Der Haustier-Boom hält weiter an
Nicht wenige haben sich während der Pandemie ein Haustier zugelegt. Während sich die Lage langsam entspannt, dürften einige damit bereits überfordert sein und sich der Vierbeiner entledigen wollen. Tatsächlich sind Haustiere auch im Säuliamt immer noch gesucht.

Viele Menschen haben sich während der Pandemie einen lang ersehnten Wunsch erfüllt und ein Haustier angeschafft. Vor allem die Nachfrage nach Jungtieren schoss bei Züchterinnen und Züchtern aber auch auf einschlägigen Internetplattformen rasant in die Höhe. Schweizerinnen und Schweizer mögen Haustiere ohnehin: In jedem dritten Haushalt haben sich Hund, Katz und Co. eingerichtet. Und seit Pandemiebeginn dürften es noch einige mehr sein.
Fachleute vermuten, dass sich nicht jede und jeder beim Kauf eines Haustieres bewusst ist, wie viel Zeit, Geduld, und Pflege ein Tier fordert. Und da sich die Lage rund um die Pandemie langsam entspannt, befürchten nicht wenige, dass viele dieser Neu-Haustierbesitzerinnen und -besitzer mit ihren Corona-Tieren überfordert sind und diese kurzerhand wieder abgeben oder einfach irgendwo aussetzen. «Mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht dürften einige Haustierhalterinnen und -halter mit organisatorischen Problemen konfrontiert sein, die sie nicht zu bewältigen wissen», mutmasst etwa Heidi Illi, Leiterin der Auffangstation des Vereins Tierschutz Limmattal-Säuliamt in Bonstetten. «Man will wieder verreisen oder spontan ausgehen, und dann ist einem ein Haustier natürlich im Weg.» Die Auffangstation in Bonstetten nimmt vor allem verwaiste und ausgesetzte Kleintiere wie Hasen oder Meerschweinchen auf, päppelt sie auf und vermittelt sie an neue Besitzer und Besitzerinnen weiter.
Was, wenn der Ansturm kommt?
Im Zuge der wiedergewonnenen Reisemöglichkeiten ist die Nachfrage nach Ferienplätzen für die Vierbeiner merklich gestiegen. So etwa in der Auffangstation des Vereins Zürcher Tierschutz, die ein Katzenferienheim betreibt. «Unsere Ferienplätze für Pensionskatzen sind momentan ausgebucht», sagt Nadja Brodmann, Mitglied der Geschäftsleitung beim Zürcher Tierschutz. «Ausgesetzt wurden aber bis heute nicht mehr oder weniger Tiere als in den vergangenen Jahren», ergänzt sie. «Bislang hatten wir auch noch keinen Ansturm derjenigen, die ihr Haustier ganz abgeben wollten. Viele Hunde und Katzen, die eigentlich im Tierheim gelandet wären, konnten privat weitervermittelt werden.»
Nur vor den Sommerferien machte sich ein leichter Aufwärtstrend bei den Tier-Abgaben bemerkbar. «Da wir über das Jahr gesehen regelmässig Schwankungen erleben, weist das allerdings noch auf keine Trendwende hin.» Auffällig sei aber, dass man viele Anfragen von Besitzerinnen und Besitzern junger Hunde erhalten habe, welche diese nach kurzer Zeit bereits wieder weggeben wollten. «Dieses Verhalten deutet auf eine vorschnelle, unüberlegte Anschaffung hin.» Demgegenüber sei die Nachfrage nach Haustieren, vor allem nach Hunden und Katzen, ungebrochen hoch. Brodmann ergänzt: «Auch nach Kleintieren wie Meerschweinchen, Hasen oder Hamster wird häufiger gefragt. Lediglich bei den Exoten, etwa Reptilien oder Amphibien, haben wir keine Zunahme festgestellt.» Diese seien ohnehin immer eher schwierig zu vermitteln.
«Wir gehen davon aus, dass das Interesse an Haustieren noch eine Weile anhalten wird, da die Leute nicht von heute auf morgen aus dem Homeoffice an den Arbeitsplatz zurückkehren werden, sondern gestaffelt – und viele werden wohl auch künftig vermehrt von zu Hause aus arbeiten.» Die Pandemie habe in dieser Hinsicht sicher einen Wandel ausgelöst, der auch das Halten von Haustieren erleichtere. Gleichwohl wisse sie nicht, ob der grosse Ansturm derjenigen, die ihre Vierbeiner wieder abgeben wollen, noch bevorstehe. «Wir hoffen natürlich, dass es bei uns nicht so weit kommen wird, wie etwa in Deutschland, wo verschiedene Tierheime wegen Überlastung einen Aufnahmestopp verhängen mussten.»
Haustiere sterben im Wald
Auch bei Heidi Illi in Bonstetten rufen seit Pandemiebeginn häufiger Menschen an, die etwa einen ihrer Hasen adoptieren möchten. Sie sagt: «Offenbar haben viele immer noch genug Zeit, um sich um ein Haustier zu kümmern.» Ein Bedürfnis, dass sich schlaue Züchterinnen und Züchtern nicht erst seit gestern zunutze machen und eifrig Tiere züchten und verkaufen. Heidi Illi rechnet daher in ein paar Jahren mit einer Flut an Hasen, die keiner mehr haben will. Sie befürchtet: «Wenn die Tiere grösser werden, sind sie nicht mehr so herzig und pflegeleicht. Sie dürften dem einen Halter oder der anderen Halterin zur Last fallen, der man sich entledigen will.»
Heidi Illi hat oft erlebt, wie achtlos und brutal Menschen mit den Tieren umgehen. Sie weiss, dass diese ihre Haustiere oft einfach entsorgen, indem sie diese etwa dem Nachbarn in den Garten werfen, in Schachteln an den Strassenrand stellen oder einfach so im Wald aussetzen. «Hasen und andere Kleintiere sind keine Wildtiere, weswegen sie angstvoll verhungern oder vom Fuchs gefressen werden.» Auch überraschen sie immer wieder dreiste Anrufe von Haustierhalterinnen und -haltern, die ihr androhen, den Vierbeiner zu töten, wenn sie diesen nicht bei sich aufnehme. «Viele dieser Tiere verbringen ihren Lebensabend bei uns in der Auffangstation in Bonstetten, da sie nicht mehr vermittelbar sind.»
Illi rät allen, die verreisen wollen, frühzeitig einen Haussitterdienst für das Haustier zu aufzubieten, sollten Nachbarn oder Freunde keine Zeit haben oder des Hütens überdrüssig und das Tierheim des Vertrauens bereits ausgebucht sein. Nadja Brodmann ergänzt: «Sollten wir keinen Platz mehr haben, geben wir den Leuten eine Liste mit anderen Tierheimen und bitten sie, dort nachzufragen.»