Von Unterlunnern zu den Sternen

Tagsüber repariert Fabio Sperduto in seiner Werkstatt Autos. In der Nacht wird er zum Hobbyastronomen: In einem Obfelder Wohnquartier holt er mit seinem Teleskop Galaxien, Sterne und Planeten aus der Dunkelheit aufs Bild.

Der «Hantelnebel» M27, ein planetarischer Nebel, fotografiert im September 2019.

Der «Hantelnebel» M27, ein planetarischer Nebel, fotografiert im September 2019.

Die «Whirlpool Galaxie» M51, aufgenommen im Mai 2020. (Bilder Fabio Sperduto)

Die «Whirlpool Galaxie» M51, aufgenommen im Mai 2020. (Bilder Fabio Sperduto)

Der 44-jährige Fabio Sperduto mit seinem Teleskop, das er «Little Hubble» nennt, weil es hyperbolische Spiegel hat – wie das Weltraumteleskop. (Bild zvg.)

Der 44-jährige Fabio Sperduto mit seinem Teleskop, das er «Little Hubble» nennt, weil es hyperbolische Spiegel hat – wie das Weltraumteleskop. (Bild zvg.)

Die Neugierde kam aus dem Nichts. Vor acht Jahren hat Fabio Sperduto an einem Wintertag in den leerblauen Himmel geschaut und sich gedacht: «Da oben hat es einen Haufen Zeug, das wir nicht sehen.»

Daraufhin bestellt er sich im Internet für 150 Franken ein gebrauchtes Teleskop. Und als er damit zum ersten Mal in den Himmel späht, ist ihm sofort klar: «Da muss etwas Grösseres her.»

Zunächst aber begnügt sich Fabio Sperduto mit seinem Einsteiger-Modell. Damit er seine Spiegelreflex-Kamera an das Teleskop anschliessen kann, braucht er einen Adapter. Doch statt dieses ­Zwischenstücks kauft er sich einen 3D-Drucker und stellt es selbst her. Manche Teile gibt es schlicht nicht in der Ausführung, wie er sie braucht – und auf andere mag er in seiner Euphorie nicht Tage, Wochen oder Monate warten.

Er schiesst erste Bilder, fragt und liest sich durch Internet-Foren, holt sich Tipps bei anderen Hobby-Astronomen, klickt sich durch Apps, die ihm anzeigen, zu welcher Jahres- und Uhrzeit welche Objekte sichtbar sind, oder wie sie sich mit seiner technischen Ausrüstung voraussichtlich darstellen lassen. Mit dem Wissen, das sich Fabio Sperduto aneignet, steigen seine Ansprüche. Er kauft sich zwei weitere Teleskope, die grösser sind und stabiler, die er aber wieder verkauft, als er sich vor fünf Jahren jenes Modell leistet, das noch heute bei ihm im Garten steht. Mit ihm kann er Planeten unseres Sonnensystems fotografieren und gleichzeitig auch sogenannte «Deep-Sky-Objekte» ausserhalb, also zum Beispiel Galaxien, Sternhaufen oder planetarische Nebel.

Während andere schlafen, fotografiert er Galaxien

«Wir blicken nach oben», sagt Fabio Sperduto, «und sehen die Vergangenheit. Wir sehen die Objekte nicht so, wie sie zum jetzigen Zeitpunkt existieren. Wir sehen ihr Licht, das reist.»

Von der «Whirlpool Galaxie» die auch unter dem Namen Messier 51 bekannt ist, reist das Licht bis zur Erde zirka 30 Millionen Lichtjahre (gemäss Nasa). M51 hat Fabio Sperduto schon oft fotografiert, so auch vergangene Nacht: Jetzt, im Sommer, sei schliesslich «Galaxie-Saison».

