ESAF am Fernseher: Wo man auf dem Rücken liegend nicht verliert

Wer als Schwingerfan nicht ins Glarnerland gereist ist oder nicht konnte, dem blieb Trost vor der Flimmerkiste: Über 17 Stunden live und knapp drei Stunden begleitendes Unterhaltungsprogramm (Samschtig-Jass, Potzmusig) lieferte das Schweizer Fernsehen am Wochenende vom Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) in Mollis. Auch fernab von diesem Mammutanlass mit abermaligem Zuschauerrekord, fernab von dieser einzigartigen, friedlich-fröhlichen Stimmung, von Festzeltatmosphäre und Bratwurstduft war er eine Herausforderung für Daheimgebliebene. Erst recht am Sonntag, als die sommerlichen Temperaturen zurückkehrten.
So sitze ich dieses Mal zwei Tage unablässig vor dem Fernseher, sehe Gang für Gang, und erfreue mich an der fachmännischen SRF-Begleitung von Stefan Hofmänner sowie Dreifach-Schwingerkönig Jörg Abderhalden. Ich sehe das, was bei «Eidgenossen» (Eidg. Kranzgewinner) und «Nicht-Eidgenossen» als Kreuzgriff, Knie- oder Fussstich oder Kurzzug kommentiert wird. Da ist bei dem einen die Rumpfspannung oder die Rotationskraft nicht vorhanden, dem anderen ein ansatzloser Schlungg gelungen. Im nächsten Gang werde ich Zeuge, wie sich – so Abderhalden – einer «nicht fressen lassen will» oder einen Brienzer-Kopfgriff-Zug lanciert. «Da sind zwei Maschinen auf dem Platz», findet er weiter. Er spricht ausserdem von sauren Armen im Bodenkampf und von Gammen-Versuchen, darüber hinaus von einem Akteur, der sein Körpergewicht gewinnbringend einsetzt. «Übers Chnüü abelaa» ist natürlich für Nicht-Insider auch eine der ungewohnten Formulierungen, die gespickt sind mit unbekannten Begriffen, aber immerhin: Man sieht ja, was da kommentiert wird, und mutiert als Fernsehkonsument so langsam auch zum «Fachmann». Wiederholungen von spektakulären Phasen in Superzeitlupe helfen natürlich – genauso wie die vielen Details aus dem Schwingsport, die uns die anderen Schwingerkönige Matthias Sempach und Christian Stucki als Co-Kommentatoren bei Sascha Ruefer frei Haus liefern. Sie diskutieren über vermeintliche Fehlentscheidungen von Kampfrichtern, bleiben aber durchwegs sachlich, auch wenn bisweilen etwas Emotionen durchsickern. Schliesslich sind sie ja letztlich auch Vertreter von Teilverbänden.
Auf dem Laufband vor dem Fernseher
Ein Lob für das SRF, sage ich bei aufkommenden Rückenschmerzen, die das lange Sitzen mit sich bringen. Also lege ich mich beim Fernsehkonsum kurz hin und denke: Hier, auf meinem Sofa, bedeutet auf dem Rücken liegen keine Niederlage. Nach weiteren Gängen, die mit Kurz, Wyberhaken oder Kreuzgriff entschieden werden oder «gestellt» enden, ist auch für den Fernsehkonsumenten Sport angesagt.
Ich gebe mir einen Ruck und absolviere für einmal auf dem Laufband zu Hause vor laufendem Fernseher ein paar Kilometer – und geniesse dabei den Festakt mit den Ansprachen samt folkloristischem Programm vom Sonntag. Mit einer Ansprache von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, die – wie die anderen Festredner – mit grossem Applaus empfangen wurde. Pfiffe, die sie derzeit andernorts einstecken muss, sind in der grossen Schwingerfamilie verpönt. Am Schluss heisst es ganz einfach: Es lebe der König, der nach dem Schlussgang-Gestellten zwischen Werner Schlegel und Sämi Giger nun Armon Orlik heisst. Fazit nach zwei Fernsehtagen: Das Eidgenössische vor Ort erleben ist besser als in den eigenen vier Wänden.