Strom von nebenan: «Vorerst braucht es noch etwas Geduld»
Gemeinderat Marcel Eicher zu den Fortschritten beim Pilotprojekt mit den Lokalen Stromgemeinschaften (LEG)

Gemeinderat Marcel Eicher zu den Fortschritten beim Pilotprojekt mit den Lokalen Stromgemeinschaften (LEG)
Ist Solarstrom das neue Gold? Immerhin können Solarstromproduzenten ab dem 1. Januar 2026 ihren nicht genutzten Solarstrom lokal an Direktabnehmer verkaufen. Zu selber festgelegten Preisen. Hausbesitzer, Firmen und Gemeinden, die Solarstrom produzieren, können somit neu zu Stromhändlern mutieren. Das war bisher von Gesetzes wegen nicht erlaubt.
Möglich macht dies das revidierte Stromversorgungsgesetz, das per 1. Januar 2026 in Kraft tritt. Es erlaubt neu sogenannte Lokale Elektrizitätsgemeinschaften, kurz LEG.
Mettmenstetten ist eine der ersten Gemeinden im Kanton Zürich, die sich in den letzten Wochen intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat. So führte die Mettmenstetter Energiekommission im Mai, zusammen mit den EKZ, eine Informationsveranstaltung zum Thema durch («Anzeiger» vom 28. Mai 2025; «Hat bald jedes Quartier eine eigene Elektrizitätsgesellschaft?»). Das Echo damals war gross: Rund 80 Personen wollten am Infoabend mehr über das Thema erfahren.
Wo steht man heute in Mettmenstetten? Das wollte der «Anzeiger» von Marcel Eicher wissen, Gemeinderat und Präsident der Energiekommission Mettmenstetten.
«Anzeiger»: Marcel Eicher, im Mai, an der LEG-Informationsveranstaltung hatte man den Eindruck, dass in Mettmenstetten LEGs bald wie Pilze aus dem Boden schiessen werden. Das ist aber offenbar nicht so. Weshalb?
Marcel Eicher: Das ist korrekt, die Pilze lassen auf sich warten ... Ich möchte hier erwähnen, dass ich kein Tarif- oder Fachexperte im Strombusiness bin. Auch ich lerne im Moment jeden Tag Neues. Wir diskutieren in unserem Pilotprojekt Fragen vertiefter und versuchen, eine Antwort zu finden. Das Thema ist sehr komplex. «Einfach mitmachen» ist im Moment noch nicht möglich.
Viele im Kanton Zürich sind in irgendeiner Weise von den EKZ als Verteilnetzbetreiberin (VNB) abhängig. Bis anhin war das konkrete Vorgehen für Interessierte noch unklar. Einwohnerinnen und Einwohner sowie Gemeinden konnten bei den EKZ ihr Interesse bekunden. Seit Ende Oktober ist das Vorgehen auf der EKZ-Homepage konkreter. Und wie erwähnt: Die Thematik LEG ist komplex. Sobald sich jemand vertiefter damit auseinandersetzt, gibt es neue Fragen. Zum Beispiel: Wie erfahre ich bei den EKZ, ob es in meiner Gemeinde bereits eine LEG gibt? Wie sieht es mit den Verträgen aus? Zu diesen und vielen weiteren Fragen gibt es noch keine abschliessenden Antworten. Es gibt auch noch keine Erfahrungen, wie man eine LEG gründet und wie etwa die Verrechnung funktioniert. Bin zum Beispiel ich als «LEG-Lieferant» für das Inkasso verantwortlich? Aus diesen Gründen gibt es weder in Mettmenstetten noch in einer anderen Gemeinde bisher eine LEG.
Zumindest eine private LEG ist in Mettmenstetten offenbar auf gutem Weg. Und die Gemeinde selber plant offenbar die Gründung einer eigenen LEG, in der verschiedene Liegenschaften der Gemeinde und die sek mättmi vereint sind. Wie konkret ist diese öffentliche LEG?
Es ist keine öffentliche LEG, bei welcher alle mitmachen können. In einem ersten Schritt setzen wir den Fokus auf die Liegenschaften der sek mättmi und der Gemeinde Mettmenstetten, also der Primarschule und der politischen Gemeinde. Wenn wir dazu noch Privatpersonen einbezogen hätten, wäre es noch aufwendiger geworden, als es ohnehin schon ist. Der Zeitplan vom Sommer bis Ende dieses Jahres ist schon recht sportlich.
Mit dem Initianten der privaten LEG bin ich im Austausch und wir stimmen uns so weit wie möglich ab. Wie es da weitergeht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen, wenn weitere Fragen wie Inkasso, Dienstleistungstarife, administratives Vorgehen, vertragliche Punkte und Ähnliches geklärt sind.
Im November werden wir im LEG-Projektteam die Fragen der Tarife und die möglichen Rollen der Gemeinde genauer anschauen. Ein interessanter Faktor scheint mir, dass etwa die Schulen übers Wochenende sehr wenig Strom verbrauchen, jedoch viel Solarstrom produzieren. Wie sich dies in der Wirtschaftlichkeit niederschlägt, werden wir diskutieren müssen.
