Weit mehr als eine Lesung

Am vergangenen Samstagabend begeisterte der Autor Patrick Tschan zusammen mit zwei Jodlerinnen das Publikum mit «Der kubanische Käser». Gemeinsam organisierten die Buchhandlung Scheidegger und Kultur Affoltern einen literarischen Abend, der wohl lange in Erinnerung bleiben wird.

Das Können der beiden Jodlerinnen Doris Hintermann (links) und Ursina Gregori im perfekten Zusammenspiel mit Autor Patrick Tschan ist – mathematisch ausgedrückt – keine Addition, sondern eine Potenz: Qualität, Professionalität und Humor hoch
Das Können der beiden Jodlerinnen Doris Hintermann (links) und Ursina Gregori im perfekten Zusammenspiel mit Autor Patrick Tschan ist – mathematisch ausgedrückt – keine Addition, sondern eine Potenz: Qualität, Professionalität und Humor hoch drei. <em>(Bild Regula Zellweger)</em>

Patrick Tschan las zum ersten Mal in Affoltern. Was er sich im Vorfeld gewünscht hatte – «engagierte Organisatoren, gute Menschen, gutes Publikum, keine Hochnasen» – erfüllte sich. Die Stimmung in der Buchhandlung war fröhlich, es wurde viel gelacht und die Zeit verflog viel zu schnell.

Vera und Rolf Waeger, literaturaffine, pensionierte Lehrpersonen, die aus Schwamendingen angereist waren, schwärmten schon vor der Lesung: «Wir sind Fans von Patrick Tschan. Wir hatten einen Lachanfall nach dem anderen beim Lesen des Buches. Die Sprache ist kernig, saftig, lustig und die Geschichte lebt nicht zuletzt von Situationskomik.»

Ausgewogen und doch spannungsvoll

Wer nun Klamauk erwartete, lag völlig falsch. Patrick Tschan schafft die Gratwanderung, man lachte, aber wurde auch nachdenklich. Es geht um Krieg und Liebe, um Heimat, um Entscheide und Schicksal. Die Themen waren hochaktuell, auch wenn die Geschichte des Noldi Abderhalden im 17. Jahrhundert spielt, zur der Zeit, als spanische Truppen das Veltlin besetzten und die Bündner, Berner und Zürcher taten, was die Eidgenossen mit Vorliebe taten: Die Habsburger ärgern!

Tschan begann nach der Begrüssung durch Felix Küng von Kultur Affoltern gleich mit Lesen. Der 16-jährige Toggenburger Noldi Abderhalden wird von seiner grossen Liebe Heidi verschmäht, die mit dem Heiri liiert ist. Im Vollsuff geht er spanischen Anwerbern ins Netz und kämpft 1620 auf Seiten der Spanier in Tirano. Dort wird er zum Helden, weil er eine Kanonenkugel, die den spanischen Anführer getroffen hätte, mit seinen blanken Fäusten abfängt. Damit entscheidet Noldi diese Schlacht, denn ein vielstimmiges «Miracolo» ertönt über dem Schlachtfeld, was die Berner, Zürcher und Bündner als Zeichen sehen, dass der liebe Gott zum Feind übergelaufen ist.

Spanien – Kuba – Toggenburg

Als Held kommt Noldi nach Madrid, wo er viele Frauen beglückt. Bei der Inquisition fällt er jedoch in Ungnade. Er flieht nach Kuba und bekommt als Söldner die Aufgabe, Rindviecher zu hüten. Toggenburger Grind, einen haltbaren Hartkäse, will er machen. Dies gelingt erst, nachdem er sich mit der Ziegenhüterin Consuelo zusammentut. Sie ist eine praktische Frau, die für die Toggenburger Grinde in Kuba einen guten Preis erhandelt.

Ins Gelesene flochten sich immer wieder Sequenzen mit dem Gesang von Doris Hintermann und Ursina Gregori ein. Das Spektrum der beiden Frauen mit grosser Bühnenerfahrung als Schauspielerinnen und Sängerinnen ist immens. Vom Schweizer Alpsegen bis zum feurigen Flamenco beherrschten sie mit klaren, sicheren Stimmen das Geschehen auf und neben der Bühne. Dabei spielte eine spanische Wand eine wichtige Rolle, von wo aus die Jodlerinnen das Lesen und Erzählen von Patrick Tschan transformierten, emotional verstärkten, dem Gelesenen ein Eigenleben gaben und es mit Klängen illustrierten. Welch kräftige Bilder die beiden Frauen mit ihren Stimmen malten! Dabei nahmen sie Tschans deftige, mit Helvetismen gespickte Sprache auf. Auch sie brachten das Publikum mit Situationskomik zum Lachen.

Happy End

Es ist selten, dass ein Autor bei einer Lesung den Schluss der Geschichte preisgibt. Die Leute sollen schliesslich das Buch kaufen. Nicht so Tschan. Er weiss, dass seine Bücher gekauft werden, nicht wegen eines erstaunlichen, unerwarteten Schlusses, worauf die Handlung durch das ganze Buch hinzielt, sondern wegen seiner Sprache, seinem zugleich deftigen und feinen Humor und seiner Fantasie. Das Publikum genoss jeden Moment der Lesung.

Zum Schluss wehklagt der Noldi im Toggenburg dermassen, dass sich der Chäserrugg aus Erbarmen duckt, damit sein herzzerreissendes Rufen dem Walensee entlang bis zum Atlas erschallt, dort nach Westen abbiegt und Consuelo in Kuba erreicht. Noldi kehrt nach Kuba zurück, in die Arme Consuelos, und schwört heilig, sie nie mehr loszulassen und nie mehr so einen «Huerenseich» zu machen.

Felix Küng nahm den Ball ab, bestätigte zusammen mit dem Publikum, dass der Besuch dieser Lesung alles andere als ein «Huerenseich» war, sondern das pure Gegenteil.

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