Charmanter Besuch aus der Romandie

Thomas Bächler aus Fribourg absolviert in Mettmenstetten sein 10. Schuljahr – davon profitieren alle Beteiligten

Bereichern sich gegenseitig: Sekundarlehrerin Karin Niklaus und Austauschschüler Thomas aus Fribourg. (Bild Livia Häberling)

«Schön. Wirklich schön, Thomas!», ruft Karin Niklaus und lacht laut. Was ihr der 16-jährige Austauschschüler aus der Romandie gerade verraten hat, ist – nun ja – un peu amusant: Auf dem handgeschriebenen Poster, das den Schülerinnen und Schülern bei der Aussprache helfen soll, ist ihr ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Im Wort «prononciation» (Deutsch: Betonung) fehlt ein i. Und niiiemandem ist das in all den Monaten aufgefallen; bis Thomas’ Mutter ihren Sohn kürzlich in Mettmenstetten besucht und beim Lesen gestutzt hat.

Fehlermüde Schülerinnen und Schüler würden wohl eine ausgleichende Gerechtigkeit darin erkennen, dass die französische Sprache zur Abwechslung mal der Lehrerin einen Streich spielt. Karin Niklaus nimmts gelassen. Sie hat sich die Unterstützung aus der Romandie ja selbst ins Schulhaus geholt. Die Nachbar-Sek in Hausen nimmt seit mehreren Jahren Austauschschülerinnen und -schüler bei sich auf. Und als Lehrerin und Projektkoordinatorin Luzia Vogel dann eines Tages auf Karin Niklaus zukam und fragte, ob sie an einem Klassenassistenten interessiert wäre, musste Niklaus nicht lange überlegen: «So bin ich reingerutscht», sagt sie, «und ich habe bald gemerkt, dass meine Schüler davon extrem profitieren.»

Kein Fehler bringt ihn aus der Ruhe

Seit Ende August wohnt Thomas nun in Mettmenstetten, um dort sein 10. Schuljahr zu absolvieren. Er ist bereits der dritte Austauschschüler an der sek mättmi und hat zwar eine Stammklasse, aber einen individuellen Stundenplan. Etwa mit Extra-Lektionen in Deutsch. Es sei erstaunlich, findet Karin Niklaus, wie sehr sich die Romands reinknien, um Deutsch zu lernen, während das Interesse der deutschsprachigen Jugendlichen an der französischen Sprache aus ihrer Sicht «auf eher wackeligen Beinen» steht. Nichtsdestotrotz soll das Austauschjahr von Thomas sprachlich keine Einbahnstrasse sein. Will heissen: Während er an der sek mättmi Deutsch lernt, sollen die Kameradinnen und Kameraden von seinem Französisch profitieren. In zwei Lektionen pro Woche assistiert er deshalb in einer der drei Französisch-Klassen von Karin Niklaus, einer 2. Sek A. Meist arbeiten die Schülerinnen und Schüler mit ihm in Kleingruppen, und das mit Erfolg, wie Niklaus schwärmt: Es mache nun mal einen Unterschied, ob sie, «die alte Schachtel», einen Schüler korrigiere, oder ob es der muttersprachige Kumpel mit der westschweizerischen Nonchalance tue. Er hört gelassen zu, wenn sich beim Vorlesen wiedermal einer an der Aussprache abarbeitet (...wenn also die «prononciation» dem Nächsten ein Bein stellt). Und wenn der Kauderwelsch-Spuk vorbei ist, sagt er: «Encore une fois.»

Die Deutschprüfung steht noch bevor

Die Aufgabe als Klassenassistent mache ihm Freude, sagt Thomas. Nur manchmal stosse er mit den Erklärversuchen an seine Grenzen. Etwa, wenn die Schülerinnen und Schüler zum wiederholten Mal «un» statt «une» sagen und «une» statt «un». Er lacht. Und staunt über die Kniffe, die bisweilen zum Einsatz kommen. Vielleicht notiert jemand dann halt nicht «déjà-vu», sondern «deschawü» ins Heft, damit es beim nächsten Mal mit der Aussprache sicher klappt. Was die Mettmenstetter Schülerinnen und Schülern mit dem Französisch erleben, kennt Thomas mit dem Deutsch. Er spricht flüssig, kann sich bestens verständigen. Rückfragen sind selten. Nur einmal, beim Wort «Hemmungen», hilft Karin Niklaus mit einigen Sätzen auf Französisch nach. Thomas’ Ziel ist es, am Ende des Schuljahres ein Deutschdiplom auf Niveau B2 in den Händen zu halten. Im Sommer wird er bei der Swisscom seine Lehre als Digital Business Developer beginnen. Das zweite Jahr plant er, am Hauptsitz in Bern zu absolvieren.

Velo statt Elterntaxi

Thomas sagt, er fühle sich wohl in Mettmenstetten und habe rasch Freunde gefunden. Nicht zuletzt durch seinen Sport; die Leichtathletik. Zugleich sind ihm ein paar Dinge aufgefallen, die anders laufen als zu Hause in Fribourg: «Hier fahren die Schüler mit dem Velo oder mit dem Scooter zur Schule. Sogar wenn es regnet!» Zuhause nähmen die meisten den Bus – oder gleich das Elterntaxi. Auch die Rollen der Lehrpersonen erlebt er unterschiedlich: «Bei uns sind die Schüler im Unterricht mehr auf sich gestellt. Hier in Mettmenstetten erhalten sie mehr Unterstützung.» Wobei das eine Modell nicht besser sei als das andere. Es sei einfach anders.

Aus Sicht von Karin Niklaus zahlt sich das Austauschprogramm mit den Gästen aus der Romandie auch abseits des sprachlichen Aspekts voll und ganz aus. «Es sind positive Vorbilder für unsere Schülerinnen und Schüler.» Der frische Wind aus der Westschweiz soll denn auch nicht so bald wieder nachlassen: Ab Sommer besuchen neu drei Jugendliche an der sek mättmi ihr 10. Schuljahr. Zudem wird Niklaus das Coaching für sie übernehmen und sie mit zusätzlichen Deutsch-Lektionen fördern.

Karin Niklaus freut sich darauf: «Der Charme der Romandie tut unserer Schule einfach gut.»

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Blick aus der Luft auf das Quartier in Wettswil, das in absehbarer Zeit überbaut werden soll. (Bild CH Media)
Bezirk Affoltern14.07.2025

Umstrittene Quartierzufahrt kommt vors Volk

Die Wettswiler Stimmberechtigten fällen im November an der Urne einen Vorentscheid zur Zufahrt zum Quartier Weierächer-Grabmatten.
Bezirk Affoltern14.07.2025

Verständnis für strengeres Regime am Türlersee

Parkgebühren und Anti-Quaggamuschel-Massnahmen problemlos akzeptiert
Bezirk Affoltern14.07.2025

Die schnellsten Wege von der Bestellung bis ins Regal

Sommerserie (1): Wie funktioniert eigentlich ... ein Volg-Laden?