Altes VBZ-Wägelchen erlebt eine Neugeburt

Über vierzig Jahre lang verkauften die VBZ ihre Billette in kleinen Verkaufswägelchen. Ein letztes Exemplar ist erhalten geblieben. Es wird in Affoltern restauriert und kommt danach ins Tram-Museum.

Bei Baumann + Wild in Affoltern wird der VBZ-Billettverkaufswagen aus den 1960er-Jahren wieder auf Vordermann gebracht. (Bilder Stefan Schneiter)

Bei Baumann + Wild in Affoltern wird der VBZ-Billettverkaufswagen aus den 1960er-Jahren wieder auf Vordermann gebracht. (Bilder Stefan Schneiter)

Funktional und schnörkellos präsentierte sich der kultige Verkaufsanhänger.

Funktional und schnörkellos präsentierte sich der kultige Verkaufsanhänger.

Kultig sieht er aus mit seinem ebenso schlichten wie bescheidenen 60er-Jahre-­Wohnwagendesign in blau-weiss. Und aus den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts stammt er auch, der Billett­verkaufswagen, in dem die Verkehrs­betriebe Zürich (VBZ) in der Stadt Zürich ab 1963 über 40 Jahre lang Billette verkauft haben. Im Einsatz stand er zu einer Zeit, da der kondukteurlose Betrieb eingeführt wurde. Zumindest für die Anhängerwagen der Trams, denn 1963 wurden die bis dahin gebräuchlichen Wochenknips- durch Sichtkarten ersetzt. Mit solchen Sichtkarten durften Passagiere in den hinteren, unbedienten Tramwagen einsteigen. Nur sie durften das, wer kein Billett hatte, musste im vorderen Tramwagen beim Kondukteur eines lösen.

Neun dieser Verkaufswägelchen gab es damals, sie standen auf den grossen Plätzen in Zürich, auf dem Central, dem Bellevue, in Oerlikon. 2006 wurden sie aus dem Betrieb genommen. Mindestens eines ist noch erhalten ­geblieben. Benützt wurde es in den letzten Jahren von einem Theaterverein in Oberrieden zum Billettverkauf für ­seine Open-Air-Veranstaltungen. Nun ist es in den Besitz des Tram-Museums in Zürich übergegangen.

Sein Zustand ist nach all den Jahren nicht mehr der allerbeste. Längst ist die blaue Farbe verschwunden, es rostete lange vor sich hin. Eine Restaurierung tut dringend not. Diese ermöglicht ­Thomas Neukom. Der 54-jährige Affoltemer ist ein leidenschaftlicher Sammler von alten Technikgeräten. In seiner Wohnung stehen überall frühere Billettautomaten, alte Telefongeräte, Brief­marken­automaten herum, ebenso wie Fernschreiber, Telex, Handlocher – und sogar ehemalige Seilbahnsessel vom Hochstuckli. Den öffentlichen Verkehrsbetrieben fühlt sich Neukom, der seine Lehre bei den VBZ gemacht hat und heute bei den SBB arbeitet, eng verbunden. Als sein Vater starb, vermachte er dem Tram-Museum einen namhaften Betrag als Spende in dessen Namen. «Mir war klar, dass man mit diesem Betrag nicht einen alten Bus oder ein Tram ­restaurieren kann, so was kostet viel mehr», sagt Neukom. Doch mit dem Auftauchen des VBZ-Verkaufs­wägel­chens war die Gelegenheit da, ­dieses Geld sinnvoll einzusetzen.

Neupreis 8317 Franken

Und so wird nun der VBZ-Verkaufs­anhänger bei Baumann+Wild AG ­Carrosserie+Spritzwerk in Affoltern restauriert. Die Arbeiten werden sich bis in den Herbst hinziehen. Auf rund 40 bis 50 Stunden veranschlagt man bei Baumann+Wild den Arbeitsaufwand. «Die Idee ist, diesen Wagen wieder in den Originalzustand zu versetzen», ­erläutert Thomas Neukom die Ziel­setzung. «Es ist ein Glücksfall, dass fast alles noch original erhalten ist, auch die Inneneinrichtung mit ihren Schubladen und Kästchen aus Holz, den Neon­lampen und vielem mehr».

Nun werden in der Carrosserie­werkstatt alle Farbanstriche der jüngeren Zeit abgeschliffen, Beulen ausgebessert, rostige Teile und Lampenkabel ersetzt. Danach wird alles frisch gestrichen, in den blau-weissen VBZ-Farben, das Züri-Leu-Logo darf dabei nicht fehlen, die Schriften des alten Verkaufswagens ­sollen wiederhergestellt werden. Die ­Achse samt Bremsen – von Mercedes – muss renoviert werden, auch die Anhänger­kupplung reicht in ihrem alten Zustand nicht aus, um den über 800kg schweren Wagen wieder in Verkehr ­setzen zu können, respektive wieder transporttauglich zu machen.

Neukom hat auch Recherchen über das VBZ-Verkaufswägelchen angestellt. So hat er herausgefunden, dass der ­Hersteller ein sogenannter «Koller ­Kiosk» war, von Emil Koller in Niederwil (SG). Informationen über den Wagen selber sind schwierig zu finden, doch Neukom fand in Geschäftsberichten heraus, dass der Stückpreis für diese Wägelchen 8317 Franken betrug. Und von einem Freund hat er erfahren, dass der letzte dieser ehemals neun Wagen bis im Jahr 2006 auf dem Limmatplatz gestanden hatte. Nun hofft Neukom, dass der VBZ-Verkaufswagen bis zur Langen Nacht der Zürcher Museen, am 3. September, im Originalzustand wiederhergestellt sein wird, um im Tram-Museum seine Wiedergeburt feiern zu können.

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