Dem Ungeziefer auf der Spur

Nicht selten reisen sie als lebendiges, unerwünschtes Feriensouvenir im Koffer mit nach Hause: Bettwanzen. Besteht Verdacht für einen Befall, rückt die Affoltemerin Gaby Hess mit ihren Hunden aus.

Wenn sie fündig wird, bellt Faye nicht. Stattdessen legt sich die Belgische Schäferhündin auf den Boden und weist mit der Schnauze zur Geruchsquelle.

Wenn sie fündig wird, bellt Faye nicht. Stattdessen legt sich die Belgische Schäferhündin auf den Boden und weist mit der Schnauze zur Geruchsquelle.

Gaby Hess hat sieben Hunde. Vier davon sind als Bettwanzensuchhunde im Einsatz – darunter auch die achtjährige Faye. <em>(Bilder Livia Häberling</em>)

Gaby Hess hat sieben Hunde. Vier davon sind als Bettwanzensuchhunde im Einsatz – darunter auch die achtjährige Faye. <em>(Bilder Livia Häberling</em>)

Bettwanzen können bis 9 Millimeter gross werden. <em>(Bild Ines Hohenbrink)</em>

Bettwanzen können bis 9 Millimeter gross werden. <em>(Bild Ines Hohenbrink)</em>

Als die Schiebetür des Wagens aufgeht, bleibt Faye geduldig auf ihrer blauen Teppichmatte sitzen. Noch scheint die Belgische Schäferhündin entspannt, doch in ein paar Minuten wird es wieder einmal ernst. Dann ist ihr feiner Geruchssinn gefragt, ihre Konzentration und Routine. Faye, achtjährig, nimmt immer dann die Spur auf, wenn Menschen befürchten, dass in den eigenen vier Wänden ein Tier kriecht, das dort nicht kriechen soll.

Cimex lectularius – die Gemeine Bettwanze – nistet sich am liebsten in kleinen Ritzen von Schlafräumen ein. Alle drei bis sieben Tage ernährt sich der rotbraune, nachtaktive Parasit von menschlichem Blut. In Hotels sind die Tiere in den letzten Jahren zur Plage geworden. Einmal in den Reisekoffer gekrabbelt, gelangen sie von dort als blinde Passagiere in Haushalte auf allen Kontinenten. Nicht selten bevölkern sie auch Flugzeuge, Kinos oder öffentliche Verkehrsmittel.

Mehr Reisen, resistente Parasiten

Bei der Schädlingsprävention der Stadt Zürich sind die Anfragen und Meldungen zu Bettwanzenbefällen seit 2006 massiv gestiegen. Damals waren es noch 27, während es 2016 bereits 164 Meldungen gab. «Bettwanzen haben sich bereits in den 30er-Jahren zu einem Problem entwickelt», sagt Gabi Müller, Leiterin der städtischen Präventions- und Beratungsstelle. Mit der Erfindung des Insektizids DDT seien die Zahlen stark zurückgegangen. Seit den 90er-Jahren steige der Befall auf der ganzen Welt jedoch wieder an. Dafür sieht Müller verschiedene Gründe: «Die Zahl der Geschäfts- und Privatreisen hat zugenommen, zugleich wurden wirksame Bekämpfungsmittel wegen Gesundheitsrisiken vom Markt genommen, während die Bettwanzen gegen die noch vorhandenen Bekämpfungsmittel Resistenzen entwickelt haben.»

Auch für Gaby Hess, die Besitzerin von Faye, hat alles mit einem Bettwanzenbefall begonnen. Eine Bekannte hatte die Parasiten bei sich zu Hause gefunden und schlug Hess vor, ihre Hunde für die Bettwanzen-Suche einzusetzen. «Das schien mir eine sinnvolle Beschäftigung», so die 52-Jährige. Schon bald absolvierten zwei ihrer Vierbeiner in Deutschland eine Spezialausbildung. Seit drei Jahren bietet sie den Suchdienst an, inzwischen haben vier ihrer sieben Hunde das entsprechende Zertifikat.

Trainingswanzen aus dem Labor

Auf Kommando springt Faye aus dem Wagen, begrüsst Gaby Hess, beschnüffelt die nahe Umgebung, setzt sich vor ihrer Halterin. Sie wirkt nun deutlich lebhafter. Ihre Besitzerin sagt, die Hündin wisse, dass nun eine Suchaktion folge. Faye ist routiniert, wird mehrmals pro Woche trainiert. «Zwei bis fünfmal sind wir im Sucheinsatz», sagt Hess. Wenn keine Aufträge anstehen, übt sie an möglichst abwechslungsreichen Trainingsorten: im Freien, in Wohnungen, in Scheunen – oder – so wie heute – in einem Büro-gebäude.

