Bööggenzunft Affoltern löst sich auf und übergibt ihr Vermögen dem Kinderspital

Willy Hug: Alte und neue Geschichten aus dem Säuliamt – Serie (147)

Eine Delegation der Bööggenzunft mit Zunftmeister René Casserini übergibt Frau Aires für das Kinderspital 10011 Franken. (Bilder zvg)

Eine Delegation der Bööggenzunft mit Zunftmeister René Casserini übergibt Frau Aires für das Kinderspital 10011 Franken. (Bilder zvg)

Im Kostüm als begeisterter Bööggenzünfter: Sportreporter Hans Jucker (1946–2011).

Im Kostüm als begeisterter Bööggenzünfter: Sportreporter Hans Jucker (1946–2011).

Fasnachtsfeuer mit Bööggverbrennen auf dem Kronenplatz.

Fasnachtsfeuer mit Bööggverbrennen auf dem Kronenplatz.

Nach über 40 Jahren wurde die Bööggenzunft Affoltern aufgelöst und das Vereinsvermögen von 10011 Franken am 11. November dem Kinderspital in Affoltern übergeben. Der Betrag wurde von den Zünftern nicht nur auf die gerade Summe aufgerundet, sondern auch noch um die elf Franken ergänzt. Die Zahl elf steht bekanntlich als Narrenzahl, als symbolische Sündenzahl, da sie die Zehn Gebote überschreitet.

Jedenfalls ist der 11. November der traditionelle Beginn der Fasnachtszeit. Aber an diesem 11. November 2025 spielte auch viel Wehmut mit, denn für die Bööggenzunft Affoltern bedeutet dieser Elfte nicht wie früher die Eröffnung der Fasnacht, sondern das Ende der Zunft nach über 40 Jahren.

Alte Fotos zeigen närrisches Treiben

Im Herbst 1982 fanden sich einige Affoltemer zusammen, um den alten Fasnachtsbrauch im Bezirkshauptort wieder aufleben zu lassen und Fröhlichkeit in die grauen Wintertage zu bringen. In den 1940er-Jahren war hier der Fasnachtsbrauch weitgehend eingeschlafen. Die Kriegsjahre gaben keinen Anlass zu fasnächtlichem Treiben. Wohl gab es nachher vielerorts die Beizenfasnacht und von Vereinen und Clubs organisierte Fasnachtsbälle. Sogar alte Fotos bezeugen bereits um 1900 das närrische Treiben in Affoltern. Aus dem Jahre 1895 gibt es noch eine Fasnachtszeitung, herausgegeben von einem Fasnachtskomitee. Die Kinder zogen verkleidet mit einem Kässeli jenen Häusern nach, wo sie etwas bekamen. Sie gaben Versli wieder und manchmal gabs auch ein Guetsli. Die einfache Verkleidung war die Haube der Grossmutter, der Zylinder des Opis, ein Schleier oder ein Papier als Larve vor dem Gesicht.

Unter dem ersten Zunftmeister der neu gegründeten Bööggenzunft, Beda Blattmer, fand 1983 der erste Fasnachtsumzug statt. Wichtigen Anteil hatte auch Emil Tanner, deshalb bekam er als Erster die Ehrenzünfterwürde. Mit dem Zunftmeister Ernst Honegger folgten ab 1986 intensive acht Jahre mit zeitweise 58 Zünftern. Eingekleidet in das farbenprächtige, grüngelbe Kostüm, mit Hut und angehängter grosser Plakette. Jedes Jahr gab es eine gedruckte Agenda als Zunftorgan und am 11. jedes Monats kamen die Zünfter an einem reservierten Stammtisch zusammen.

Am 11. November eröffnete die Bööggenzunft traditionsgemäss unter Mitwirkung der Säuligugger um elf Minuten nach elf Uhr auf der Piazza Strebel mit elf Böllerschüssen die Fasnacht. Zu jedem Böllerschuss gab es eine humorvolle Nachricht zum vergangenen Affoltemer Dorfleben. Stimmung gab es, wenn die Säuligugger mit ihrer bewusst rhythmisch, blechern tönenden Musik spielten. Der Zunftmeister hielt eine humorvolle Rede, womit er auch das neue Fasnachtsmotto bekannt gab. Für das leibliche Wohl gab es eine warme Suppe aus einer Gulaschkanone (mobile Feldküche). Das Fasnachtsmotto entsprach auch dem Sujet auf der Fasnachtsplakette.

Alte Fotos zeigen, dass bereits um 1900 Musikanten den Umzug in Affoltern begleiteten. Bei den Umzügen der Bööggenzunft waren die Säuligugger am Umzug ein fester Bestandteil. Die Zunftfahne tragend, führte der legendäre Edi Messerli den Umzug mit 25 bis 30 Gruppen und Wagen an. Anstelle von Pferden, wie auf den alten Fotos, zogen jetzt Traktoren die dekorierten Wagen.

Maskenbälle, so auch der Kindermaskenball, mit den eingeladenen Kindern vom Kinderspital, bleiben unvergessen. Arthur Ebnöther organisierte diesen Anlass während vieler Jahre. Abends gab es am Maskenball im Kasino viel Stimmung und Klamauk. Steven Topham malte dekorative Kulissen und die Säuligugger sorgten für Stimmung. Mit Schnitzelbänken wie jenen von Uschi Kobelt kamen prominente oder lokale Geschehnisse auf scharfzüngige und witzige Art ins Visier.

