«Das Zusammenhaltsgefühl in der Bevölkerung fällt teilweise weg»

In Affoltern fand am Dienstag ein Podium zum Thema Lokaljournalismus statt

Nicole Bertsch, Moderatorin und Präsidentin Sektion SRG Zürich Schaffhausen (2. v. l.), mit den Podiumsgästen Hans-Peter Künzi, Stv. Leiter Regionaljournal Zürich-Schaffhausen (links), Johanna Burger, Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin an de
Nicole Bertsch, Moderatorin und Präsidentin Sektion SRG Zürich Schaffhausen (2. v. l.), mit den Podiumsgästen Hans-Peter Künzi, Stv. Leiter Regionaljournal Zürich-Schaffhausen (links), Johanna Burger, Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin an der Fachhochschule Graubünden, und Florian Hofer, Chefredaktor des «Anzeigers».(Bild Livia Häberling)

Die Medienbranche ist unter Druck. Viel Werbung ist in den vergangenen Jahren ins Internet abgewandert, und bisher fehlen überzeugende Modelle, um die Einnahmenverluste im Print mit Online-Journalismus wettzumachen. Zudem sind die Menschen immer weniger bereit, für Nachrichten zu bezahlen. In der Folge werden Redaktionen zusammengelegt oder verkleinert, Zeitungen ausgedünnt oder ganz eingestellt. Wohin steuert der Journalismus – und im Speziellen der Lokaljournalismus – in den nächsten Jahren?

Um dieser Frage nachzugehen, hat die Sektion 2 der SRG Zürich Schaffhausen (die ihrerseits gegen die Halbierungsinitiative kämpft) am Dienstagabend in der Aula Ennergraben in Affoltern ein Podium organisiert. Als Gäste eingeladen waren mit Hans-Peter Künzi (Regionaljournal Zürich-Schaffhausen) und Florian Hofer («Anzeiger») zwei Vertreter aus dem Radio- und Printjournalismus. Als Stimme aus der Forschung war zudem Johanna Burger anwesend, die am Institut für Multimedia Production der Fachhochschule Graubünden arbeitet.

Zum Einstieg gab Johanna Burger einen kurzen Einblick in ihre Forschungsergebnisse in der Schweiz. In der digitalen Transformation würden sich gerade der Know-how-Transfer und die redaktionsübergreifende Zusammenarbeit als wichtige Erfolgskriterien erweisen, erklärte sie, während Abhängigkeiten von Einzelpersonen oder der Ausbau der Gemeindekommunikation sich erschwerend auf die Arbeit auswirkten.

Ausschlaggebend für das Forschungsprojekt war das Phänomen der sogenannten «News Deserts», das sich in den USA seit Längerem ausweitet. Gemeint sind Regionen, die wegen der fehlenden journalistischen Abdeckung als Nachrichten-Wüsten bezeichnet werden. «Die Forschung aus den USA zeigt Ergebnisse, die durchaus nicht wünschenswert sind», resümierte Johanna Burger: Am Wahlverhalten zeige sich, dass es in diesen Gegenden zu mehr politischer Polarisierung komme. Zudem würden weniger Staatsgelder in diesen Regionen eingesetzt, hingegen komme es häufiger zu Fehlverhalten von Unternehmen. «Und auch das Zusammenhaltsgefühl in der Bevölkerung fällt teilweise weg.»

Unabhängigkeit bleibt essenziell

Der zweite Teil des Abends bestand aus einer Podiumsdiskussion. Zu Beginn des Gesprächs stand der Status quo im Vordergrund: Florian Hofer erläuterte das Geschäftsmodell des «Anzeigers», das Moderatorin Nicole Bertsch einleitend als Erfolgsmodell bezeichnete. Ein Erfolgsmodell, das im Verlauf des Abends viel Lob erhielt, das allerdings auch wesentlich von mehr als einem Dutzend freien Mitarbeitenden lebt, die wiederum alle nicht alleine von ihren «Anzeiger»-Einkünften leben können.

Auch Nähe und Distanz waren im Podium Thema: einerseits zu den Gemeinden, aber auch zu den Einwohnerinnen und Einwohnern. «Wir können unabhängig berichten, obwohl wir ein amtliches Publikationsorgan sind», sagte Hofer. Bei Hans-Peter Künzi vom Regionaljournal Zürich-Schaffhausen stellt sich die Frage der Unabhängigkeit eher im persönlichen Kontakt: Allein das grössere Einzugsgebiet führe zu mehr Distanz, sagte er: «Wenn ich rausgehe, treffe ich nicht auf Menschen, mit denen ich vor Jahren schon zur Schule gegangen bin.»

Abseits des Status quo kam beispielsweise der Bildungsauftrag der beiden Medienprodukte zur Sprache, bei dem auch die Frage aufkam, wie man neue Zielgruppen erschliessen könnte, etwa Junge mit altersgerechten Inhalten oder Expats mit KI-Übersetzungen. Weniger thematisiert wurde dabei, ob solche Angebotserweiterungen mit der aktuellen Kostenpolitik realistisch sind. Bei den meisten Medienhäusern standen die Zeichen zuletzt nicht auf Aus-, sondern auf Abbau. «Ich glaube nicht, dass sich Lokaljournalismus in Zukunft ohne Zuwendungen von Stiftungen, Gemeinden oder Mäzenen finanzieren lässt», sagte Johanna Burger. Dabei stehe immer auch die Frage nach der Unabhängigkeit im Raum: «Es ist wichtig, dass Lokalmedien in Zukunft so finanziert werden, dass sie weiterhin unabhängig berichten können.»

«Ich glaube nicht,dass sich Lokal-journalismus in Zukunft ohne Zuwendungen von Stiftungen, Mäzenen oder anderen Geldgebern finanzieren lässt.»

Johanna Burger,FH Graubünden

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