Freispruch für Architekt von Eigentumswohnungen
Bezirksgericht Affoltern weist Betrugsvorwürfe zurück

Das Bezirksgericht Affoltern hat einen Architekten vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis hatte dem Architekten und Immobilienunternehmer vorgeworfen, schwere Baumängel bewusst verschwiegen zu haben in Zusammenhang mit der Planung, dem Bau und dem Verkauf von 30 Eigentumswohnungen in einer Säuliämter Gemeinde. Die Staatsanwaltschaft beantragte dafür eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten sowie eine Busse von 3000 Franken.
Das Bezirksgericht sah das anders. Nebst dem vollumfänglichen Freispruch hat das Gericht dem Beschuldigten für die anwaltliche Verteidigung eine Entschädigung in der Höhe von 75000 Franken zugesprochen. Eine zusätzlich beantragte Genugtuung wegen psychischer Belastung und wegen eines Reputationsschadens gewährte das Gericht hingegen nicht.
Die Eigentümer hatten nach dem Bezug ihrer Wohnungen Wasserschäden geltend gemacht und eine millionenschwere Sanierung veranlasst. Die Schäden führten sie auf Fehler während der Bauphase zurück. Das Gericht stellte jedoch fest, dass ein direkter Zusammenhang (Kausalität) zwischen den beanstandeten Umständen und dem Schadensbild nicht nachgewiesen werden konnte.
Ob die Staatsanwaltschaft das Urteil anficht, ist offen. Der zuständige Staatsanwalt erklärte auf Anfrage, dass man das Urteil zur Kenntnis genommen habe und nun genau anschauen werde. Auch Christian Stoll (Tschudi Thaler Rechtsanwälte, Zürich), der Vertreter der Privatkläger (Wohnungseigentümer), will das Urteil erst prüfen und danach über das weitere Vorgehen entscheiden. Man halte alle Optionen offen, so Stoll.
«Keine arglistige Täuschung»
In dem vor einigen Tagen schriftlich veröffentlichten Urteil kommt das Bezirksgericht unter dem Vorsitz von Sabrina Hürlimann zum Schluss, dass «keine arglistige Täuschung seitens des Beschuldigten» bewiesen wurde, womit der Beschuldigte freizusprechen sei. Das Gericht folgt damit dem zentralen Antrag des Verteidigers Duri Bonin (Bonin & Langner, Zürich und Meilen). Bonin: «Das Bezirksgericht hat klar festgehalten, dass der Betrugstatbestand nicht erfüllt ist. Mein Mandant wurde vollständig freigesprochen. Das Urteil bestätigt unseren Standpunkt.»
Die in der Anklageschrift aufgeführten Anträge der Privatkläger (unter anderem Entschädigungszahlung von 7,86 Millionen Franken, zuzüglich Zinsen) wurden auf den Zivilweg verwiesen. Ob sie je eine Entschädigung erhalten, ist offen.
Hohe Sanierungskosten
Der Prozess hatte bereits im Juli stattgefunden («Anzeiger» vom 22. Juli 2025), in Abwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft. Unter den Prozessbeobachtern befanden sich damals auch sieben Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer.
Für sie geht es um sehr viel Geld. Sie hatten im Verfahren geltend gemacht, für die Behebung von Baumängeln fast 8 Mio. Franken aufgewendet und diese Kosten aus eigener Tasche bezahlt zu haben. Je nach Wohnung betrugen die Sanierungskosten zwischen 150000 und 350000 Franken. Für einige sei das existenzbedrohend gewesen, hiess es im Prozess, da sie erst wenige Jahre zuvor viel Geld für den Wohnungskauf ausgegeben hätten.
Unklare Verantwortlichkeit
Dass es beim Bau der Wohnungen zu massiven Problemen kam, ist unbestritten. Die Frage im Prozess war jedoch, was für Probleme vorliegen, wer gegebenenfalls wofür verantwortlich ist und ob allfällige Mängel von den Verantwortlichen bewusst verschwiegen wurden, um teure Folgekosten zu vermeiden. Für die Staatsanwaltschaft war die Antwort klar: Hauptverantwortlicher sei der Architekt, welcher gleichzeitig Generalunternehmer und Verkäufer war und in betrügerischer Absicht gehandelt hat. So habe er frühzeitig von den Beanstandungen Kenntnis gehabt, zumal er Miteigentümer mehrerer in die Überbauung involvierter Unternehmen war. Trotzdem, so die Anklage, habe er nichts dagegen unternommen und die Mängel bei mehreren Gelegenheiten gegenüber den Wohnungskäufern bewusst verschwiegen. Als Beleg führte die Staatsanwaltschaft in der Anklage sieben Abmahnungen an, in denen ein Aargauer Abdichtungs- und Spenglerei-Unternehmen die Unternehmen des Architekten frühzeitig auf Probleme hinwies.
