Auf Diebestour durchs Knonauer Amt und durch die Innerschweiz

Bezirksgericht Affoltern verurteilt «Fälleler» zu Haftstrafen

Strassenschild in Knonau: Auch hier versuchten die beiden Angeklagten, unverschlossene Autos zu öffnen, wobei sie von Überwachungskameras gefilmt wurden. Beute machten sie hier keine. (Bild Daniel Vaia)
Strassenschild in Knonau: Auch hier versuchten die beiden Angeklagten, unverschlossene Autos zu öffnen, wobei sie von Überwachungskameras gefilmt wurden. Beute machten sie hier keine. (Bild Daniel Vaia)

Das Bezirksgericht Affoltern hat zwei nordafrikanische Asylbewerber wegen gewerbs- und teilweise bandenmässigen Diebstahls, wiederholter grober Verletzung elementarer Verkehrsregeln und weiterer Delikte zu Freiheitsstrafen von 13 und 27 Monaten verurteilt. Die Strafen wurden bedingt bzw. teilbedingt ausgesprochen. Zudem wurde gegen beide Männer eine Landesverweisung von je fünf Jahren ausgesprochen und die gleichzeitige Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem. Dazu kommen bedingte Geldstrafen von 25 Tagessätzen à 10 Franken und eine Busse von 100 Franken (beide sind quasi mittellos), eine Schadenersatz-Pflicht in der Höhe einiger Tausend Franken sowie Gerichtskosten.

Die Delikte, die die beiden in der kurzen Zeit zwischen September und Dezember 2024 begingen, füllten am Schluss zwölf Aktenordner. Selbst als bereits Strafuntersuchungen gegen sie im Gang waren, delinquierten sie weiter. Vier Mal wurden sie in dieser Zeit verhaftet und wieder freigelassen, erst beim fünften Mal, Ende Dezember, wurden sie bis auf Weiteres in Untersuchungshaft gesetzt.

Mit dem Urteil folgte das Gericht unter dem Vorsitz von Andreas Huber weitgehend den Anträgen der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis. Nur bei der Länge der Landesverweisung blieb es klar unter den beantragten 10 und 12 Jahren.

Zum Prozess erschien nur der Hauptbeschuldigte Amir Benali (Name geändert), ein 26-jähriger Algerier. Der Mittäter, ein 30-jähriger Marokkaner, der mit der kleineren Strafe davon kam, hat die Schweiz nach Aufenthalten in der U-Haft und der Ausschaffungshaft vor einiger Zeit mit unbekannter Adresse legal verlassen.

Diebestouren in den Kantonen Schwyz, Obwalden und Zürich

Benali war im September 2024, kurz vor seiner Deliktserie, nach eigenen Angaben über Spanien und Deutschland in die Schweiz eingereist, wo er einen mittlerweile abgelehnten Asylantrag stellte. Damals verwendete er einen anderen Namen und ein anderes Geburtsdatum und gab an, aus Libyen zu stammen. Untergebracht war er in der Asylunterkunft in Embrach.

Vor dem Gericht in Affoltern bezeichnete er sich als gelernten Coiffeur, eine Tätigkeit, die er später gerne in Frankreich ausüben möchte, wo Verwandte lebten. Ansonsten schwieg er zu den vorgehaltenen Delikten. «Ich verweigere die Aussage», liess er jeweils emotionslos über den anwesenden Arabisch-Dolmetscher ausrichten. Das galt auch für Delikte, die er bei der Hafteinvernahme noch bestätigt hatte.

Benali und sein Kollege waren laut Anklage im Herbst letzten Jahres in Schwyz, Brunnen, Rickenbach und Ibach (alle Kanton Schwyz) sowie in Kerns (OW) und in Knonau als sogenannte «Fälleler» unterwegs. Dabei versuchten sie wahllos, nicht verschlossene Autos zu öffnen (durch Betätigen der Türfallen), um aus ihnen Wertgegenstände zu stehlen. In zwei Fällen schlugen sie auch Autoscheiben ein. Ihre Taten konnte die Staatsanwaltschaft mittels Videoaufnahmen, DNA-Spuren und Fingerabdrücken zumindest teilweise belegen. Als weiterer Beweis dienten rund 30 gestohlene Gegenstände, die man bei den beiden fand. In der Anklageschrift sind unter anderem erwähnt: eine Swatch-Uhr, Apple-AirPods, zwei Sonnen- und eine Lesebrille, ein Mobiltelefon Samsung, ein Fingerring, etwas Bargeld – bis hin zu drei Socken, einem Auto-Duftspray und einem «Kägi, Praliné des Alpes, milk, angebraucht». Dazu kommt Bargeld in der Höhe von insgesamt 529 Franken sowie 10 Euro.

Objektiv gesehen waren die beiden nicht sonderlich erfolgreich. Da sie als (damalige) Asylbewerber mit einem Sackgeld von wöchentlich ein paar Franken über die Runden kommen mussten, hatte die Beute für sie jedoch eine grosse Bedeutung. Das Gericht sah daher – im Sinne der Anklage – den Tatbestand des gewerbs- und teilweise bandenmässigen Diebstahls als erfüllt an; dieser kann mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.

