Am Anfang war die Sonne
Sommerserie «Bauten und Menschen»: Markus Schnider und Jacqueline Ritler bauten ihr energieautarkes Traumhaus
Markus Schniders Haus ist gewissermassen der Fingerabdruck des Bonstetter Solarunternehmers. Energieautark, mit einer flächendeckenden Solaranlage im Pultdach mit 13 Grad Neigung. Als optische Finesse beschreibt die Fassade ein grosses S. Schnider sagt denn auch: «Wir wollten keinen 08/15-Bau, sondern etwas Besonderes, das uns entspricht.» Bei der ersten Besprechung mit den Architekten Tanner-Odermatt wurde das Hauptgestaltungsmerkmal festgelegt: Ein energieautarkes Gebäude mit einer möglichst grossen, nach Südwesten ausgerichteten Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Entworfen wurde ein kubisches Gebäude mit Pultdach, das optisch aus der Masse heraussticht; mit grossen Verglasungen an Süd- und Westfassade sowie Hartbetonböden und Sichtbetonwände für eine möglichst grosse Speichermasse bei Sonneneinstrahlung. Auch bezüglich Licht, Innenausstattung, Energiemanagement und technischer Finessen soll es zeigen, was heute im Hausbau möglich ist.
Das Alte musste dem Neuen weichen
Aus dem ursprünglichen Einfamilienhaus von 1956, das in keiner Weise mehr den heutigen Anforderungen an Wärmedämmung und Komfortstandards genügte, wurde so ein Vorzeigeobjekt mit Beispielcharakter. Schnider hatte das Anwesen in Affoltern vor 16 Jahren gekauft und zunächst vermietet. Als 2019 die Ölheizung ausfiel, wurde rasch klar, dass sich weder der Ersatz der Heizung noch die Sanierung der in die Jahre gekommenen Bausubstanz lohnt. So gedieh die Idee, auf der 440-Quadratmeter-Parzelle wieder ein Einfamilienhaus für den Eigenbedarf zu bauen.
Entstanden sind hinterlüftete Fassaden und grosse Fensterfronten mit ausgezeichneten Wärmedämmwerten. Eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung – bis zu 80 Prozent der Raumwärme kann so zurückgewonnen werden – sorgt für ein optimales Raumklima, das sich in jedem Bereich individuell einstellen lässt. Da genügend Fotovoltaikfläche (24 kW Peak, Tagesproduktion bis zu 110 kW/h) vorhanden ist, wurde bewusst auf eine Erdsonde zur Wärmegewinnung verzichtet. Später soll ein Akku mit adäquater Kapazität noch mehr Energieunabhängigkeit ermöglichen. Die Luft-Wasser-Wärmepumpe ist nicht aussen am Gebäude, sondern im Technikraum des Erdgeschosses installiert. Sie saugt die Luft nahezu geräuschlos über einen Schacht an und entlässt sie über einen zweiten.
Luftiger, lichter Raum
Im Inneren beeindrucken die zahlreichen offenen Räume, die alle in einen Lichthof münden; ein Atrium, das sich von der Stube bis unters Dach erstreckt. Es wird durch die seitliche Fensterfront erhellt und vermittelt ein Gefühl von Offenheit. Die hohe Rückwand wie auch der Fussboden bestehen gestalterisch frech aus blankem Beton. «Wir wollten das Handwerk möglichst unbehandelt zeigen», erklärt Schnider. Auffallend ist, wie nahtlos sich die Innendekoration, das Licht- und das Farbkonzept fügen. «Wir hatten eine klare Aufgabenteilung. Ich kümmere mich um die ganze bautechnische Hardware, Jacqueline ist für den Innenausbau zuständig», erklärt der Unternehmer. Die gestalterische Harmonie verrät, dass auch Ritler vom Fach ist. Sie war Designerin für Messestände. Mittels PowerPoint-Präsentation hat sich den Innenraum des Hauses entworfen. Die grosszügige Küche mit der grossen Kochinsel; die Einbauschränke, die als solche nicht zu erkennen sind; die gediegene Ausstattung der Bäder; die geschmackvolle Dekoration von Wänden und Gängen mit den passenden Bildern und Gegenständen. Sie sagt: «Ich war ständig auf der Suche nach Ideen, die ich dann mit Markus besprochen habe. Wir haben stets sofort entschieden, entweder angenommen oder verworfen, um rasch vorwärtszukommen.» Zuerst entstand ein Farbkonzept, bestehend aus fünf Grundfarben. «Bei den Materialien habe ich mich von Luzia Kurt, Wohndesignerin in Obfelden, beraten lassen. Sie hat mir auch die Farbmuster gemacht. Fürs Licht haben wir eine Lichtdesignerin engagiert. Die Zusammenarbeit mit versierten Fachleuten hat uns viel Zeit und böse Überraschungen erspart», ist Ritler überzeugt.
Wie von Geisterhand
Und Schnider ergänzt: «Auch bei den Handwerkern haben wir Leute aus der Region berücksichtigt, die es gut miteinander können. Das hat uns vor Leerläufen bewahrt und sicherte uns qualitativ hochwertige Arbeit.» Die Steil-, Flachdach- und hinterlüftete Fassadenbekleidung sowie die Fotovoltaikanlage wurden durch die eigenen Mitarbeiter ausgeführt. Gesteuert wird die Haustechnik über Apps, die Luca, der Sohn von Jacqueline, der als UX-Designer arbeitet, auf iOS portiert hat. Die vordefinierten Lichtszenen können entweder über ein iPad, iPhone oder auch mit Sprachbefehlen an Siri ausgelöst werden, was in der Demonstration sehr gut funktionierte. Zur Auswahl stehen «Ambiance», «Essen», «Arbeiten», «Tageslicht», «Terrasse hell». Jeder Wohnbereich besitzt eine individuelle Temperatur- und Lichteinstellung. Dabei werden auch die Jalousien integriert. Selbstverständlich können die Heizung, das Licht und die Alarmanlage auch von unterwegs überwacht und eingestellt werden. Nur wohnen muss man noch selbst.