Loslegen kann er bei klaren Sichtverhältnissen um 23 Uhr, bevor es nach 3.30 langsam wieder hell wird. Viel Zeit für den Schlaf bleibt nicht. In all den Jahren hat Fabio Sperduto den Betrieb des Geräts laufend optimiert. Früher sass er während der Aufnahmen im Garten, weil der Laptop direkt am Teleskop angeschlossen war. Heute ist auf dem Teleskop ein separater Rechner montiert, sodass er die Wohnung nur noch verlassen muss, um das Gerät einzuschalten. Die Kamera ansteuern, die Schärfe einstellen, die Spiegelheizung und die Lüftung regulieren: All das macht Fabio Sperduto bequem über den Laptop am Esstisch.

Mit seiner Monochrom-Kamera fängt er die Farben Rot, Grün und Blau über das Filterrad ein, das vor der Kamera montiert ist. Für die Aufnahmen der «Whirlpool Galaxie» hat seine Kamera pro Aufnahme zwei Minuten lang belichtet – und so innerhalb von 40 Minuten 20 Bilder geschossen – einzeln mit jedem Farbfilter.

Am Schluss legt Fabio Sperduto die 60 Bilder mithilfe einer Software übereinander und generiert so ein farbiges Bild. Eine schnelle Vorsondierung der Aufnahmen macht er jeweils noch in derselben Nacht – aus Neugierde. Bis er die Bilder jedoch sortiert und sie zu ­einer Aufnahme zusammensetzt, vergeht meistens noch etwas Zeit. Diese Arbeitsschritte seien «eine Sache für sich», sagt er. Alleine mit dem Sortieren der Bild- und Videodateien der letzten paar Nächte könnte er sich locker einige Stunden verweilen. Das Datenvolumen, das Fabio Sperduto durch seine Aufnahmen ansammelt, ist enorm.

Auch der ISS jagt er nach

In der Wohnung von Fabio Sperduto ist keines seiner Bilder aufgehängt. «Die Aufnahme muss perfekt sein», sagt er. Bis dahin teilt er sie in einer Facebook-Gruppe mit anderen Hobby-Astronomen. Jedes Mal freut er sich wieder, wenn er bei einem Aufnahme-Durchgang mit optimierter Kamera-Einstellung neue Details aus der Dunkelheit herausschälen kann.

Ein besonderes Objekt, an dem er sich bis heute gerne abarbeitet, ist die Internationale Raumstation ISS. Ihr jagt er mit seinem Teleskop regelmässig nach, wenn sie mit knapp 28000 Stundenkilometern um die Erde rast. Ein weiterer Kandidat ist der Mond: «Ihn nehme ich in Angriff, wenn die Sicht für Langzeitbelichtungen nicht optimal ist.» Mit Aufnahmen vom Mond starte jeder Anfänger, weil der Trabant ein dankbares Sujet sei. «Doch sobald man Objekte sichtbar machen will, die das Auge nicht sieht, stört der Mond.» Bei Vollmond zum Beispiel, da helle er den ganzen Himmel auf, was Fabio ­Sperduto nicht besonders gelegen kommt. Der Garten in seinem Wohnquartier ist ohnehin nicht prädestiniert für Teleskop-Aufnahmen. Im Winter strahlen die umliegenden Gebäude Wärme ab, und auch der Kontrast auf den Aufnahmen wäre grösser, wenn das Teleskop in ­einer komplett dunklen Umgebung stünde. Anderswo – zum Beispiel in den Bergen – aufgestellt hat Fabio Sperduto sein Teleskop trotzdem noch nie. Er befürchtet, dass die Bilder in der Höhe so viel besser gelingen könnten, dass er danach weniger motiviert sein wird, bei sich im Garten noch Aufnahmen zu machen. Diesem Risiko ist er bisher ausgewichen. Irgendwann, sagt er, soll sich das ändern. Dann wird er sein Material einpacken und eine Nacht auf einer Passhöhe unter klarem Himmel verbringen. Und vielleicht die perfekte Aufnahme schiessen.

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