Mit einer Minderjährigen im «Seitensprungzimmer»

Obergericht bestätigt 16-monatige, bedingte Gefängnisstrafe des Bezirksgerichts Affoltern

Der Beschuldigte erhielt eine bedingte Gefängnisstrafe. (Symbolbild Pixabay)
Der Beschuldigte erhielt eine bedingte Gefängnisstrafe. (Symbolbild Pixabay)

Im April 2021 hat ein heute 36-jähriger Schweizer aus dem Kanton Schwyz eine damals 14-Jährige in einem inzwischen geschlossenen «Seitensprungzimmer» in Affoltern zu «hartem Sex» getroffen. Für den Tatbestand sexueller Handlungen mit Kindern kassierte er im April 2024 vom Bezirksgericht Affoltern eine bedingte Gefängnisstrafe von 16 Monaten – und ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot, das regelmässigen Umgang mit Minderjährigen umfasst. Nun hat das Obergericht diese Strafe des Bezirksgerichts vollumfänglich bestätigt.

Die 16-monatige Gefängnisstrafe, bedingt ausgesprochen bei einer Probezeit von zwei Jahren, dürfte dem Mann weniger zu schaffen machen als das lebenslängliche Verbot eines beruflichen Kontakts mit Minderjährigen. Denn der heute 36-Jährige arbeitet im elterlichen Betrieb, den er übernehmen wird, und dort werden Lehrlinge beschäftigt. Deren Ausbildung wird ihm nach dem zweitinstanzlichen Urteil nicht mehr möglich sein.

Der Mann, Vater einer Tochter und inzwischen von seiner Frau getrennt, «bestellte» über eine sogenannte Sugardating-App ein Sextreffen mit einer angeblich 18-Jährigen in Affoltern. Im Chat schilderte er seine Vorliebe für «harten Sex mit tabulosen Frauen». Er vereinbarte einen «Tarif» von 800 Franken, wobei sie ihm «die ganze Nacht mit allem Drum und Dran» zur Verfügung stehen müsse, wie in der Anklageschrift vermerkt ist.

Der Mann traf dann das aus Winterthur hergereiste Mädchen im April 2021 am Bahnhof in Affoltern. Vom Bankomaten bezog der damals 32-Jährige die erforderliche Summe. Das Mädchen hat ihm dann eröffnet, dass sie nicht 18-, sondern erst 14-jährig sei, was den Mann offenbar zunächst verunsichert hat. Im «Seitensprungzimmer» kam es dann zum Geschlechtsverkehr, aber hernach auch zu Gewalt: zu Würgegriffen und zu Schlägen, so sehr, dass das Mädchen keine Luft mehr bekam und weinte. Sie habe ihm mehrmals klargemacht, dass sie das nicht wolle, gab sie in der polizeilichen Befragung zu Protokoll. Nach knapp einer Stunde verliessen die beiden das «Seitensprungzimmer», und er zahlte die vereinbarten 800 Franken. Von denen musste das Mädchen die Hälfte dem Zuhälter abgeben.

Keine Ausbildung von Lernenden

Der Fall kam ins Rollen, nachdem die Eltern des Mädchens die Jugendanwaltschaft eingeschaltet hatten. Vor Bezirksgericht sagte die Staatsanwältin, sie habe den Mann auf dem Foto wiedererkannt, und klar sei, dass sich die beiden zur gleichen Zeit am gleichen Ort aufgehalten haben. Ihre Aussagen seien nachvollziehbar und authentisch. Das Mädchen habe dadurch eine posttraumatische Belastungsstörung und eine emotionale Erstarrung erlitten, was eine Psychotherapie nötig gemacht habe, so die Staatsanwältin.

Das Bezirksgericht Affoltern verurteilte den Mann wegen sexueller Handlungen mit Kindern zu 16 Monaten Gefängnis, bedingt erlassen bei einer ­Probezeit von zwei Jahren – und dazu ein lebenslängliches Verbot einer beruflichen Tätigkeit mit Minderjährigen.

Eine Verwechslung?

Diese Strafe hat nun das Obergericht vollumfänglich bestätigt. Im Rahmen dieser Verhandlung verweigerte der Beschuldigte abermals jegliche Aussagen: «auf Anraten meiner Anwältin», wie er beifügte. Diese sprach in ihrem 22 Seiten umfassenden Plädoyer von einer Verwechslung. Das Mädchen habe vier Freier erwähnt. Einer davon sei gewalttätig gewesen. Dabei handle es sich aber nicht um ihren Mandaten, was durch ein Video belegt sei. Sie nannte dabei den Namen eines anderen Freiers. Leider habe man davon in den Ermittlungen nur Ausschnitte davon verwendet, die gesamte Länge der Aufnahme sei nicht berücksichtigt worden. Und im Weiteren sei auf dem Handy ihres Mandanten nichts Belastendes gefunden worden. Ergo müsse er «in dubio pro reo» freigesprochen werden, verlangte sie unter dem Hinweis auf nicht glaubwürdige Aussagen des Mädchens. «Die Beweise reichen nicht aus für eine Verurteilung», folgerte die Verteidigerin und beschuldigte Polizei und Staatsanwaltschaft, mangelhaft ermittelt zu haben. Der Angeklagte selbst bestritt in früheren Einvernahmen nicht, Frauen im «Seitensprungzimmer» getroffen zu haben, aber er habe dort nie Sex mit einer unter 18-Jährigen gehabt.

Christoph Spiess, Präsident der II. Strafkammer des Obergerichts, sprach von einer komplizierten Beweislage und verzichtete auf eine mündliche Urteilseröffnung am Verhandlungstag. Nun ist aber das Obergericht offenbar zum ­gleichen Schluss gekommen wie das Bezirksgericht, wie aus dem unbegründeten Urteilsdispositiv hervorgeht. Es verurteilte den Mann wegen sexueller Handlungen mit Kindern zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten. Dies bei einer Probezeit von zwei Jahren. Dazu verhängt es ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot im beruflichen und ausserberuflichen Umgang mit Minderjährigen. Dazu wird der Verurteilte verpflichtet, dem Mädchen 3000 Franken Genugtuung zu zahlen. Auch die Kosten des Berufungsverfahrens (3600 Franken) muss er übernehmen, derweil die ­Kosten der amtlichen Verteidigung (8800 Franken) von der Staatskasse übernommen werden.

Urteil SB240272-O/U10 vom 2. Mai 2025, nicht rechtskräftig

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