Die Aargauer Firma zog die Abmahnungen allerdings später im Rahmen von Verhandlungen mit dem Architekten über Schlusszahlungen zurück und erklärte sie für gegenstandslos. Dass die Firma dabei unter (finanziellen) Druck gesetzt wurde, wie die Privatkläger darlegten, sah das Gericht als nicht erwiesen an.
Aus Sicht der Verteidigung fehlten unter dem Strich sämtliche Voraussetzungen für einen Betrug: Weder habe es eine Täuschung noch einen Schaden gegeben. Die sieben Abmahnungen seien Haftungsschreiben ohne konkrete Mängelrügen gewesen. Zudem hätten die Erwerber 2016 die Verantwortung selbst übernommen, anschliessend Fristen versäumt, ihre Baukommission von der diesbezüglichen Haftung entbunden und sogleich auch noch eine kostspielige Luxussanierung beschlossen, ohne eine Zweitmeinung einzuholen.
Das Bezirksgericht folgte schliesslich in den zentralen Punkten der Verteidigung: Es verneinte eine arglistige Täuschung und stellte fest, dass kein Vermögensschaden entstanden und kein Kausalzusammenhang nachgewiesen sei.
Komplexer Fall
Der komplexe Fall wird durch die Tatsache erschwert, dass kein unabhängiges Gutachten existiert, das eine «Kausalität zwischen dem Schadensbild und den abgemahnten Umständen nachvollziehbar und zweifelsfrei bestätigen würde» (Urteil). Ein in der Anklageschrift aufgeführtes Baugutachten, das verschiedene Mängel dokumentierte, nahm das Gericht zur Kenntnis, stufte es aber als Parteigutachten ein. Das Urteil hielt fest, dass die beigezogenen Gutachter aufgrund ihrer engen Mandatsbeziehung zu den Klägern nicht als unabhängig gelten konnten, zumal sie wirtschaftlich von den eigenen Expertisen profitierten. Auf die Einholung eines Gerichtsgutachtens verzichtete das Gericht.
Schwierig macht den Fall auch die Tatsache, dass er weit zurückreicht und sich über viele Jahre erstreckt. Planung, Bau und Übergabe der Wohnungen erfolgten 2008/2009, die millionenschwere Sanierung begann 2018. 2019 reichten die Eigentümer bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den Architekten ein, worauf das Strafverfahren anrollte und schliesslich 2024 Anklage erhoben wurde.
Wie umfangreich der Fall war, zeigen auch die Aufwendungen der Verteidigung: Insgesamt wurden 770 Stunden geltend gemacht, wobei es zu einem Anwaltswechsel kam, sodass sich die Zahl auf zwei Verteidiger verteilt. 450 Stunden entfielen auf die Verteidiger im Vorverfahren und 320 Stunden auf den aktuellen Verteidiger. Bei einem Stundenansatz von 150 bis 350 Franken ergeben sich daraus theoretisch Kosten zwischen 115500 und 269500 Franken.
Die vom Gericht schliesslich auf 75000 Franken festgelegte Entschädigung (50000 für das Vorverfahren, 25000 für die Hauptverhandlung) liegt weit unter dem geltend gemachten Aufwand. Das Gericht begründete dies damit, dass die ausgewiesenen Kosten im Vorverfahren nicht im Detail offengelegt und daher nicht nachvollziehbar waren.
Die Privatklägerschaft hatte für den Fall rund 300 Stunden aufgewendet.
Betrug noch nicht verjährt
Grundsätzlich kam das Gericht zum Schluss, dass ein Betrug in dieser Angelegenheit noch nicht verjährt ist. Die Verjährungsfrist (15 Jahre) beginne erst mit den Schlusszahlungen zu laufen, welche 2011 oder später erfolgt seien. Die Verteidigung hatte beim Prozess als Beginn der Verjährungsfrist den Dezember 2009 ins Feld geführt (Übergabe der letzten Wohnung) und dementsprechend eine Einstellung des Verfahrens verlangt. Für den Ausgang des Prozesses spielte dies letztlich keine Rolle, da das Gericht den Betrugstatbestand als nicht erfüllt ansah.