Stallikon erwandert und künstlerisch dargestellt

Die erste Ausstellung dieses Jahres, die das Kunstforum Stallikon bis am 18. Februar in der Bibliothek im Schulhaus Loomatt präsentiert, zeigt Zeichnungen der Kiewer Architektin Etery Tsintsadze. Mit ihrem präzisen Blick als Architektin hat sie ein stimmungsvolles Porträt der Gemeinde geschaffen.

Identitätsstiftende Bilder aus Stallikon: Die Architektin und Künstlerin Etery Tsindtsadze mit ihrer bald 13-jährigen Tochter Sofiia und dem Stalliker Kurator, Devi Rao. (Bild Erika Schmid)
Identitätsstiftende Bilder aus Stallikon: Die Architektin und Künstlerin Etery Tsindtsadze mit ihrer bald 13-jährigen Tochter Sofiia und dem Stalliker Kurator, Devi Rao. (Bild Erika Schmid)

Etery Tsindtsadze ist mit offenen Augen durch Stallikon, auch durch Zürich, gewandert, hat als Gedankenstütze fotografiert und anschliessend mit einem Architektur-Tuschestift Bilder komponiert, die als exaktes Abbild der Realität erscheinen, dank kleinen Verschiebungen aber näher am Erleben mit dem menschlichen Auge sind, als jedes Foto. Blumen, spielende Katzen, kreisende Vögel, ein Hund in vollem Lauf hauchen den Bildern Leben ein.

In diesem Jahr sind sieben Ausstellungen des Kunstforums Stallikon in der Bibliothek sowie zwei ausserhalb geplant. Kurator Deviprasad «Devi» Rao führte anlässlich der Vernissage vom vergangenen Freitag vor viel Publikum in die Eröffnungsausstellung «Home, away from home» ein. «Vor allem wünsche ich meinen ukrainischen Freunden hier von Herzen, dass in diesem neuen Jahr der Frieden in Ihr Land zurückkehren möge», richtete er sich an die Künstlerin.

In der Erwartung, eines Tages nach Hause zurückzukehren

Eteriana Suleymanovna Tsintsadze, genannt Etery, hat ihr Land ihrer Tochter Sofiia zuliebe Ende März letzten Jahres verlassen. Die Rudolf Steiner Schule, die Sofiia in Kiew besuchte, lud sie wahlweise in die Schweiz oder nach Deutschland ein. Mutter und Tochter entschieden sich für die Schweiz und leben seither privat bei einer Familie in Stallikon.

«Diese Ausstellung ist eine Sammlung ausgewählter Kunstwerke, die Etery in der Erwartung schuf, eines Tages nach Hause zurückzukehren», führte Devi aus, denn ihren Mann und ihren Sohn musste sie in Kiew zurücklassen. Für die Unterstützung, die sie in Stallikon erhält, bedankte sich Etery mit Zeichnungen von Siedlungsbildern aus Stallikon und Zürich, mit Porträts von Menschen.

Etery wurde 1971 in der Ukraine, in Ismail, geboren, führte Devi in ihre Biografie ein. Ihr Vater ist Georgier und ihre Mutter Ukrainerin. Die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbrachte sie in Batumi, Georgien. Nach der Scheidung ihrer Eltern kehrte sie mit ihrer Mutter in die Ukraine zurück, wo sie nach der Schule ein Architekturstudium abschloss. An der Akademie der Künste in Kiew bildete sie sich weiter. Zwanzig Jahre lang führte sie ihr eigenes Architektur- und Designstudio mit über 500 realisierten Projekten in der ganzen Ukraine sowie im Ausland.

In den letzten Monaten hat sie Stallikon erwandert und in künstlerischer Form dokumentiert. Die klaren Perspektiven und präzisen Details ihrer stilsicheren Zeichnungen verraten die technische Gewandtheit der Architektin. «Sie fügt einen subtilen Anteil ihrer eigenen kreativen Vorstellungskraft und intuitive Ausdrucksweisen hinzu, um neue Perspektiven zu schaffen. Ihre ausdrucksstarken Porträts sind nahe am Fotorealismus», ergänzte Devi.

Unter Raketenbeschuss im Keller

Während der Herbstferien konnten Etery und Sofiia nach Hause fahren. Unter Raketenbeschuss mussten sie die Zeit im Keller verbringen, um sich zu schützen: «Ich versuchte, mit ihr in Kontakt zu treten, um nach ihrem Wohlergehen zu fragen. Einen Tag lang hörte ich nichts, dann erhielt ich zu meiner Erleichterung die Nachricht, dass sie in Sicherheit sind und bald nach Stallikon zurückkehren werden. Hier leben sie jetzt, aber sie haben Heimweh. Sie warten darauf, nach Hause zurückzukehren.»

Etery selbst sagt: «Meine Seele befindet sich hier in Stallikon in einer liebevollen Atmosphäre, die es mir leichter macht, meinen Schmerz über die Abwesenheit von zu Hause zu ertragen. Ich bin jedem Menschen, jedem Haus, jedem Tier, jedem Baum und jeder Pflanze, die mir hier an diesem wunderschönen Ort über den Weg gelaufen sind, sehr dankbar. Glaubt mir, ein Teil meines Herzens wird von nun an immer zu Stallikon gehören.»

Musikalisch umrahmt wurde die Vernissage von der ukrainischen Sängerin Olga Rossi, die Etery im Deutschunterricht in Zürich kennen gelernt hat. Das Publikum bedankte sich mit grossem Applaus. Die Bilder aus Stallikon bewogen die Besucherinnen und Besucher, nach dem offiziellen Teil noch länger zu verweilen.

Weitere Infos unter kunstforumstallikon.ch.

 

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