Nach dem Schlüpfen durchläuft eine Bettwanze fünf Entwicklungsstadien, bis sie ausgewachsen ist. In jedem Stadium verströmt sie einen anderen Geruch, deshalb ist Fayes Nase während der Suche intensiv gefordert. Hinzu kommt, dass es weltweit mehrere Bettwanzen-Stämme gibt. Damit Faye jeden erkennt, bestellt Gaby Hess monatlich neue Übungswanzen verschiedener Stämme. Diese werden in einem Labor in England gezüchtet und in kleinen Plastikröhrchen angeliefert. Ein solches Röhrchen hat Hess nun hinter einem Türspalt versteckt — ein paar Minuten, bevor sie Hündin Faye aus dem Auto lässt.

Lieber nicht bellen – der Diskretion zuliebe

Faye ist nun auf dem Weg in den ersten Stock. Eifrig springt die Hündin die Treppe hoch, zieht an der Leine und sitzt in der Türschwelle des Büros, in dem das Röhrchen versteckt ist. Gaby Hess klaubt aus ihrer Bauchtasche das Lieblingsspielzeug der Hündin hervor. Für die Hundetrainerin und ihre Kunden ist die Suche nach Bettwanzen eine ernste Sache – für Faye ist sie vor allem ein spannendes Spiel. In der Ausbildung hat sie gelernt, den Geruch der Parasiten mit ihrem Lieblingsspielzeug zu verknüpfen. Die Hündin weiss: Spürt sie dem Duft der Bettwanzen nach, findet sie zum geliebten Spielzeug. «Wenn ein Hund die Suche als Spiel versteht, ist er länger motiviert.» Nach dem Suchkommando legt Faye los. Sie läuft durch das Büro, schnüffelt die Pultbeine ab, den Stuhl, das Parkett. Während der Suche atmet sie schneller, um möglichst viele Geruchspartikel in ihrer Nase aufzunehmen. Das treibt die Körpertemperatur in die Höhe. Bei realen Sucheinsätzen braucht Faye spätestens nach 20 Minuten eine Pause.

Auf dem heutigen Trainingsgelände krabbeln die Wanzen in einem Plastikstäbchen. Wären sie frei, müsste Faye auf zusätzliche Fallen achten, in die sie nicht tappen darf. Den Kot der Tiere darf die Hündin genauso wenig anzeigen wie die Häute aus früheren Entwicklungsstadien. Sie soll nur lebendige Wanzen aufspüren. Keine zwei Minuten sind seit dem Suchkommando vergangen, da legt sie sich vor der Türe auf den Boden. Faye hat gelernt, einen Fund nicht durch Bellen anzuzeigen. Stattdessen erstarrt sie auf dem Boden und legt ihre Schnauze möglichst nahe an die Fundstelle.

Auch Luxus-Hotels sind betroffen

Diskretion ist im Bettwanzen-Suchgeschäft das A und O. Gaby Hess’ Hunde sind nicht nur in Privathaushalten, sondern auch in Hotels im Einsatz. Auch dort schätzt man es, wenn die Vierbeiner so geräuschlos wie möglich zu Werke gehen. Das sei verständlich, findet Patric Schönberg von Hotellerie Suisse: «In der Öffentlichkeit wird ein Befund oft als Indiz für schlechte Hygiene gewertet, obwohl zwischen Sauberkeit und Bettwanzenbefall kein Zusammenhang besteht.» Die einfache Unterkunft kann genauso betroffen sein wie das Luxus-Hotel. Ein Tabu-Thema seien die Bettwanzen innerhalb der Branche jedoch nicht.

Manche ziehen ins Hotel

Nun löst Gaby Hess die Warteposition ihrer Hündin auf. Sie lobt, gibt ihr das ersehnte Spielzeug, spielt mit ihr. Faye freuts. Für die meisten ihrer Kunden ist ein Bettwanzenbefall eine grosse emotionale Belastung. Manche ziehen vorübergehend ins Hotel. Da könne ihre muntere Spieleinlage ein wenig pietätlos wirken, sagt Hess fast entschuldigend. «Doch der Hund versteht die Ernsthaftigkeit der Situation natürlich nicht.» Für ihn sei es wichtig, gelobt zu werden, damit er motiviert bleibe.

Faye darf ihren Fund noch ein paar Minuten auskosten: Sie kaut auf dem Spielzeug herum, trägt es zum Auto. Dort muss sie es zurückgeben – vorübergehend. Bis ihre feine Nase das nächste Mal einen Volltreffer landet.

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