Via Erotikportal ein Opfer gesucht
Die beiden 19 und 21 Jahre alten Beschuldigten lockten ihr Opfer auf einen Parkplatz in Hausen. Beim versuchten Raubüberfall ergriff das Opfer aber die Flucht.
Von: Dominik Stierli
«Der Raub hatte etwas sehr viel kriminelle Energie», kommentierte Richter Peter Frey die Urteilsbegründung. Die Liste der beschlagnahmten Gegenstände lässt schon mal erahnen, was geplant war. Unter anderem stellte die Polizei Sturmmaske, Klappmesser, Klebeband, Kabelbinder und eine Softairgun sicher.
Angeklagt waren zwei junge Personen aus dem Amt, welche einen Raubüberfall versuchten. An diesem Morgen vor dem Bezirksgericht Affoltern treten aber nicht zwei hartgesottene Männer in den Saal ein, sondern eine junge, zierliche Frau und ein noch jüngerer Bursche.
Die beiden Beschuldigten schalteten im Juli 2022 eine Anzeige auf einem Erotikportal im Internet, um eine vermögende, männliche Person anzulocken. Die Verdächtigen beschafften sich neben dem erwähnten Material noch Mobiltelefon und SIM-Karten zur Kontaktaufnahme. Beim Chatten und der Materialbeschaffung war die 21-Jährige federführend. Der 19-Jährige beschaffte die Softairpistole, welche täuschend echt aussieht.
Das Opfer kann fliehen
Während mehrerer Tage wurde mit dem späteren Opfer gechattet. Die Angeklagten gaben dabei vor, ein Treffen mit zwei Frauen für sexuelle Handlungen zu organisieren. Kostenpunkt: 4000 Franken. Am 27. Juli 2022 kam es nach 22 Uhr zu einem Treffen auf einem öffentlichen Parkplatz in Hausen. Der Mann wurde beim Eintreffen mit der Softairpistole bedroht und gezwungen, ins Auto einzusteigen. Dort wollten die Beschuldigten ihn mit Kabelbindern fesseln. Das Opfer ergriff in diesem Moment aber die Flucht, sodass es beim Raubversuch blieb. Die Angeklagten wurden noch am gleichen Abend verhaftet und verbrachten über 30 Tage in Untersuchungshaft.
Nach den Beweggründen für die Tat befragt, gibt der Beschuldigte an, dass er die Abschlussprüfung seiner Lehre nicht bestanden hatte. «Kein Geld. Keine Arbeit. Keine Zukunft», kommentiert er seine für ihn aussichtslose Lage. Alle anderen in seiner Klasse hatten bestanden. Er habe sich dagegen auch bei der Schule gewehrt, da er seiner Meinung nach vom Lehrer diskriminiert wurde.
Der Beschuldigte wohnt bei seiner Mutter. Das Verhältnis zu seinen Eltern sei schwierig, besonders seit seiner Tat. Aktuell möchte er an die Nachprüfungen, um den Lehrabschluss nachzuholen. Die Suche nach einem Lehrbetrieb blieb aber trotz Unterstützung durch das Amt für Berufsbildung bisher erfolglos. Im Schlusswort sagte der 19-Jährige: «Ich lebe seit der Tat in der Hölle. Alles ist viel schlimmer als vorher.»
Die 21-jährige Beschuldigte hat eine 50-Prozent-Stelle und wird vom Sozialamt unterstützt. Sie möchte im Sommer eine Ausbildung zur Fachperson Betreuung starten. Über die Tat sagt sie, dass es ihr leidtue. Sie hat dem Opfer auch einen Brief geschrieben. Zur Motivation für die Tat erklärt sie etwas wirr, dass sie mit dem Geld eine ihr bekannte Pädophilen-Party sprengen wollte. Es sei ihr aber jetzt klar, dass dies der falsche Weg gewesen sei.
Die Anklage fand im abgekürzten Verfahren statt. Dabei einigen sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Vorfeld auf ein Urteilsvorschlag. Dieser sieht eine Verurteilung wegen versuchten Raubes und wegen mehrfachen Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz vor. Den Beschuldigten wird zusätzlich vorgeworfen, in den Jahren 2021 und 2022 Cannabis konsumiert und vorgängig gekauft zu haben. Der 19-Jährige ist zudem wegen Vergehen gegen das Waffengesetz aufgrund des Besitzes der Softairpistole beschuldigt.
Bedingte Strafe und Busse
Das Bezirksgericht folgte dem Urteilsvorschlag der Staatsanwaltschaft. Dieses sieht für die beiden eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten vor. Davon sind bereits 35 Tage durch die Untersuchungshaft abgesessen. Dazu kommt eine Busse von 300 Franken. Die Verfahrenskosten über 2100 Franken sowie die Gerichtsgebühren von 2000 Franken werden den Beschuldigten auferlegt. Die Kosten für die amtliche Verteidigung werden von der Staatskasse übernommen.
Der Richter fasste in der Begründung zusammen, dass die Strafe angemessen sei. Bis zu 10 Jahre Haft wären möglich. «Die Untersuchungshaft war wohl schon heavy für Sie», sagt er den Angeklagten. Er hoffe, dass die beiden nicht mehr delinquieren und wünschte Erfolg für die Nachprüfung und die Lehrstellensuche. Mit den Worten «Sie sind noch sehr jung. Hoffen wir auf einen einmaligen Ausrutscher», schloss der Richter die Verhandlung.
Urteil DH 220010 vom 16. Januar 2023,noch nicht rechtskräftig.
«Seit der Tat lebe ich in der Hölle.»