Im Schnellzug von der Steinzeit zur Gegenwart

Anlässlich der Gründung des Klosters Engelberg wurde der Name Bonstetten 1122 erstmals erwähnt. Die Gemeinde hat das Jubiläum im Sommer gefeiert. Am Samstag findet nun die Vernissage des Jubiläumsbuchs statt.

Gestrenger Herr Schulmeister mit seinen Bonstetter Klassen 1925. (Archivbild zvg.)
Gestrenger Herr Schulmeister mit seinen Bonstetter Klassen 1925. (Archivbild zvg.)

Das Jubiläumsbuch «Bonstetten – Vom Keltendorf zur Zürcher Agglomerationsgemeinde» wurde von Rolf und Christine Werner, Ernst Baumann und Arthur Glättli verfasst. Es führt in kurzen, ­präzis formulierten Kapiteln in einem attraktiven Schnellzugstempo durch die letzten 100000 Jahre, von der Würm­eiszeit über eine Siedlung in der ­Spätbronzezeit, die Römerzeit und die Freiherren von Bonstetten bis zu Ortsplanung und Dorfentwicklung, Kirchen, Schulen und Wasser, Armut, Vereinen, dem Arbeitslager während des Krieges – und schliesslich zum Jubiläumsfest vom 25. Juni 2022.

Gemeindepräsidentin Arianne ­Moser und alt Gemeindepräsident Erwin Leuenberger formulieren im gemein­samen Vorwort: «Der Rückblick auf die Vergangenheit kann uns helfen, Fehler zu vermeiden, Krisen zu überwinden, Gutes auszubauen und das Leben in ­Bonstetten lebenswert zu erhalten und zu gestalten. Dazu braucht es uns alle! Seien Sie Teil dieser Zukunft!»

Mobilität seit den Anfängen

Mobilität ist ein durchgehendes Thema. Jäger und Sammler erforschten die ­Gegend nach dem Rückzug des Reussgletschers als Erste. Zumindest zeit­weise Sesshaftigkeit lässt sich seit dem 13. Jahrhundert v. Chr. nachweisen. Römische Truppen drangen in die Gegend ein, vermischten sich mit der keltischen Bevölkerung, germanische Stämme gründeten die meisten der heutigen Dörfer im Frühmittelalter. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts wurde die Burg Bonstetten erbaut, um die Mitte des 13. Jahrhunderts zog die Familie der Freiherren von Bonstetten nach Uster und verliess ihre Festung in Bonstetten, die später vom Kloster Kappel übernommen wurde.

Mit grossen Mobilitätsschüben ­rechnete man in der Nachkriegszeit. Die Stadt Zürich kaufte nur schon in ­Bonstetten 57 Hektaren Landwirtschafts­land als Reserve für künftige Über­bauungen. Die Bau- und Zonenordnung von 1966 rechnete mit einem Anstieg der Dorfbevölkerung von 1300 auf 10000 Personen. Heute, einige Zonenpläne ­später, lebt gut die Hälfte davon in der Gemeinde. Und dennoch: «Trotz der in den letzten 70 Jahren massiv ­angestiegenen Einwohnerzahlen hat Bonstetten seinen dörflichen Charakter erhalten und den Wandel zur Schlafgemeinde vermeiden können. Ein reges Dorf- und Vereinsleben sowie das ­ländliche Erholungsgebiet um die ­beiden Siedlungsschwerpunkte Dorf und Schachen bieten gute Lebens­qualität und Standortattraktivität.»

Vier Kirchen

Aspekte der Mobilität spiegeln sich auch in den vier Kirchen. Die älteste Kirche wurde kurz vor der Reformation im Jahr 1510 erbaut. 1524 wurde die Zürcher Herrschaft, der Bonstetten als Teil der stadtnahen Obervogtei angehörte, ­reformiert. Von nun an gehörte die ­gesamte Bevölkerung der protestantisch-reformierten Kirche an. Erst 1831 erlaubte die liberale Verfassung den ­Zuzug von Katholiken und damit Wohnortmobilität über die Konfessions­grenzen hinaus. Allerdings zogen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Katholiken nach Bonstetten, «die man aber sehr misstrauisch beäugte.»

Im 20. Jahrhundert führte die ­katholische Pfarrei Affoltern in Bonstetten im einstigen Tanzsaal des Restaurants Bahnhof ihre Gottesdienste durch. Nach der Eröffnung des Gemeindesaals 1964 konnte der Saal zu einer Kapelle mit Altarraum und Sakristei umgebaut werden. Seit 1980 besteht eine ­eigenständige katholische Pfarrei ­Bonstetten Stallikon Wettswil.

Hinzu kommen zwei weitere ­Kirchen: Die Einweihung der Neuapostolischen Kirche Bonstetten fand 1963 statt. 2012 wurde die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage süd­westlich des Bahnhofs fertiggestellt, im Volksmund Mormonenkirche genannt.

Pfarrer als Jäger, Schulmeister als Dieb

Zum Schluss rundet das Kapitel «Amüsantes, Trauriges, Lustiges, Seltsames, Allzumenschliches aus dem Dorfleben» das Buch ab. So verwarf die Gemeindeversammlung 1957 die Idee eines Flugplatzes in Bonstetten. Und 1814 wurde der Dorfschulmeister seines Amtes ­enthoben, weil er «teils aus Eigennutz, teils aus Bosheit» auf einer Baustelle eine Tause Kalk entwendet hatte. Noch etwas weiter zurück, im Jahr 1643, ­baten die Islisberger um Hilfe bei der Jagd eines Wolfs, der schliesslich vom Bonstetter Pfarrer Wiesendanger ­eigenhändig erstochen worden sei.

Buchvernissage am Samstag, 19. November, 14 bis 17 Uhr, Gemeindesaal Bonstetten, im Rahmen einer Ausstellung mit historischen Bildern und Filmen aus dem Dorf. Das Buch gibts für 35 Franken dort oder ab nächster Woche bei der Gemeindeverwaltung.

 

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