Mit 141 km/h durch den Sonnenberg-Tunnel

Neben ihren «Fälleler»-Touren waren sie zwei Mal mit entwendeten Fahrzeugen unterwegs. Am Steuer sass jeweils der Hauptbeschuldigte Benali, der keinen Führerschein besitzt. Beide Male war er phasenweise so halsbrecherisch unterwegs, dass es laut Anklage zu «schweren Verkehrsunfällen mit Verletzten und/oder Toten» hätte kommen können.

Den ersten Wagen entwendeten die beiden Mitte September in Kerns. Der BMW mit Obwaldner Kennzeichen war unverschlossen, die Schlüssel befanden sich in der Mittelkonsole. Mit dem Auto rasten die beiden in der Folge am frühen Morgen, kurz nach 4 Uhr, mit massiv überhöhter Geschwindigkeit durch den Sonnenberg-Tunnel in Luzern. Dabei wurde sie mit 141 km/h geblitzt, erlaubt wären 80 km/h. Kurz vor 8 Uhr fielen sie einer Patrouille der Kantonspolizei Schwyz auf. Diese nahm in Moutathal mit eingeschalteter Sirene, Blaulicht und der Matrix «Stopp Polizei» die Verfolgung auf, verlor das flüchtende Duo aber bei Ried aus den Augen. Der entwendete BMW wurde später in Schwyz gefunden.

Noch gefährlicher war die zweite Tour Anfang Dezember letzten Jahres. Mit einem in Basel entwendeten Fiat mit Urner Kennzeichen fuhr Benali mit dem Mitangeklagten Richtung Zürich. Dabei wurden sie laut Anklage auf der Autobahn A3 von einer Patrouille des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) verfolgt. Zunächst überholte Benali verbotenerweise ein Fahrzeug rechts. Und als die BAZG-Patrouille auf der Höhe Rheinfelden (AG) den Verkehr auf der Autobahn künstlich verlangsamte, überholte Benali auf dem Pannenstreifen mindestens ein Dutzend Fahrzeuge, bevor er wieder auf die Überholspur wechselte und weiter raste. Gestoppt wurden die beiden schliesslich bei der Ausfahrt Eiken (AG) durch eine Strassensperre der Kantonspolizei Aargau. Nachdem Benali noch an einer Polizistin mit Haltekelle vorbeigefahren war, wurde sein Wagen durch eine Nagelgurte gestoppt. Eine anschliessende Flucht zu Fuss beendeten die Polizisten nach wenigen Metern.

Diebstahlversuchein Knonau

Dass der Prozess im Kanton Zürich stattfand, obwohl fast alle Delikte in anderen Kantonen begangen wurden, hat prozessuale Gründe. Das Fälleler-Delikt in Knonau war das erste, das angezeigt wurde – somit musste der Fall von den Zürcher Behörden bearbeitet werden. In Knonau, an der «Bergli»-Strasse, hatten die beiden in einer Nacht Anfang September erfolglos versucht, einen verschlossenen Volvo und einen VW zu öffnen. Dabei waren sie von Überwachungskameras gefilmt worden.

Im Prozess in Affoltern versuchten die Verteidigerin und der Verteidiger der beiden Angeklagten, deren Diebestouren als einfachen Diebstahl darzustellen. Nicht immer habe man klare Spuren gefunden und auf den vorgelegten Videos könne man nicht immer erkennen, wer was mache. Zudem sei die Deliktsumme manchmal lächerlich gering (in einem Fall sind es zwei Franken), mehrere Male sei es beim Versuch geblieben. Von einem gewerbemässigen Vorgehen könne daher nicht die Rede sein. Und die Türfalle an einem Auto zu bewegen, sei noch keine Straftat. In die Autos seien sie nur eingestiegen, um Schutz vor dem Wetter und den Temperaturen zu suchen und dort zu schlafen. Überdies seien beide nicht vorbestraft. Auch von einer Landesverweisung sei abzusehen. – Kaum Einwände gab es gegen die Verkehrsdelikte: Sie waren durch Radaranlagen, Verkehrsüberwachungskameras und Polizeivideos zu gut dokumentiert.

«Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigt»

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verwies im Prozess auf die «erdrückende Beweislage» gegen die beiden Nordafrikaner. Es seien genau Fälle, wie die vorliegenden, welche «das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigen» – und darüber hinaus einen riesigen Aufwand verursachen.

Das Gericht blieb schliesslich mit der Freiheitsstrafe von 27 Monaten für Benali nur drei Monate unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Davon hat der Algerier bisher 12 Monate in U-Haft und dem vorzeitigen Strafvollzug abgesessen. Der Vollzug der übrigen 15 Monate wurde aufgeschoben, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Benali soll nun ans Migrationsamt überstellt werden. In seinem sehr kurzen Schlusswort erklärte er, er habe seine Fehler erkannt und aus ihnen gelernt. Er sagte es ebenso emotionslos, wie er zuvor die Fragen des Gerichts beantwortet hatte.

Gegen das Urteil kann Rekurs eingelegt werden, es gilt die Unschuldsvermutung.

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