Mit dem revidierten Stromgesetz werden ab nächstem Jahr auch die Preise für Solarstrom schweizweit harmonisiert und am Referenzmarktpreis ausgerichtet. Vereinfacht ausgedrückt: Hausbesitzer erhalten künftig für Solarstrom, den sie ins öffentliche Netz abgeben, grob gerechnet nur noch halb so viel wie bisher. Ist der künftige Verkauf von solchem Strom an lokale Abnehmer eine Alternative? Stromanbieter und Stromabnehmer könnten lokal Tarife aushandeln, die attraktiver wären, als wenn sie Strom an die EKZ abgeben, beziehungsweise von dort beziehen ...
Das tönt auf den ersten Blick verlockend. Richtig ist, dass in der LEG der Stromtarif selber bestimmt werden kann. Ob die LEG eine wirkliche Alternative ist, muss von Situation zu Situation beurteilt werden. Und dies macht es im Moment auch schwierig, eine klare Antwort zu geben.
Zu beachten ist, dass die Zeitspanne, in der Solarstrom-Produzenten und Solarstrom-Verbraucher Geld verdienen beziehungsweise sparen können, relativ kurz ist: tagsüber und von etwa Mitte April bis Mitte Oktober – wenn die Sonne relativ intensiv scheint. In der Nacht dagegen oder in der jetzigen nebligen Jahreszeit wird kein bis wenig Strom in die LEG fliessen und der Strom muss vom Verteilnetzbetreiber bezogen werden, bei uns die EKZ.
Es gibt aber noch weitere Faktoren, die bei den Berechnungen berücksichtigt werden müssen, etwa den sogenannten Netzentgeltabzug, der je nach Zone unterschiedlich hoch ist. Weiteren Einfluss haben die Investitionskosten einer Photovoltaikanlage, deren Grösse und wer Produzenten und Verbraucher sind. Dazu kommt noch der Preis der Dienstleistung zur Abrechnung einer LEG, welcher noch nicht definiert ist.
Wenn all diese Faktoren berücksichtigt werden, wird der Unterschied minim sein. Im Moment gehe ich davon aus, dass die Wirtschaftlichkeit einer LEG knapp gegeben ist. Dies wird jedoch in Pilotprojekten zu beantworten sein.
Klimawandel, CO2-Ausstoss, Flugscham – «grüne» Themen werden von vielen nicht mehr als so dringlich eingestuft wie noch vor wenigen Jahren. Spürt man das auch in Bezug auf die LEGs?
Nein, nicht wirklich. Ich betrachte es nicht primär als «grünes» Thema, sondern mehr mit dem allgemeinen Bewusstsein von «lokal für lokal».
Wenn man lokal produzierte Energie auch lokal verwendet, hat das unbestrittenermassen viele Vorteile. Das Netz wird weniger belastet, die Energieverluste sind kleiner, wahrscheinlich geht man auch sorgsamer mit Energie um. LEGs wären da eigentlich eine mögliche Lösung. Was müsste passieren, damit LEGs auf breiter Ebene in Gang kommen?
Welchen Einfluss eine LEG auf Netzstabilität, Energieverluste etc. hat, erscheint mir noch nicht wirklich bestätigt. Es sind diverse andere Diskussionen wie etwa eine maximale Einspeisung von 70 Prozent im Gange. Das Thema Stromspeicher wie auch das bidirektionale Laden über E-Autos wird uns beeinflussen. Weitere Einflüsse werden die rasante technologische Weiterentwicklung wie KI haben, und dann kann auch die Wettervorhersage besser berücksichtigt werden. Wir wissen auch nicht, wie die Stromtarife in fünf Jahren sein werden. Ab 2026 sind Einheitstarife definiert und die EKZ haben Quartalspreise kommuniziert. Die jetzigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen basieren auf den Tarifen von 2026 oder vielleicht etwas darüber. Aber wie sieht es in fünf Jahren aus? Die Stromtarife werden sicher dynamischer werden.
Wir stehen am Anfang der Reise und kennen den Weg noch nicht genau. Aber wir können uns auf den Weg machen. Jeder kann einen Beitrag leisten, indem bewusster und gezielter die Geräte zu Hause genutzt werden.
LEG ist für mich eine weitere Möglichkeit, den lokal produzierten Strom zu nutzen. Aus meiner Sicht sollten unbedingt aber auch die Alternativen geprüft werden. Dazu zählt die Möglichkeit, Solarstrom nicht nur lokal, sondern direkt an Ort und Stelle zu nutzen – zum Beispiel in einem Mehrfamilienhaus und mit dem unmittelbaren Nachbarn. Die EKZ haben dafür Lösungen wie «EKZ Eigenstrom X», «ZEV» oder «vZEV».
Ziel muss sein, den lokal produzierten Strom auch lokal zu verbrauchen. Vielleicht wird es zu Beginn sogar etwas teurer sein. Vorerst braucht es halt noch etwas Geduld. Dazu müssen sich die Gemeinden die Frage stellen, welche Rolle sie dabei einnehmen möchten, ob sie LEG-Inhaberinnen sein möchten, Vermittlerinnen oder nur Beobachterinnen.


