Debatte zu Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit

Im Kloster Kappel diskutierten Willi Graf vom Deza, Peter Niggli von der Alliance Sud und Michael Fahrbach von Glencore über das umstrittene Thema Entwicklungshilfe. Der Konsens der Veranstaltung: Es muss geholfen werden.

Das Forum Kirche und Wirtschaft (K+W) bot interessante Gespräche über «Entwicklung oder Entwicklungszusammenarbeit?» – mit (v.l.) Christoph Balmer (Forum K+W), Michael Fahrbach (Glencore), Moderator David Signer, Peter Niggli (Alliance Sud) und
Das Forum Kirche und Wirtschaft (K+W) bot interessante Gespräche über «Entwicklung oder Entwicklungszusammenarbeit?» – mit (v.l.) Christoph Balmer (Forum K+W), Michael Fahrbach (Glencore), Moderator David Signer, Peter Niggli (Alliance Sud) und Willi Graf (Deza). (Bild Urs E. Kneubühl)

Die Solidarität der Schweizer mit den Armen dieser Welt ist gross, das sei einmal unbestritten. Darüber, wie viel, was und wo man helfen soll, allerdings ist immer wieder höchst umstritten. Für die Einen wird zu viel getan, für andere zu wenig und für die Dritten wird vor allem am falschen Ort geholfen. Kunststück also, wenn die Veranstaltung «Entwicklung oder Entwicklungszusammenarbeit?» des Forums Kirche und Wirtschaft vom vergangenen Dienstagabend im Kloster Kappel auch keinen Schlussstrich unter die Auseinandersetzungen brachte. Immerhin, Antworten gab es, einige Ansätze zu Verbesserungen und den Konsens: Es muss geholfen werden!

Bevor allerdings mit den Referenten Willi Graf, Stv. Leiter Regionale Zusammenarbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), Peter Niggli, Geschäftsleiter Alliance Sud, und Michael Fahrbach, Leiter Nachhaltigkeit, Glencore International AG, zum Thema «Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft im Zwiespalt zwischen Entwicklungszusammenarbeit, Investition und Verantwortung» informiert und debattiert wurde – Moderation NZZ-Redaktor David Signer – sorgte Ruedi Odermatt, Pfarreileiter Steinhausen, für die besinnliche Einstimmung. Unterstützt wurde er von den kolumbianischen Musikern Leonardo Ponce und Jaime Vargas Vaca mit südamerikanischen Klängen.

Informationen und Anschauungen

«Wer die Wahrheit sagt, muss damit rechnen, dass er einen Kopf kürzer gemacht wird», schliesst Ruedi Odermatt mit Hinweis auf den Gedenktag Johannes des Täufers seine eindrückliche Einstimmung in der Kirche. Johannes, der letzte Prophet des Alten Testaments und erste Märtyrer des Neuen Testaments, den Christus im Lukas-Evangelium als den «Grössten unter allen Menschen» bezeichnet, wurde bekanntlich enthauptet.

Die verbalen Auseinandersetzungen, die anschliessend und nach Dislokation in den Gemeindesaal die Frage «Entwicklung oder Entwicklungszusammenarbeit?» erörtern sollten, waren dann entsprechend weder gehässig noch martialisch. Vorerst aber hielt Christoph Balmer, Fachstellenleiter des Forums Kirche und Wirtschaft, dazu in seiner Begrüssung der rund achtzig Prozent aus der Wirtschaft und zwanzig Prozent aus kirchlichen und von Hilfswerken kommenden Teilnehmer fest: «Seit Jahrzehnten leisten die Industrieländer Entwicklungshilfe – und trotzdem leben noch 1,2 Milliarden Menschen in absoluter Armut.»

Entwicklung findet statt – mehr Nehmen als Geben?

