«Aus der Kontroverse entstehen neue Ideen»

Workshop der Standortförderung im Rahmen eines WSL-Forschungsprojekts

Das visuelle Ergebnis des Workshops: Eine Zeichnung, in der alle Ideen bunt nebeneinander Aufnahme gefunden haben. (Illustration Balz Schlegel)

Das visuelle Ergebnis des Workshops: Eine Zeichnung, in der alle Ideen bunt nebeneinander Aufnahme gefunden haben. (Illustration Balz Schlegel)

Mit der spontan gezeichneten Visualisierung vor Augen liessen sich Visionen konkretisieren. (Bild Yuri Schmid)

Mit der spontan gezeichneten Visualisierung vor Augen liessen sich Visionen konkretisieren. (Bild Yuri Schmid)

Die Standortförderung beteiligt sich an einem Projekt der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, unter dem Titel «Energiewende durch integrierte regionale Entwicklung». Dazu hat Ende Mai ein Workshop stattgefunden, dessen Ergebnisse nun auf einer digitalen Ausstellung nachvollzogen werden können. Der «Anzeiger» hat dazu ein Gespräch mit den Verantwortlichen geführt.

«Anzeiger»: Beginnen wir mit dem Projekt der WSL, an dem sich die Standortförderung Knonauer Amt beteiligt: Welche Zielsetzung verfolgt es?

Matthias Buchecker: Wir wollen die Energiewende durch gemeinsame Visionen der regionalen Landschafts- und Raumentwicklung fördern. Mit Unterstützung des Nationalfonds und der Slowenischen Forschungs-Akademie untersuchen wir in der Schweiz und in Slowenien je zwei unterschiedliche Regionen, um zum Abschluss der Studie eine Handlungsanleitung mit Empfehlungen für Regionen vorlegen zu können. In der Schweiz haben wir neben dem Knonauer Amt die Region Albula ausgewählt. In allen Regionen werden Visionierungsprozesse durchgeführt, die durch Befragungen vor- und nach den Interventionen evaluiert werden.

Božana Vrhovac: Im Knonauer Amt wurde im April 2023 die Vorbefragung verschickt, und fast ein Viertel der etwa 3000 angeschriebenen Personen haben den Fragebogen beantwortet. Dies ist ein sehr hoher Wert, der bestätigt, dass wir die Region zu Recht ausgewählt haben.

Welche Motivation führte zur Beteiligung der Standortförderung?

Johannes Bartels: Mich interessieren weniger die theoretischen Erkenntnisse der Studie als der praktische Nutzen für die Energieregion Knonauer Amt. Verschiedene Regionen im Kanton Zürich wie Schlieren, die Flughafenregion oder Dübendorf, aber auch Zug, haben sich bereits als Innovationsstandorte positioniert. Wir müssen uns unsere eigene Positionierung überlegen. Dieser strategischen Herausforderung dient die Teilnahme am Projekt.

Wo steht die Region in diesem Prozess?

Bartels: Vor zwanzig Jahren provozierte die Autobahnplanung durch das Säuliamt die Frage: Was macht die Autobahn mit unserer Region und was wollen eigentlich wir? Daraufhin wurde 2003 erstmalig ein regionales Leitbild entwickelt, woraus die heutige Standortförderung entstanden ist. Heute fordert uns unter anderem die Energiewende heraus. Bis heute ist das Knonauer Amt trotz A4 ländlich-idyllisch geblieben, gleichzeitig innovativ, eine stark wachsende Wohnregion und rangiert schweizweit unter den top-twenty Wirtschaftsregionen.

Welche Funktion erfüllte in diesem Rahmen der Visionierungsworkshop in Affoltern?

Vrhovac: Es geht darum, lebenswerte Räume zu entwickeln. Eine Diskrepanz zwischen den Wünschen der Bevölkerung und den Absichten der Planung ist unübersehbar. In diesem Visionierungsworkshop wollten wir in Kombination mit der Befragung herausfinden, was die Bevölkerung sich für die regionale Entwicklung und Energieversorgung wünscht. Während acht Stunden haben knapp 50 Teilnehmende aus allen Bereichen der Bevölkerung in neun Gruppen intensiv gearbeitet. Ein Illustrator hat geholfen, das ganze greifbar zu machen. Diese Visionierung schafft eine hervorragende Grundlage, auch bezüglich der Kontroversen, die selbstverständlich, wie in jedem demokratischen Prozess, bestehen.

