Blick in die römische Vergangenheit

Eine aktuelle Ausgrabung in Affoltern beim Sammlungszentrum des Nationalmuseums

Das nasse Herbstwetter verwandelt das aktuelle Grabungsfeld in Affoltern in ein lehmiges Sumpfgebiet. Im Bild zu sehen ist auch Grabungssleiter Daniel Möckli. (Bild Sandra Isabél Claus )
Das nasse Herbstwetter verwandelt das aktuelle Grabungsfeld in Affoltern in ein lehmiges Sumpfgebiet. Im Bild zu sehen ist auch Grabungssleiter Daniel Möckli. (Bild Sandra Isabél Claus )

Derzeit wird in Affoltern Geschichte freigelegt – ganz wortwörtlich. Auf dem Areal des Sammlungszentrums des Schweizerischen Nationalmuseums, wo in den kommenden Jahren ein Erweiterungsbau entstehen soll, gräbt ein Team der Kantonsarchäologie Zürich in die Vergangenheit. Der Boden dort birgt Zeugnisse, die womöglich bis in die späte Eisenzeit und frühe Römerzeit zurückreichen.

Das Gelände gehört zu einer sogenannten «archäologischen Zone», wie sie von der Kantonsarchäologie an verschiedenen Orten im Kanton definiert wurde. In solchen Gebieten ist aufgrund früherer Funde oder Hinweise mit weiteren archäologischen Überresten zu rechnen. Im Fall des Grundstücks beim Sammlungszentrum besteht Interesse, weil nur wenige Hundert Meter südöstlich, im Gebiet «Mettmenstetten-Grossholz», seit Längerem ein grösserer römischer Gutshof vermutet wird. Bereits 1806 fanden dort erste, nicht genau lokalisierte und kaum dokumentierte Grabungen statt. Dazu meint Daniel Möckli, kantonaler Archäologe und Grabungsleiter: «Es gibt ein paar schriftliche Notizen, dass römische Funde gemacht wurden. Später wurden auch immer wieder römische Ziegelfragmente entdeckt.» Auf Luftaufnahmen sind zudem dunkle, rechteckige Bodenverfärbungen zu erkennen – ein Indiz für ehemalige Gebäudestrukturen.

Im Umland von Zürich gab es zahlreiche römische Gutshöfe

Diese Erkenntnisse fügen sich in das grössere Bild der römischen Präsenz in der Region ein. Nach der Eroberung durch die Römer um 15 vor Christus entstanden im Umland des römischen Vicus Turicum (heutige Stadt Zürich) zahlreiche villae rusticae – römische Gutshöfe, die Landwirtschaft, Handwerk und Wohnen vereinten. Sie waren Teil eines weit verzweigten Versorgungsnetzes, das die Städte mit Lebensmitteln und Gütern belieferte. Dass sich in der Nähe des Sammlungszentrums des Schweizerischen Nationalmuseums ebenfalls ein solcher Gutshof befand, ist daher durchaus plausibel. Andere Funde in der Nähe sind gar noch älter als römisch: In den 1990er-Jahren wurde weiter Richtung Osten eine Grube mit Fundmaterial aus der Frühbronzezeit (zirka 2000−1500 vor Christus) entdeckt. All das deutet darauf hin, dass das Gebiet schon vor mehreren Tausend Jahren vom Menschen genutzt wurde – möglicherweise als landwirtschaftliche Fläche oder als Siedlungsort.

Als 2023 das Baugesuch für den Erweiterungsbau des Sammlungszentrums des Schweizerischen Nationalmuseums eingereicht wurde, reagierte die Kantonsarchäologie. Um abzuklären, ob archäologische Überreste vorhanden sind, wurde das Gelände zunächst mit Baggerschlitzen sondiert: In regelmässigen Abständen öffnete man rund vier Meter lange und einen Meter breite Gräben, um die Bodenschichten zu untersuchen. Dabei stiessen die Fachleute auf eine dunklere Schicht mit Holzkohlenfragmenten und kleinen Keramikscherben, sogenannte Anthrosol-Schichten, die auf menschliche Nutzung hinweisen. Radiokarbonanalysen einzelner Holzkohleproben ergaben, dass hier schon in der Bronzezeit, vielleicht sogar am Ende der Steinzeit, landwirtschaftlich gearbeitet wurde. In einem der Schnitte kam zudem eine Konzentration grösserer Steine zum Vorschein, die eindeutig menschlichen Ursprungs war.

Bereits im vergangenen Sommer wurde dort ausgegraben

Diese Entdeckungen führten 2024 zu einer flächigen Ausgrabung, die im letztjährigen Sommer stattfand. Dabei zeigte sich, dass die Steine Teil einer länglichen, bananenförmigen Struktur waren, die vermutlich zwischen 200 vor Christus und 100 nach Christus angelegt wurde, also zur Zeit des Übergangs von der Eisenzeit zur römischen Herrschaft. Welche Funktion hatte diese Steinsammlung? «Dies ist bislang völlig unklar. Sicher ist, dass die Steine von den Menschen hier deponiert wurden, beispielsweise um ihr landwirtschaftlich genutztes Land von Steinen zu befreien.», erläutert Daniel Möckli. Denkbar ist aber auch, dass die Steine zur Stabilisation des sumpfigen Geländes oder als Markierung von Parzellengrenzen verwendet wurden. Oder alles zusammen.

Rundliche Bodenverfärbungen, die möglicherweise auf ehemalige Pfostenstandorte hinweisen, wurden ebenso entdeckt. Um mehr Klarheit zu gewinnen, läuft seit dem 15. September eine zweite Grabungsetappe, die voraussichtlich bis Ende Oktober, allenfalls Mitte November dauern wird – abhängig von Wetter und allfällig weiteren Funden.

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