Tempo 30 im Dorfzentrum ist für den Gemeinderat Obfelden kein Thema

In den Projektplänen der Baudirektion zum A4-Zubringer war für die Dorfstrasse in Obfelden lange eine Tempo-30-Zone vorgesehen. Zuständig für diesen Strassenabschnitt ist jedoch bald nicht mehr der Kanton, sondern die Gemeinde. Und diese hat andere Pläne.

Die Insel mit Spur-Verengung in der Nähe der Bächlerstrasse. (Abbildung Bulletin)
Die Insel mit Spur-Verengung in der Nähe der Bächlerstrasse. (Abbildung Bulletin)

Mit dem Bau und der Eröffnung des Autobahnzubringers Obfelden-Ottenbach wird die Dorfstrasse in Obfelden abklassiert und der Gemeinde zur Neugestaltung übergeben. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, das Dorf vom Durchgangsverkehr zu entlasten und aufzuwerten. Vergangene Woche hat der Gemeinderat Obfelden einen ersten Einblick in seine Planung gegeben. Dazu hat er eine Zusammenfassung der Vorstudie in die Haushalte verschickt.

Um Sicherheitsdefizite aufzuheben und den Netzwiderstand zu erhöhen – also die Bereitschaft, auf die Umfahrung auszuweichen – will der Gemeinderat auf der 1,9 Kilometer langen Strecke zwischen den Restaurants «Rütli» und «Kreuzstrasse» verschiedene Massnahmen umsetzen. Diese haben für die Verkehrsteilnehmenden unterschiedliche Auswirkungen:

Autos und Lastwagen dürfen das Dorf weiterhin mit Tempo 50 befahren (von einer Durchfahrtssperre für Lastwagen wird abgesehen). Die Fahrbahn wird von zirka 7 auf 6 Meter verschmälert (davon 1,5 m Velostreifen). Dadurch sollen die Fahrzeuglenker das Fahrtempo verringern; der Gemeinderat will eine gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h erreichen. Zu dieser Tempo­reduktion beitragen sollen weitere Elemente, zum Beispiel Fussgängerquerungen mit Verengungen oder Bushalte-stellen auf der Fahrbahn.

Fussgängern steht entlang der Dorfstrasse beidseitig ein je 1,5 Meter breites Trottoir zur Verfügung. Dieses wird nicht mehr erhöht zur Strasse geführt: Der Randstein wird auf 3 cm abgesenkt, um die Trennwirkung zwischen Strasse und Trottoir zu reduzieren. Im Abschnitt zwischen der Bach- und Fabrikstrasse haben Fussgänger Vortritt gegenüber Autos, die aus Quartierstrassen in die Dorfstrasse einmünden. Dieser Vortritt wird mit Trottoir-Überfahrten umgesetzt. Auf den anderen Abschnitten entlang des Dorfs haben Autos Vorfahrt. Möchten Fussgänger dort eine Quartierstrasse überqueren, müssen sie dies auf der Strasse tun. Um die Dorfstrasse zu überqueren, gibt es Fussgängerstreifen und Fussgängerquerungen mit Inseln. So auch am sogenannten «Eingangstor West» vor dem Restaurant Rütli.

Velofahrern steht dorfaufwärts ein Velostreifen zur Verfügung, der von 1,25 auf 1,5 Meter verbreitert wird. Diesen Streifen benützen PWs, LKWs oder Postautos mit, wenn die Fahrbahn zum Kreuzen mit anderen Fahrzeugen nicht ausreicht. Dorfabwärts gibt es für Velofahrer keinen markierten Fahrbereich mehr. Geplant ist, dass sie mit dem übrigen Verkehr «mitfliessen». Für Linksabbieger in die Schmittenstrasse gibt es neu einen geschützten Bereich im Schatten der Mittelinsel, der die Querung sicherer machen soll.

Der öffentliche Verkehr bleibt in der Anzahl der heutigen Bushaltestellen bestehen. Diese werden hindernisfrei ausgebaut. Für die Haltestellen Unter­lunnern und Toussen entstehen Busbuchten, bei den anderen Haltestellen wird die Fahrbahn benützt.

