Gemeinde wird Genossenschafterin

Nach der Gründung einer Genossenschaft liegen Zusagen in der Höhe von rund 700 000 Franken für die Zeichnung von Anteilscheinen vor. 2 Mio. Franken sind nötig. Mehr als 150 Personen kamen zum «Dialoganlass» über die Zukunft des Mettmenstetter Gasthauses zum weissen Rössli.

Präsident Markus Tschan (oben, am Rednerpult) stellte vor dem «Dialoganlass» die Vorstandsmitglieder der Genossenschaft und die Mitglieder der Interessengemeinschaft vor. <em>(Bild Luca Iten)</em>
Präsident Markus Tschan (oben, am Rednerpult) stellte vor dem «Dialoganlass» die Vorstandsmitglieder der Genossenschaft und die Mitglieder der Interessengemeinschaft vor. <em>(Bild Luca Iten)</em>

«Ich habe mit 50 Personen gerechnet und bin jetzt überwältigt vom Aufmarsch», sagte Genossenschaftspräsident Markus Tschan, der vorerst die Genossenschafts- und IG-Mitglieder vorstellte. «Ich bin heute nervöser als an meiner Hochzeit», gestand Vreni Spinner hernach ein. Sie wirtet seit 1998 im «Rössli», erst als Pächterin und seit 2010 als Inhaberin – und das mit viel Herzblut. Das markante Haus atmet Geschichte, hat Tradition, ist Restaurant und Begegnungsort: Theater, Chränzli, Stammtischpolitik, Klanghotel, Gewerbeschau-Ort, Rosenball-Schauplatz und ein umgestalteter Keller für Events. «Diese Vielfalt ist für mich auch in nicht immer einfachen Zeiten motivierend», fügt die Wirtin bei. Ihre Aktivitäten haben das «Rössli» über die Region hinaus bekannt gemacht. Bisher sei es nur möglich gewesen, in den Unterhalt zu investieren. Die Frage «Wie weiter?» werde seit zwei Jahren in einer Interessengemeinschaft (IG) diskutiert. Ihr Herzenswunsch sei es, dass das «Rössli» «dem Volk» gehöre, «euses Rössli» eben, was mit einer Gründung der Genossenschaft am besten gewährleistet werden könne. Sie selber wolle einen Teil des Verkaufserlöses in die Genossenschaft investieren. Und sie beende ihre Wirtekarriere erst dann, wenn eine geeignete Nachfolge da sei, hielt Vreni Spinner fest.

Die Liegenschaft kaufen, sanieren und betreiben: So lautet das Ziel der Genossenschaft. Das «Rössli» soll weiterhin Treffpunkt mit Restaurant, Bar, Party- und Seminarräumen sein. Dazu will man elf Appartements von 24 bis 40 Quadratmetern Grösse realisieren und damit neue Ertragsquellen erschliessen. Auch Lukarnen sind geplant. Ebenso will die Genossenschaft Möglichkeiten für erweiterte Angebote schaffen, Erträge und Vorzugskonditionen für Genossenschaftsmitglieder erwirtschaften. Laut Architekt Mike Weber soll die Baueingabe im Zeitraum November/Dezember 2019 und im Sommer 2020 der Baubeginn erfolgen. Damit wäre ein Bezug im Sommer 2021 möglich. Ein Lift und die Erneuerung der WC-Anlagen sind ebenfalls geplant. Gespräche mit der Denkmalpflege und der Feuerpolizei laufen.

Kaufpreis 2 Mio. Franken

Die Gründung der Genossenschaft erfolgte am 7. Oktober. Bis in dieser Woche liegen Kaufzusagen für Anteilscheine von gesamthaft 700000 Franken vor. Am «Dialoganlass» überraschte Gemeindepräsident René Kälin mit dem Entscheid des Gemeinderates, Anteilscheine in der Höhe von 50000 Franken zu erwerben – dies, weil er vom Vorhaben überzeugt sei und die gesamte Behörde hinter diesem Vorhaben stehe. Jede Genossenschafterin, jeder Genossenschafter verfüge über eine Stimme, egal, wie hoch das persönliche finanzielle Engagement sei, erläuterte die für Finanzierungsfragen zuständige Priska Wyser. Anteilscheine können ab 5000 Franken erworben werden. Wer nicht so viel aufbringen kann oder will, hat die Möglichkeit, sich materiell oder mit einer Idee einzubringen. Eine Nachschusspflicht für Genossenschafter bei weiterem Finanzbedarf gibt es nicht.

Die Frist zur Beschaffung des Eigenkapitals in der Höhe von 2 Mio. Franken besteht bis Ende März 2020. Dann nimmt die Genossenschaft den erforderlichen Baukredit auf, sucht Pächter und Mieter. Das grosse Interesse am «Dialoganlass» nährt die Hoffnung, dass das nötige Kapital bis im Frühjahr 2020 vorhanden ist, ansonsten alternative Szenarien zum Tragen kämen. Für Beat Villiger von der Raiffeisenbank Cham-Steinhausen ist eine Finanzierung möglich, wenn die von der Genossenschaft errechneten Mieterträge von jährlich rund 300000 Franken nachhaltig fliessen – eine Summe, die im Publikum allerdings etwas Skepsis auslöste, vor allem die einkalkulierte Miete für den neuen Wirt (100000 Franken). Dauermieter von Appartements könnten auch Firmen sein. Von Vereinsseite warf Thomas Stricker von der Aemtler Bühne ein, bei der Vermietung des Saals auch die finanziellen Möglichkeiten von nicht-kommerziellen Organen (zum Beispiel Vereinen) zu berücksichtigen.

Breite Unterstützung als Ziel

Verzinst werden müssen 3 Mio. Franken Fremdkapital (Baukredit/Hypothek). Die Anlagekosten belaufen sich auf 6 Mio. Franken. Man hofft, dass sich zu den 2 Mio. Franken Eigenkapital noch 1 Mio. Franken durch Sponsoren und eventuell Lotteriefonds gesellen werden. Trotz aller Zuversicht: Das Ziel bedarf einer breiten Unterstützung. Anteilscheine können ab sofort online unter www.euses-roessli.ch oder auch im «Rössli» selber bezogen werden.

Nach den Statements bestand beim Apéro ausreichend Gelegenheit zur Diskussion, zur Teilnahme an einem Wettbewerb oder an der Dialogwand weitere Ideen öffentlich zu machen. Sie werden nun in den nächsten Wochen vom Vorstand geprüft.

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