Wer hat das grösste Fasnachtsfeuer?

Bereits früher wollte man mit dem Fasnachtsfeuer die Dämonen und böse Geister des Winters verjagen und den kommenden Frühling begrüssen. Armin Bertschinger erzählte einmal, wie die Jugendlichen der drei Dorfteile miteinander rivalisierten. Jeder Dorfteil besass sein eigenes Fasnachtsfeuer. Bereits Wochen vorher sammelte die Dorfjugend dürres Holz im Wald und mit einem Wagen erbettelten sie bei den Bauern hunderte Stauden. Das waren zusammengebundene Äste für die damals noch üblichen Kachelöfen. Es war für jeden Dorfteil der Ehrgeiz, das grösste Fasnachtsfeuer zu stellen. Wem gelang das? Dabei galt es, auf der Hut zu sein, denn die Burschen der jeweils anderen Dorfteile versuchten, des Nachts das aufgeschichtete Holz vorher anzuzünden. Gelang es den anderen dennoch, war ihnen der Spott sicher. Wurden die «Brandstifter» aber erwischt, gab es eine Tracht Prügel. Oskar Deluigi erinnerte sich daran, wie an den drei Fasnachtsfeuern Holzbesen angezündet wurden und dann wie Fackeln getragen wurden, um sie zuletzt ins Feuer zu werfen.

Nicht mehr so ruppig wie einst mit den rivalisierenden Jugendlichen ging es bei der Bööggenzunft nach 1983 zu und her. Anfänglich wurde auf dem Kronenplatz die Holzbeige von der Belegschaft des Kaminfegermeisters Messerli aufgeschichtet. Nachdem der Platz asphaltiert wurde, verlegte man das Feuer an den Dorfrand. Den Böögg darauf bauten während Jahren die Zwilliker Schützen mit Albert Suter. Zuletzt baute ihn Ruedi Schneebeli vom Wyl. Hans Jucker, der Affoltemer Sportreporter, moderierte am Kronenplatz das Geschehen. Oft war ihm die Festlaune anzumerken.

Unvergessen sind der freundschaftliche Austausch mit der Narrenzunft von Bad Dürrheim. Gegenseitige Besuche lösten einander während Jahren ab. Laut war jeweils aus dem Kasino das fröhliche «Narri – Narro» von Karl-Heinz Hornberger und seinen Narren zu hören. Die beruflichen Verbindungen von Zunftmeister Ernst Kyburz und seine Grosszügigkeit ermöglichten einen regen Austausch. Das alte Salzstädtchen Bad Dürrheim im Schwarzwald ist eine Fasnachtshochburg. Das spürt man live, wenn man als Besucher im Ort weilt, Alt und Jung machen mit! Zudem ist ein Besuch des Fasnachtsmuseums im Kurpark, des «Narrenschopf», ein Erlebnis. In drei ehemaligen, grossen Salzkuppelbauten werden fast vierhundert farbenfrohe Narrenfiguren, auch solche aus der Schweiz, ausgestellt.

Verjüngung gelang nicht

Unermüdlich akquirierte Ernst Kyburz Inserate für das Zunftorgan. Nachher übernahm Gustav Furrer mit viel Elan das Amt des Zunftmeisters. Aber auch er konnte nicht aufhalten, dass sich die Zunft mit der Zeit verkleinerte. Wie der nachfolgende Zunftmeister René Casserini im September 2004 bemerkte, gelang es nicht, die Zunft zu verjüngen. An einer Versammlung wurde deshalb beschlossen, dass die Zunft künftig leiser tritt. Alle bisherigen Aktivitäten sollten künftig nicht mehr von der Bööggenzunft veranstaltet werden. Die Zunft sollte dennoch erhalten bleiben und sich auf die Geselligkeit beschränken. Dafür stand bis zum heutigen Tag während 24 Jahren René Casserini als Zunftmeister. Dazu gehörten auch der Austausch mit befreundeten Fasnachtsgesellschaften und verschiedene Aktivitäten mit den Familien. Unvergessen sind Anlässe wie die Walpurgisnacht, der Tanz der Hexen, veranstaltet immer abends am 30. April von der Narrenzunft Chlösterli, mit Heinz Wissmann, in Urdorf. Anfangs versteckt und zugedeckt in einem (leeren) Brunnen, wurde jedes Jahr eine neue Hexe erkoren. Humorvolle Reden, begleitet von Musikanten, ergaben ein festliches Beisammensein.

Ein weiteres Stück Dorfgeschichte ist vorbei und es gäbe noch Vieles zu erzählen. Die Zunftfahne, einige Dokumente, ein Satz Plaketten und ein Kostüm der Bööggenzunft sind nun in der Regionalbibliothek für die Nachwelt archiviert. Ein Kulturgut wie eine Dorffasnacht erhöht die Attraktivität einer Gemeinde, stärkt den Zusammenhalt und die Lebensqualität. Deshalb bleibt auch viel Wehmut zurück.

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