Ein Dorf wird zur Galerie
Kunst im öffentlichen Raum sucht man in Dörfern oft vergebens. Nicht so in Ottenbach, der Wahlheimat von Bildhauer Nicholas Micros. In 22 Arbeiten zeigt er sein künstlerisches Schaffen in der Ausstellung «Da-Zwischen; Here, Between».

Steigt man in Ottenbach bei der Bushaltestelle «Zentrum» aus dem Postauto, wird man von «Purrer» begrüsst. Der bronzene, schnurrende Kater hockt hoch oben auf ein paar rohen Steinen und putzt sich ausgiebig. Das Putzritual von Katzen fasziniert Nick Micros. Dieser Drang nach Sauberkeit, den der in New York geborene Künstler auch mit der Schweiz und ihren Landsleuten verbindet. Die Skulptur ist aber auch eine Hommage an den geliebten Kater Dexter, der als Zugelaufener ein paar Jahre lang Nick Micros und seine Familie und auch die Studenten seiner Bildhauerklassen charmant um den Finger wickelte. Der bronzene Dexter kam zuerst als Leihgabe an die Gemeinde, die ihn schliesslich erstand. Mit «Schnurrli» beginnt auch der Plan der Ausstellung, den man sich auf der Website von Nicholas Micros herunterladen kann. Alle Objekte sind unabhängig voneinander besuchbar.
Hohe künstlerische Qualität und Vielfalt
«Purrer» legte den Grundstein für die jetzige Ausstellung. Auch Private anerboten sich, auf ihren Grundstücken eine Skulptur auszustellen. Langsam wuchs die Idee einer grossen Ausstellung. Anfängliche Baubewilligungshürden konnten schliesslich mithilfe der Gemeinde aus dem Weg geräumt werden, so dass nun insgesamt 22 Skulpturen auf die Besucherinnen und Besucher warten.
22 Kunstwerke von einem einzigen Künstler – ist das nicht langweilig? Nick Micros verwendet die verschiedensten Materialien, mal formt er von Grund auf neu, baut aber auch auf Vorhandenem auf, entwickelt weiter, verwandelt. Mal kommen seine Werke roh und einschüchternd daher, dann wieder überrascht die filigrane Umsetzung und die feinen, sinnigen Details. «Es ist wunderbar, wie ich von allen Seiten unterstützt wurde, sodass ich diese Ausstellung jetzt realisieren konnte, noch dazu zu meinem 60. Geburtstag», meint der sichtlich bewegte Bildhauer, der Ottenbach mit seiner Lage als das schönste Dorf bezeichnet.
Skulpturen im Kontext zum Ausstellungsort
Besonders reizvoll ist, wie die einzelnen Skulpturen mit der Umgebung interagieren. Dabei sind dem Künstler auch die Bezüge zur Umgebung wichtig, etwa zur stets gegenwärtigen Kirchenuhr,
der Reuss oder auch der Ottenbacher Geschichte. Der geheimnisvolle «Isis Tempel» mitten im Wald, spielt mit der Göttin Isis auf dem Ottenbacher Isenberg. Die filigrane Flaschenpost, die eine spannende Biografie mit sich trägt, schwimmt statt im Wasser in einem Meer von Gras. «Seraph, Seraphim» – eine wuchtige, in Ketten gelegte Statue, die so gar nicht an Engel erinnert, hält Wache vor der Zivilschutzanlage. Nicht nur in der Dämmerung hat sie etwas Furchteinflössendes, aber im alten Testament waren die Engel auch nicht nur luftige, verklärte Wesen, als die sie heute gerne dargestellt werden.
Hübsch mutet dagegen die «Sphinx» an, die an der Zwillikerstrasse 8 steht. Fährt man an ihr vorüber, scheint es, als ob eine Blume einem zunicke oder ist es ein Grammophon wie bei «His Master’s Voice»? An der Stüdlerstrasse stehen zwei kleine heulende Wölfe auf dem Gartentor vor einem Abbruchobjekt. Der Grabgesang auf das ehemalige «Italienerinnenhaus», das bald nicht mehr an die ersten Gastarbeiterinnen in Ottenbachs ehemaliger Weberei erinnern wird? Weiter gegen Jonen liegt der «Stapel». Mancher fragt sich vielleicht, ob dem Regiebetrieb ein Haufen Müll vom Wagen gefallen sei. Und was würde wohl Grossvater Heinrich Hauser selber sagen, wenn er seinen Grabstein zum Wildbienenhotel zweckentfremdet sähe? Nicholas Micros bietet ab Herbst Führungen an, auch auf Anfrage. Die Ausstellung ist bis Ende 2023 zu sehen. Ottenbach ist auch wegen Nick Micros einen Besuch wert.
Der Ausstellungsplan findet sich hier: www.nicholasmicros.com/dazw