«Bin für Landwirtschaft zuständig»
Martin Haab (SVP) ist aktuell der einzige Nationalrat aus dem Säuliamt – so politisiert er

Herr Haab, Sie politisieren seit 2019 als Zürcher SVP-Nationalrat in Bern. Was war Ihr wichtigstes Thema in der vergangenen Legislaturperiode?
Martin Haab: Ich habe mich 2021 an vorderster Front und als Gesicht des Gegenkomitees bei der Trinkwasser-Initiative und Pestizid-Initiative engagiert.
In den vergangenen vier Jahren haben Sie selber zwei Motionen eingereicht. Die eine mit dem Titel «Importverbot für tierquälerisch erzeugte Stopfleber», die nun an der Herbstsession behandelt wurde. Worum ging es Ihnen dabei?
In der Schweiz ist seit über 40 Jahren das Zwangsstopfen von Enten und Gänsen verboten. Dabei werden die Tiere mit einem Metallrohr zwangsgefüttert und die Leber schwillt dadurch um das Zehnfache an. Solche Stopfleberprodukte werden vor allem in der französischen Küche als Delikatesse konsumiert. In der Schweiz sind solche Stopfleberprodukte aus dem Ausland immer noch erhältlich. Für mich als Schweizer Nutztierhalter, der die hohen Anforderungen unseres Tierschutzgesetzes täglich erfüllen muss, ist mit dieser Produktionsform eindeutig eine rote Linie überschritten. Aus tierschützerischer Sicht wollte ich den Import dieser Produkte verbieten.
Die Motion wurde aber nur verändert angenommen?
Ja. Das hat mit den Linken und Grünen aus der Westschweiz zu tun, die kein Importverbot wollen. Stattdessen muss nun deklariert werden, dass es sich um eine Stopfleber aus tierquälerischer Haltung handelt. Das Resultat zeigt die Scheinheiligkeit der Linken. Sie fordern immer mehr Umwelt- und Tierschutz. Wenn es aber ihre eigenen Wähler betrifft, die anscheinend gerne Foie gras essen, machen sie einen Rückzieher.
Es gibt aber auch eine gute Zusammenarbeit mit den Grünen, oder?
Ja. Ich bin Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, wo es auch um Lebensmittelvorschriften, Tierschutz oder Gentechnik geht. Dort arbeite ich situativ mit der Nationalrätin Meret Schneider von den Grünen zusammen. Wir unterstützen uns bei gewissen Themen im Bereich Tierschutz oder Lebensmittel gegenseitig.
Sie haben nun im August Ihre zweite Motion eingereicht. «Verschiebung der Einführung von 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche (BFF) um ein Jahr». Was ist die Thematik?
Der Bund will auch auf den besten Ackerflächen verbindlich vorschreiben, dass 3,5 Prozent davon als BFF auszuscheiden sind. Bisher sind 7 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bei allen Betrieben Pflicht. Schweizweit sind es jedoch bereits 19 Prozent BFF. Die Bauern haben somit auf freiwilliger Basis weitere 12 Prozent für den Artenschutz und die Natur ausgeschieden.
Was will ihre Motion im Kern?
Die Vorschrift hätte schon auf den 1. Januar 2023 kommen sollen. Das wurde aber auch wegen des Ukrainekrieges vom Bund um ein Jahr verschoben auf den 1. Januar 2024. Der Bundesrat machte sich Sorgen wegen der unsicheren Versorgungslage mit Lebensmitteln. Der Vollzug von Direktzahlungsregelungen liegt bei den Kantonen und dort wusste niemand, wie genau diese überstürzten Massnahmen des Bundes umgesetzt werden sollen. Ich will, dass die Vorschrift erst auf den 1. Januar 2025 in Kraft tritt und zuvor genau analysiert werden muss, wie diese genau umgesetzt werden soll und wie die Zuständigkeiten geregelt sind.
Die Bauern wehren sich immer gegen strengere Regelungen in der Landwirtschaft. Ist es aber nicht nötig, die Biodiversität zu fördern? Denn unbestritten sterben immer mehr Insekten aus und Vogelarten verschwinden.
Ich begrüsse es, dass die Biodiversität gefördert wird. Es braucht jedoch nicht noch mehr Flächen, sondern die bestehenden BFF müssen eine höhere Qualität aufweisen. Dies würde der Artenvielfalt entgegenkommen. Das heisst aber für die Bauern auch, dass sie diese Flächen mit mehr Sorgfalt als bisher pflegen müssen. Eine vom Bundesamt für Umwelt in Auftrag gegebene Studie zeigt klar auf, dass die Landwirtschaft wesentlich weniger verantwortlich ist für den Insektenschwund als bisher angenommen. Strahlenbelastung, Bevölkerungswachstum, Lichtemissionen sowie das Versiegeln der Landschaft sind Faktoren, die viel stärker berücksichtigt werden müssen. Diese Studie gelang bisher leider noch nicht an die breite Öffentlichkeit, was ich unlängst mit einer Interpellation beim Bundesrat bemängelte.
Als langjähriger Landwirt, der stets draussen in der Natur ist und mit der Natur arbeitet: Was sagen sie zum Klimawandel?
Es gab auch schon früher immer wieder Hitzewellen. Aber ich selber bemerke natürlich auch, dass sich die Ereignisse wie Hitze und Trockenheit häufen. Ich will den Klimawandel überhaupt nicht verniedlichen. Es stellt sich für mich jedoch die Frage, wie gross der menschengemachte Anteil ist.
Wie wird die Landwirtschaft auf den Klimawandel reagieren?