Der grösste Teil dieser Menschen, so zeigte sich auch in den Referaten von Willi Graf, Deza, und Peter Niggli von der Arbeitsgemeinschaft Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks (Alliance Sud), dass der grösste Teil von ihnen in Ländern lebt, welche die wirtschaftliche Globalisierung wesentlich mitbestimmen und als Land ein hohes Wachstum aufweisen, nämlich Indien und China. Der stellvertretende Deza-Leiter Regionale Zusammenarbeit hielt in seinem Referat «Schweizer Entwicklungszusammenarbeit zwischen Nischen und globalen Herausforderungen» fest, dass Entwicklungen weltweit tatsächlich in beträchtlichem Masse stattfinden, was er mit der Präsentation von interaktiven Grafiken der Gapminder Stiftung, Stockholm (siehe Kasten), untermauerte.

Weiter informierte Graf über die Strategien, die Arbeit sowie die Ziele der Deza. Afrika steht diesbezüglich künftig stärker im Fokus, wobei neben lokalen Projekten der globale Kontext im Blick bleibt und das Engagement vermehrt in Krisenregionen eingebracht werden soll. Wirtschaftliche und ökologische Rahmenbedingungen, so Graf, seien wichtig für eine nachhaltige Entwicklung und die Bekämpfung der Armut, die – ist der Deza-Mann überzeugt – «in all ihren Formen beendet werden kann». Und deshalb sei Zusammenarbeit absolut notwendig für die Entwicklung.

Kritisch und fundiert hielt Peter Niggli, Alliance Sud, in seinem Referat «Schweizer Entwicklungspolitik: Mit der einen Hand geben, mit der anderen nehmen?» dagegen, indem er feststellt, dass «über 75 Prozent des Welteinkommens an lediglich zwei Zehntel der Weltbevölkerung gehen».Niggli unterstreicht den Referatstitel in der Folge mit Zahlen und Fakten: «Mit der einen Hand geben wir zwar Entwicklungshilfe – 2013 waren es 2,1 Milliarden Franken – und mit der anderen nehmen wir Handelsbilanzüberschüsse von rund 20 Milliarden Franken und enthalten den Entwicklungsländern Steuereinnahmen – bei 350 bis 1400 Milliarden Franken Steuerfluchtgeldern – von ca. 5 Milliarden Franken vor.»

Gesundheit, Infrastruktur, Bildung – in der Diskussion relativiert

Schliesslich schilderte Michael Fahrbach von Glencore in seinem Vortrag «Nachhaltige Investition in Entwicklungsländern: wo liegt die unternehmerische Verantwortung?» was Glencore puncto Entwicklungshilfe tut. 168 Millionen US-Dollar, so Fahrbach, stecke Glencore pro Jahr in den Gesundheitsschutz, die Bildung und die Infrastruktur jener Gegenden und Ländern, in denen die Firma tätig ist. Gleichzeitig sorge man dort auch dafür, dass die lokale Bevölkerung Arbeit habe und ihren Lebensunterhalt verdienen könne – 40 Prozent aller Glencore-Mitarbeitenden weltweit werden in Afrika beschäftigt, in Süd- und Lateinamerika sind es 23 Prozent. «Wir wollen unser Kerngeschäft nutzen, um sinnvolle und nachhaltige Entwicklung sicherzustellen», schloss der Leiter Nachhaltigkeit bei Glencore und verwies nochmals auf die durch die Firma getätigten Investitionen in das öffentliche Gesundheitswesen, in die Bildung und zur Unterstützung von Basisdienstleistungen wie Sanitär- und Wasserversorgung in verschiedensten Ländern.

In der anschliessenden Podiumsdiskussion, die von NZZ-RedaktorDavid Signer, subtil geleitet wurde, hielt Peter Niggli dem Glencore-Vertreter entgegen: «Ich würde die Bedeutsamkeit der Beiträge von Glencore relativieren.» Uneigennützig sei das Engagement jedenfalls nicht, «aber es ist immerhin besser, wenn es vorwärtsgeht».

Der Konsens, dass es richtig und wichtig ist, etwas zur Entwicklung zu tun und beizutragen, zog sich eindeutig durch die ruhig und umsichtig geführte Diskussion, was sich mit dem Ziel des Forums Kirche und Wirtschaft, Begegnungen von verantwortungsbewussten Zeitgenossen aus Wirtschaft, Politik, Kirche und Gesellschaft zu fördern, bestens deckt.

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