevante Ideen finden. Doch Werkzeuge und Rahmenbedingungen verändern sich rasant. «Routine gibt es in der Werbung nicht», sagt er. «Man muss sich jeden Tag neu erfinden.»