Hier in unserem Gebiet wird man mit den Veränderungen gut umgehen können. Bei unseren Feldern in Mettmenstetten ist der Wassermangel in der Regel kein Thema. Wir müssen in Zukunft aber auf neue, hitzeresistente Pflanzen oder Sorten setzen. Wie beispielsweise auf die Kleeart Luzerne, welche ein Tiefwurzler ist und gut mit Trockenperioden umgehen kann. In unserer Gegend werden bereits Versuche mit neuen Futterpflanzen gemacht. Zum Beispiel mit der Hirsenart Sorghum oder mit dem mehrschnittigen Sudangras.
Sie sind in Bern vor allem bei landwirtschaftlichen Themen präsent. Müssten Sie nicht viel mehr die grossen Themen wie Energiewende, Gesundheitskosten oder Migration im Blick haben und sich dazu äussern?
Wir haben in der Fraktion jeweils Spezialisten zu den einzelnen Themen. Es ist nicht so wichtig, dass sich jeder in allen Themen federführend auskennt. In der SVP-Fraktion bin ich beispielsweise für landwirtschaftliche Themen zuständig. Hier habe ich das Fachwissen und die praktische Erfahrung. Meine Fraktionskollegen hören hier auf meine Meinung und Fachkenntnisse, die sie nicht haben.
Die SVP geht einmal mehr mit dem Thema Asyl in den Wahlkampf. Dazu müssen Sie eine Meinung haben, welche?
Wir haben eine Überbevölkerung. Wenn wir die Einwanderung nicht stoppen, steuern wir auf eine Schweiz mit zehn Millionen Einwohnern zu. Das geht nicht. Es kommen zu über 90 Prozent nicht Flüchtlinge aus Kriegsgebieten zu uns, sondern Wirtschaftsflüchtlinge, die hier ein besseres Leben suchen.
Also: Sie sind schon dafür, dass die Schweiz Flüchtlinge aufnimmt?
Ja, aber gemäss der Genfer Flüchtlingskonvention. Also wer an Leib und Leben bedroht ist, soll bei uns vorübergehend Schutz finden. Aber Arbeitsmigranten ohne Perspektive auf Aufnahme nicht. Hier müssen wir regulieren. Denn die Situation verschärft sich. Die Wohnungsnot nimmt in der Schweiz zu. Die günstigen Wohnungen, auch von Schweizern gesucht, werden als Asylunterkünfte genutzt und die Sozialausgaben für Gemeinden, Kantone und den Bund explodieren ins Uferlose – das geht langfristig nicht gut.
Was ist Ihre Lösung, um das Problem in den Griff zu bekommen?
Die EU-Aussengrenzen müssen geschützt werden. Die Geflüchteten sollen an den Aussengrenzen einen Antrag auf Asyl stellen und nicht einfach nach Europa gelangen. Es ist auch denkbar, dass schon in den Herkunftsländern vor Ort geprüft wird, ob jemand überhaupt ein Anrecht auf Asyl in Europa hat.
Zurück in die Schweiz, ins Säuliamt. Was können Sie als Nationalrat für die Region hier in Bern oben bewirken?
Direkt kann ich nicht Einfluss nehmen, das ist illusorisch. Wir machen Politik, welche die ganze Schweiz betrifft. Aber ich kann punktuell durchaus Einfluss haben. Beispielsweise jetzt, wenn der Bund wie geplant auch Autobahnen mit Solarpanels bestücken will. Auch auf dem Autobahnabschnitt im Säuliamt ist dies geplant. Hier kann ich als Nationalrat sicher auf die SVP-Fraktion Einfluss nehmen, dass die Autobahn im Säuliamt berücksichtigt wird, sodass dort Solarpanels installiert werden.
Alle Säuliämtler Kantonsräte haben ein Postulat unterschrieben, das einen Viertelstunden-Takt zwischen Zürich, Affoltern am Albis und Zug fordert. Unterstützen sie dieses Anliegen als Nationalrat?
Das ist meiner Meinung nach nicht nötig. Ich sehe diese Züge in beide Richtungen nicht überfüllt. Ich finde viel mehr, wir müssen das Mobilitätsverhalten verändern.
Wie genau?
Ich habe mich als damaliger Kantonsrat für einen Kantonsschulstandort Affoltern eingesetzt, was nun ja Realität wird. Denn bisher fahren gerade am Morgen viele Schüler aus dem Säuliamt nach Urdorf in die Kantonsschule. Diesen Pendlerstrom kann man nun brechen.
Sie stehen auf der SVP-Hauptliste auf dem achten Platz. Bisher hat die SVP im Kanton Zürich zehn Nationalratssitze. Wie gross sind Ihre Chancen auf die Wiederwahl?
Früher musste ich sicher mehr zittern. Ich sehen gute Chancen, aber abgerechnet wird am 22. Oktober.
Zur Person
Martin Haab (SVP)
Martin Haab rückte 2019 für Natalie Rickli in den Nationalrat nach. Nach rund vier Monaten im Rat wurde er bei den Nationalratswahlen 2019 wiedergewählt. Haab tritt bei den Nationalratswahlen 2023 für die SVP auf der Hauptliste auf dem 8. Platz an. Der 61-Jährige ist eidgenössisch diplomierter Landwirt. In Mettmenstetten bewirtschaftet er einen Hof mit 80 Milchkühen sowie Ackerbau (Mais, Getreide), den inzwischen sein Sohn übernommen hat. Haab ist aktuell Präsident des Zürcher Bauernverbandes. (red)