Spaziergänger und Verweilende finden neue Verweilmöglichkeiten in der Einmündung zur Bächlerstrasse (vis-à-vis der Garage Müller). Dort sind Bäume oder Büsche, ein Brunnen und Sitzgelegenheiten vorgesehen. Ähnliches ist vor dem «Pöstli Beck» geplant.

IG Sicherer Schulweg: «Eine Temporeduktion ist nötig»

Auch Philipp Schweiger, Co-Präsident der IG Sicherer Schulweg, hat sich einen Überblick über die zusammengefasste Vorstudie verschafft. Gemeinsam mit anderen «IG»-Mitgliedern hat er sich vor rund zehn Jahren dafür eingesetzt, dass das Stimmvolk den Kredit für den Autobahnzubringer bewilligt. Dies mit dem Ziel, den Schulweg für die Kinder ­sicherer zu machen und den Dorfkern aufzuwerten.

Schweiger sagt, die IG sei mit ihrer Kampagne massgeblich daran beteiligt gewesen, dass der Zubringer von der (Stimm-)Bevölkerung die nötige Rückendeckung erhalten habe: «Umso mehr bedauere ich, dass die IG als Mitstreiterin und entschiedene Befürworterin dieses Projekts bei der Planung der Dorfstrasse nicht aktiver ins Boot geholt wurde.» Zwar anerkennt er, dass ein Mitglied der IG in der Arbeitsgruppe Dorfstrasse vertreten gewesen ist, diese Person sei jedoch angewiesen worden, die Informationen aus der Projekt-gruppe nicht nach aussen zu tragen. Entsprechend habe man innerhalb der IG von der Stossrichtung des Projekts keine Kenntnis gehabt. Er sagt, er sei fest davon ausgegangen, dass auf Teilstrecken entlang der Dorfstrasse neu Tempo-30 gelten würde. Dass die Limite nun durchgehend bei 50 Stundenkilometern bleibt, sieht er zum Wohl der Schulkinder nicht als gangbaren Weg. Mit dem Eingangstor, den breiten Trottoirs und den Fussgänger-Inseln ziele das Konzept zwar grundsätzlich in eine gute Richtung, doch für ihn ist klar: «Eine Temporeduktion ist nötig.»

Während die Fussgänger aus seiner Sicht gut geschützt sind, setzt er vor die Sicherheit der Velofahrer ein Frage­zeichen. Dies, weil der Radstreifen bergaufwärts vom motorisierten Verkehr mitbenützt werden muss, zum Beispiel, wenn Postauto und PW sich kreuzen. Bergabwärts wiederum sollen die Kinder ohne Velostreifen mit dem Verkehr mitfliessen und auf der verschmälerten Strasse mit Tempo 50 überholt werden. Das scheine gefährlich, sagt Philipp Schweiger. Er wünscht sich, dass der Langsamverkehr auf der neuen Dorfstrasse priorisiert wird.

Gemeinde: «Sicherheit der Schulkinder ist gewährleistet»

Gemeindepräsident Stephan Hinners sagt, die Projektplanung zur Umge-staltung der Dorfstrasse sei sehr anspruchsvoll: «Nebst dem öffentlichen Verkehr hat Obfelden durch ansässiges Gewerbe auch noch eigenen Last­wagenverkehr. Ausserdem soll das Dorf auch für andere Gewerbezweige weiterhin attraktiv bleiben.»

Er ist überzeugt, dass die Sicherheit der Schulwege entlang der Dorfstrasse mit dem geplanten Konzept verbessert wird. Bei wenig Verkehr, zum Beispiel ausserhalb der Stosszeiten, könne die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erreicht werden. Bei höherem Verkehrsaufkommen werde das mit den geplanten baulichen Massnahmen jedoch unterbunden. Dafür sorgten zum Beispiel die schmalere Fahrspur oder die Bushaltestellen auf der Fahrbahn, die zum Warten zwingen. So könne die Dorfstrasse neu nur noch mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h befahren werden.

Zur Situation der Velofahrer sagt Stephan Hinners, natürlich könne es sein, dass der Velostreifen im Bedarfsfall befahren werde. Dies sei heute allerdings auch schon der Fall. Da sei man – wie bei allen Verkehrsvorschriften – auf die Vernunft der Verkehrsteilnehmer angewiesen.

