Archäologisch am besten erforscht
In keiner anderen Ämtler Gemeinde sind so viele archäologischen Gegenstände gefunden worden wie in Aeugst. Dies liegt allerdings nicht daran, dass die Sonnenterrasse früher dichter besiedelt gewesen wäre als andere Teile des Knonauer Amts, sondern an einer systematischen Suche.

Der archäologische Grabungstechniker Johannes Weiss lebt seit seiner Geburt in Aeugst. Wenn in Aeugst gebaut wird, geht er oft bei der Baugrube vorbei, um Keramikscherben und andere archäologischen Fundgegenstände zu suchen, zeichnet die Fundlage systematisch auf und sendet sie samt der genauen Beschreibung der Staatsarchäologie ein. Johannes Weiss verfügt über jahrzehntelange Erfahrungen als Leiter von Ausgrabungen. Zuerst führte er Grabungen im Kanton Aargau durch, anschliessend im Kanton Zürich und schliesslich 25 Jahre lang im Kanton Zug. Dadurch verfügt er über umfassende Kenntnisse der ganzen Region, die – in archäologischen Dimensionen gedacht – erst seit sehr kurzer Zeit politisch so wie heute unterteilt ist.
Kühlere Witterung als im Reusstal
Aeugst war kaum stärker besiedelt als das Reusstal, im Gegenteil. Würde dort so systematisch gesucht, wie Johannes Weiss dies hier sicherstellt, würde wohl noch mehr gefunden, denn der Zugang zu Wasser war immer ein entscheidender Grund für die Ansiedlung von Menschen. Ein anderes Kriterium ist die Temperatur: Aeugst ist windiger und kühler als das tiefer gelegene Reusstal und war daher in landwirtschaftlich geprägten Epochen weniger attraktiv.
An den Sondierungsgrabungen anlässlich des Baus der A4 war Johannes Weiss beteiligt. Derzeit werden im Bereich des Terrains des geplanten Autobahnzubringers im Raum Obfelden-Ottenbach Sondierungsgrabungen durchgeführt, doch sind Strassenbauten und Bauvorhaben in archäologischen Schutzzonen meist der einzige Grund, dass die Archäologie des Kantons Zürich im Rahmen ihres bescheidenen Budgets im Bezirk Affoltern gräbt. So bleibt es der persönlichen Initiative eines Fachmanns überlassen, in Aeugst dafür zu sorgen, dass diese Gemeinde zu den archäologisch am besten erforschten weitherum zählt.
Besiedlung seit 10’000 Jahren
Johannes Weiss hat bisher neun Fundstellen in Aeugst beschrieben. Sein erster Fund hat ihn auf den beruflichen Weg zum archäologischen Grabungstechniker geführt, und er ist gleichzeitig der wohl bedeutendste: Als Primarschüler hat er einen Silex Feuerstein gefunden. Sein Lehrer, Ernst Forster, erklärte den Schülern einige Fundgegenstände, darunter auch Feuersteine, und forderte die Bauernkinder auf, bei der Arbeit auf dem Acker auf solche Gegenstände zu achten. Johannes fand einen schön bearbeiteten Silex, zeigte ihn dem Lehrer und ging dann damit ins Landesmuseum. Dort wurde der Stein erfasst und er durfte ihn als Lohn behalten.
Wichtig an diesem Stein, der vermutlich aus der Mittelsteinzeit stammt, also 8000 bis 12’000 Jahre alt sein dürfte, ist seine Bearbeitung: Es handelt sich um einen so genannten Nukleus, ein Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Klingen entstand. Dies bedeutet, dass in Aeugst ein Silex bearbeitet wurde, der nicht hier gefunden werden konnte, sondern höchstens an den Lägern oder in einem weiter entfernteren Teil der Jura-Gebirge. Dies lässt einerseits auf eine zumindest zeitweise Besiedlung in der Mittelsteinzeit und auf Handel mit wertvollen Rohstoffen wie beispielsweise Silex schliessen.
Quellen ziehen Menschen an
Später hat Johannes Weiss mehrmals Keramikreste aus der Bronzezeit gefunden. In dieser klimatisch eher günstigen Phase vor etwa 3000 bis 4000 Jahren entstand dank der Nutzung von Bronze mehr Wohlstand, die Bevölkerung wuchs, was zu einer Ausdehnung der Siedlungen führte. Es ist anzunehmen, dass Aeugst spätestens seit dieser Zeit kontinuierlich besiedelt worden ist, denn auch aus der nachfolgenden Eisenzeit hat Johannes Weiss verschiedene Fundgegenstände entdeckt.
Ein wichtiger Fund aus der Römerzeit ist ein Strässchen unterhalb der Kirche, das neben einfachen Gebäudespuren weiter nördlich darauf hinweist, dass in Aeugst zu römischer Zeit möglicherweise eine kleine Siedlung bestand. Bezeichnend ist, dass sich diese beiden Fundstellen innerhalb des heutigen Siedlungsgebiets bei Quellen befinden, von denen die eine noch heute eine ausgezeichnete Wasserqualität liefert.
Kulturen im Wandel
Der Übergang von der Eisen- zur Römerzeit war fliessend. Legionäre aus Gebieten südlich der Alpen wurden im Heerlager Vindonissa, heute Windisch, einquartiert. Hier hat Johannes Weiss acht Jahre lang gegraben. Die Legionäre brachten römische Produkte und Technologien hierher und vermischten sich mit der Bevölkerung. In Aeugst ist die keltische Bevölkerung, die sich in der Bronze- und Eisenzeit hier niedergelassen hat, wohl nach und nach von der römischen Kultur erfasst worden.
Aus dem Mittelalter hat Johannes Weiss nur wenige Funde entdeckt. Die Alemannen, die nach dem Rückzug der Römischen Truppen im Jahr 401 ins Mittelland eingefallen sind, haben vermutlich zuerst das Reuss- und das Jonental erobert. Bei Unterlunnern wurden vergrabene römische Schätze entdeckt, die vor einfallenden Alemannen gesichert wurden. Da von denjenigen, die Kenntnis vom Versteck hatten, offenbar niemand überlebte, blieb der Goldschatz bis zu seiner Entdeckung 1741 im Boden vergraben. Das rauere Klima hat Aeugst möglicherweise vor Alemannenüberfällen verschont und eine weniger blutige, fliessende Verschmelzung der keltisch-römischen mit der alemannischen Bevölkerung ermöglicht.