Plexiglas am Balkon? Nicht erlaubt!
Markus Baumgartner lebt nach einer Hirnblutung im Alters- und Pflegeheim «Senevita» in Affoltern. Das kostet die Stadt monatlich rund 4000 Franken. Er möchte ausziehen, doch bei der Wohnungssuche sind er und seine Frau schon zwei Mal gescheitert – an den Vorschriften der Stadt.

14 Jahre haben Barbara Peter und Markus Baumgartner gemeinsam in Affoltern gelebt, bis sich im November 2016 alles änderte. Markus Baumgartner hatte eine Hirnblutung, ist seither halbseitig gelähmt und lebt seit Juni 2017 im Alters- und Pflegeheim Senevita Obstgarten. Der Aufenthalt wird von verschiedenen Stellen finanziert. Die Grund- und Betreuungstaxen werden über IV- und BVG-Leistungen sowie über Zusatzleistungen abgerechnet. Die Pflegetaxen werden in Tagesansätzen verrechnet und Krankenkasse und Wohnsitzgemeinde in Rechnung gestellt. Der Tagesansatz für Markus Baumgartner im «Senevita» beläuft sich auf 134 Franken – monatlich entstehen der Stadt dadurch Kosten von rund 4000 Franken.
Barbara Peter ist nach dem Schicksalsschlag mit den drei Katzen von Affoltern in eine kleinere Wohnung in Ottenbach gezogen. In den vergangenen Monaten hat Markus Baumgartner gesundheitliche Fortschritte gemacht, sodass das Ehepaar inzwischen in der Lage wäre, wieder gemeinsam zu leben. Wäre.
Seit Herbst 2018 sucht das Ehepaar nach einer Wohnung. Die beiden sind lokal stark verwurzelt, möchten weiterhin in Affoltern wohnen. Weil Markus Baumgartner im Rollstuhl sitzt, muss die Wohnung behindertengerecht ausgebaut sein – oder nach dem benötigten Standard umgebaut werden können. Das Ehepaar hat Flyer verteilt, Inserate geschaltet und ist bei der Baugenossenschaft Alterswohnungen in Affoltern vorgemerkt. Dennoch seien sie bis jetzt nicht fündig geworden, sagt Barbara Peter: «Entweder ist der Lift zu schmal, die Dusche nicht ebenerdig, oder die Wohnung ist schlicht zu teuer.»
Im März 2019 besichtigt das Ehepaar eine Wohnung an der Merkurstrasse in Affoltern. Die neue Überbauung im Stadtzentrum gehört der Landi Obfelden. Die Wohnung hat dreieinhalb Zimmer, ist rollstuhlgängig – und auch Haustiere sind erlaubt. Einziger Haken: Die Abstände zwischen den Metallstäben des Balkongeländers sind so breit, dass die Katzen hindurchpassen. Deshalb möchte Barbara Peter am Balkongeländer eine Plexiglasscheibe anbringen.
Das Erscheinungsbild darf nicht verändert werden
Verwaltet wird die Liegenschaft an der Merkurstrasse von Intus AG. Diese zeigt sich mit der Scheibe einverstanden, und auch Marcel Tillmann von Landi Obfelden sagt auf Anfrage, man sei dem Einzug des Ehepaars positiv gegenübergestanden. Die Stadt Affoltern jedoch gibt negativen Bescheid: In einer E-Mail an Barbara Peter heisst es, für die Überbauung sei ein privater Gestaltungsplan erlassen worden, in diesem sei festgehalten, dass das äussere Erscheinungsbild nicht verändert werden dürfe. Eine Absage, die für Barbara Peter unverständlich ist: «Die Stadt hat monatlich hohe Auslagen für die Pflegekosten meines Mannes. Von einem Kompromiss hätten beide Seiten profitiert.» Auch bei einer zweiten Wohnung, die das Paar in Affoltern besichtigt hat, scheitert der Einzug an der Plexiglasscheibe.
Zu den Pflegekosten möchte sich die Stadtverwaltung nicht äussern, zur Plexiglasscheibe jedoch schreibt sie, in der damaligen Anfrage sei man davon ausgegangen, dass es sich um eine komplette Verglasung des Balkons handle. Wäre die Anfrage nach der Absage nochmals präzisiert worden, hätte man die Sachlage sicherlich nochmals neu geprüft. Barbara Peter hat sich daraufhin nicht mehr bei der Stadtverwaltung gemeldet, sie hat die Antwort als Absage verstanden: «Wenn das äussere Erscheinungsbild nicht verändert und die Balkone nicht eingewandet werden dürfen, kommt es doch nicht darauf an, wie hoch diese Plexiglasscheibe ist.»
In der Verantwortung sieht sich die Stadt Affoltern bei der Unterstützung in der Wohnungssuche grundsätzlich nicht: Der zivilrechtliche Wohnsitz des Ehepaars sei seit Oktober 2017 nicht mehr in Affoltern, teilt die Verwaltung mit. Dennoch habe man in Anbetracht der persönlichen Situation probiert, Lösungswege aufzuzeigen. Leider sei das Angebot an behindertengerechtem Wohnraum immer noch begrenzt, deshalb sei es bei der Wohnortsuche teilweise unumgänglich, weitere Gemeinden oder Regionen zu prüfen. Für das Ehepaar ist das keine Option: «Wir sind im Jahr 2002 nach Affoltern gezogen. Uns gefällt es hier und wir kennen viele Leute. Unser Herzenswunsch ist es, wieder hier zu wohnen», betont Barbara Peter. Die beiden suchen weiter – und hoffen, dass sich bald etwas ergibt.