Dorfabwärts hält er die Sicherheit für die Schulkinder auch ohne Radstreifen für gewährleistet. Auf dieser Strecke werde auf dem Velo eine genügend hohe Geschwindigkeit erreicht, die es ermögliche, sich in den Verkehr einzuordnen. Dass Velofahrer sich den Platz mit dem motorisierten Verkehr teilen, wirke indirekt auch als Verkehrsberuhigungsmassnahme.

Thomas Schweizer: «Tempo 30wäre der richtige Weg»

Auch Thomas Schweizer, Verkehrs­planer und Kantonsrat der Grünen, hat die Zusammenfassung der Vorstudie gelesen. Seine Bilanz: «Für die Dorfstrasse wäre Tempo 30 der richtige Weg.»

Dass diese Massnahme in Obfelden umgesetzt würde, davon war er lange Zeit ausgegangen – ebenso die Baudirektion, wie es scheint. Im Technischen Bericht des Tiefbauamts aus dem Jahr 2012 war auf der Dorfstrasse zwischen Bach- und Fabrikstrasse eine 800 Meter lange Tempo-30-Zone vorgesehen. Von einer solchen war auch in neueren Projektunterlagen noch die Rede. So zum Beispiel in einer Grafik, die bis vor ­wenigen Wochen auf der Website der Baudirektion aufgeschaltet war. Letztlich sei die Tempofrage ein politischer Entscheid, so Schweizer. «Nach der ­Abklassierung gehört die Strasse der ­Gemeinde. Sie entscheidet über die Neugestaltung.»

Mit Tempo 30, so schätzt er, wäre auch der Durchfahrtswiderstand genug gross – sofern die Geschwindigkeits­reduktion durch weitere Massnahmen ergänzt werde. Für einen guten Ansatz hält er die Fussgänger-Insel, wie sie bei der Bächlerstrasse geplant ist (vgl. Grafik). Bei diesem Element wird der Fahrstreifen für den motorisierten Verkehr im Bereich der Insel verengt. «Vorsichtige Automobilisten dürften dort eher vor der Insel warten, statt beim Fussgängerstreifen zu kreuzen.» Diese Massnahme ist in seinen Augen ein effizientes Mittel zur Temporeduktion.

Wie viele solcher Inseln mit Einengung auf der Dorfstrasse geplant sind, ist in der zusammenfassten Vorstudie nicht ersichtlich. «Drei oder vier werden nicht ausreichen», sagt Thomas Schweizer. Auf längeren Strecken ohne Einengung werde erfahrungsgemäss umgehend beschleunigt. Deshalb empfiehlt er dieses Element bei allen bestehenden Fussgängerstreifen und -Inseln. Weiter könne es sinnvoll sein, für die Fussgänger zusätzliche ­Querungsstellen zu schaffen. Auch das erhöhe den Durchfahrtswiderstand. Zwar bleibe die Strecke durch das Dorf womöglich auch dann noch die schnellere Variante als die Umfahrung, entscheidend sei indes nicht nur die effektiv gefahrene, sondern auch die gefühlte Zeit, in der man durchs Dorf unterwegs sei.

Thomas Schweizer fügt an, dass das Fehlen des Radstreifens abwärts nur dann Sinn mache, wenn Tempo 30 signalisiert werde. Die Velofahrer fahren dann fast gleich schnell wie der motorisierte Verkehr. Sie müssten nicht mehr überholt werden und als «Fleischbremse» hinhalten. Mit Tempo 50 werden sie jedoch häufig überholt und es entstehen heikle Situationen, weil die Überhol­abstände oftmals sehr knapp sind.»

In seinen Augen hat die Dorfstrasse bisher noch keinen Charakter – sie sei einfach eine Strasse wie jede andere. Es brauche noch eine ansprechende Gestaltung, am besten durch ein ausgewiesenes Landschaftsarchitekturbüro. Mit der Verschmälerung der Fahrbahn entstehe Handlungsspielraum, beispielsweise für Baumpflanzungen, vielleicht sogar eine Allee. Auch mit der Wahl und Ausgestaltung der Beleuchtung oder mit Belagseinfärbung oder anderen Ideen, könne dem Strassenraum eine ansprechende Identität gegeben werden.

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