Abgestempelt

Beliebt ist der Job an der Kasse des Hedinger Höcklerballs nicht. Dennoch verrichten ihn die beiden «Vollgashöcklerinnen» Sandra und Gina seit 15 Jahren gemeinsam und mit grossem Spass. Erstaunlich, wohin die Ballbesucher so überall ihren Eintrittsstempel aufgedrückt bekommen wollen.

Während im Festzelt die Post abgeht… <em>(Bilder Martin Platter)</em>

Während im Festzelt die Post abgeht… <em>(Bilder Martin Platter)</em>

…haben es Sandra, links, und Gina im kleinen Kassenhäuschen vis-à-vis lustig miteinander.

…haben es Sandra, links, und Gina im kleinen Kassenhäuschen vis-à-vis lustig miteinander.

«Wir mussten die Ballbesucher auch schon bremsen, dass sie sich nicht gleich ganz auszogen, weil sie den Eintrittsstempel auf eine besonders delikate Körperstelle haben wollten. Oft schaukeln sich die Leute beim Anstehen gegenseitig hoch, wollen es immer noch gewagter», erklärt Sandra und kichert verschmitzt. Vor dem Kassenhäuschen macht sich gerade ein Typ die behaarte Brust frei für den Stempel, der den Eintritt gewährt. Draussen ist es gefühlte minus zehn Grad Celsius und der Vollmond wirft sein fahles Licht vom wolkenlosen Himmel auf das bizarre Treiben. Im Inneren des vielleicht drei Quadratmeter kleinen Kabäuschens ist es keineswegs wärmer. Der Wunsch der beiden Frauen nach einem leistungsstarken, elektrischen Heizstrahler hat sich mit dem Rauch der durchgebrannten Sicherung verzogen, die einen Stromausfall auf dem ganzen Aussengelände verursacht hat.

Hart im Nehmen

Die beiden Fasnächtlerinnen sind auch sonst hart im Nehmen und kontern selbst derbe Sprüche mit Humor und guter Laune. Der Job an der Kasse verlangt diplomatisches Geschick. Schliesslich will man im Ausnahmezustand der fünften Jahreszeit niemanden vergraulen. Ganz so einfach ist das aber nicht. Schliesslich müssen die Frauen den Eintrittspreis für jeden einzelnen Gast individuell festlegen. Während Unmaskierte am Höcklerball bis Mitternacht 15 Franken Eintritt zahlen, gilt für Teilmaskierte ein Tarif von fünf Franken oder sogar Gratiseintritt. Wo die Grenze gezogen wird, liegt im Ermessen der beiden Frauen. Zwei Security-Angestellte sorgen bei Bedarf für den nötigen Nachdruck. Doch am letzten Samstag blieb alles friedlich. Die Leute waren gut drauf, was sich auch an den Wünschen bemerkbar machte. Getränke, Socken, Bratwürste und Schals: Sandra und Gina hätten noch weit mehr als Eintritte verkaufen können.

Auch ohne ausgefallene Körperstellen wurde das Stempeln der Leute zum besonderen Ritual. Der Aufdruck kommt nämlich nicht diskret unten ans Handgelenk, wie von den meisten erwartet, sondern gut sichtbar auf den Handrücken zwischen die beiden Knöchel von Zeige- und Mittelfinger. Einige sind davon gar nicht begeistert, wie die entgleisenden Gesichtszüge und faulen Sprüche verraten, zumal die schwarze Farbe des Stempels übel schmiert.

Begeisterte Fasnächtlerinnen

Im benachbarten Festzelt legt die nächste Guggenmusik los. Auch im Kassenhäuschen vibrieren die Wände. «Toll!», ruft Sandra begeistert. «Ich bin froh, dass ich hier etwas vom Treiben in der Halle mitbekomme.» Wie die doppelt so alte Gina ist sie seit der Teenagerzeit eine eingefleischte Fasnächtlerin und freut sich schon auf ihren nächsten Einsatz nach Mitternacht: «Nach dem Auftritt mit den Vollgashöcklern werde ich mit der Shot-Bar unterwegs sein. Das ist immer lustig.» Gina indes wirds etwas ruhiger angehen: «Ich bin nun schon zweifache Grossmutter und habe mich als aktive Fasnächtlerin und Guggenmusikmitglied zurückgezogen. Der Job im Kassahäuschen ermöglicht mir einen sanften Übergang ohne gleich ganz weg vom närrischen Treiben zu sein.» Seit Jahrzehnten wird die 61-Jährige, die in Uster wohnt, während der Fasnachtszeit zur Exil-Säuliämtlerin – und war zunächst Güggelguggerin in Ottenbach. 2004 war sie Gründungsmitglied der «Vollgashöckler», die aus den «Güggelguggern» heraus entstanden sind. «Im Zürcher Oberland hatte es keine rechte Fasnacht. So bin ich über eine Kollegin ins Säuliamt gekommen», berichtet Gina.

Sandra indes ist auf Anraten ihrer Mutter mit 15 zu den «Vollgashöcklern» gekommen. Später sind auch die Mutter und ihre Schwester in die Hedinger Fasnachts-Clique eingetreten. «Wir haben immer grossen Spass», sagt die 31-jährige Hedingerin. Nur gegen Morgen, wenn die Müdigkeit langsam die Euphorie ablöse, werde es zäh. Sie halte sich deshalb mit dem Alkohol zurück, denn gleich nach dem Ball werde noch bis Sonntagmittag aufgeräumt. Noch aber bleiben ein paar Stunden Heiterkeit. Knapp 350 Mal haben die beiden Frauen gestempelt, ehe auch sie sich um Mitternacht ins Fasnachtsgetümmel stürzen.

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