Buchecker: Wir teilten den Workshop in drei Teile ein. Zuerst formulierten die Teilnehmenden spontane, ­individuelle Wünsche an die Zukunftsentwicklung. In der zweiten Phase fand ein Austausch dieser Anliegen in den Gruppen statt. Abschliessend präsentierten die Gruppen im Plenum ihre soeben erarbeiteten Vorstellungen und Visionen. Der Illustrator setzte alles spontan zeichnerisch um und unterstützte so die Erarbeitung einer gemeinsamen ­Vision.

Hat der Workshop die Erwartungen ­erfüllt?

Bartels: Wir sind mit dieser Methode erstaunlich weit gekommen. Während verbale Visionen in den Wolken bleiben können, muss man sie auf der Karte auf den Punkt bringen. Die inhaltlichen Ergebnisse haben die allgemeine Stossrichtung der Standortförderung bestätigt. Wir haben nun viele Ideen, auch solche, die sich – gelinde gesagt – noch in den Sternen befinden, etwa die Vorstellung von Gemeindefusionen oder einer Slow-Motion U-Bahn, die überall Ein- und Aussteigen zulässt. Dies ist ein Beispiel einer durchaus kontrovers aufgenommenen Vision, doch aus der Kontroverse können neue Ideen entstehen.

Neu ist die Dimension, den Tourismus verstärkt anzuschauen, eingebracht worden. Bestätigt hat der Workshop die Arbeit in den Bereichen Energie und Natur. Unbestrittenes Ziel ist eine verstärkte Zusammenarbeit der Gemeinden. Wenig kontrovers war auch, dass der Innovations-, Bildungs- und Forschungsstandort Knonauer Amt gestärkt werden soll. Eine konkrete Frage war: Könnte man nicht etwas machen am Standort von Obi? Die Antwort darauf ist nicht einfach, denn die Region hat keinen verbindlichen Einfluss darauf, doch gerade deshalb ist die Frage sehr spannend.

Buchecker: Auch für uns war der Workshop sehr wertvoll. Wir konnten bereits konkrete methodische Erkenntnisse gewinnen.

Welches sind die nächsten Schritte?

Bartels: Wir müssen nun die Ideen, die formuliert und gezeichnet wurden, darauf abklopfen, was realistisch und sinnvoll ist. Anschliessend werden wir Massnahmen definieren und priorisieren. Finanziell werden wir dabei von der kantonalen Standortförderung unterstützt. Dies unterstreicht, dass unser Wille, eine Vorbildregion zu sein, auch ausserhalb unseres Bezirks auf Anerkennung stösst.

Zweiter Workshop im November

Am Gespräch beteiligten sich: Johannes Bartels, Geschäftsleiter Standortförderung Knonauer Amt; Matthias Buchecker, Senior Scientist Forschungseinheit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der eidg. Forschungsanstalt WSL, Projektleiter; Božana Vrhovac, Doktorandin ETH, Raumplanung, Stadtplanung und Räumliche Entwicklung, Projektmitarbeiterin. Die Ergebnisse des Workshops werden präsentiert auf vision2050ka.ch. Im November wird die Arbeit im Rahmen eines zweiten Workshops fortgeführt. (red)

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Blick aus der Luft auf das Quartier in Wettswil, das in absehbarer Zeit überbaut werden soll. (Bild CH Media)
Bezirk Affoltern14.07.2025

Umstrittene Quartierzufahrt kommt vors Volk

Die Wettswiler Stimmberechtigten fällen im November an der Urne einen Vorentscheid zur Zufahrt zum Quartier Weierächer-Grabmatten.
Bezirk Affoltern14.07.2025

Verständnis für strengeres Regime am Türlersee

Parkgebühren und Anti-Quaggamuschel-Massnahmen problemlos akzeptiert
Bezirk Affoltern14.07.2025

Die schnellsten Wege von der Bestellung bis ins Regal

Sommerserie (1): Wie funktioniert eigentlich ... ein Volg-Laden?