Der «Spuk» soll ein Ende haben
38-Stunden-Woche: Die Mitte Affoltern reicht zwei Einzelinitiativen ein

Als die Stadt Affoltern kurz vor den Sommerferien ihre Pläne zur 38-Stunden-Woche bekannt gab, regte sich im Gewerbe und im bürgerlichen Lager bald Widerstand. Nun ist es die Mitte-Partei Affoltern (ihrerseits im Stadtrat nicht vertreten), die sich als erste Partei mit juristischen Mitteln zur Wehr setzt: Am Montag hat der Vorstand um Präsident und alt Kantonsrat Hans Rudolf Haegi beim Stadtrat zwei Einzelinitiativen eingereicht.
Die erste Initiative zielt darauf ab, die Gemeindeordnung der Stadt Affoltern um einen Absatz zu ergänzen, sodass die Festlegung der Wochenarbeitszeit neu in die Kompetenz der Gemeindeversammlung fällt. Momentan heisst es in der Personalverordnung der Stadt Affoltern: «Die Exekutive regelt die Arbeitszeit (...).» Bis wohin diese Entscheidungskompetenz reicht, ist allerdings strittig. Die Unterzeichnenden sind der Meinung, die geplante Reduktion im Alleingang überschreite diesen Ermessensspielraum. «Kein Stadtrat soll mehr auf die Idee kommen können, die Verordnung genüge für eine stadträtliche Vorlage solch extremen Ausmasses», so Hans Rudolf Haegi.
Die zweite Initiative kommt in Form einer «allgemeinen Anregung» daher. Mit ihr soll der Stadtrat verpflichtet werden, der Gemeindeversammlung für das Pflegepersonal einen begründeten Antrag für die Reduktion der Arbeitszeit vorzulegen und für den Rest des Verwaltungspersonals auf die geplante Massnahme zu verzichten.
Das Hauptanliegen der Initianten sei jedoch nicht allein die Umsetzung der Anträge, erklärt Haegi: «Wir hoffen, dass der Stadtrat seine Pläne nochmals überdenkt und von seinem Vorhaben absieht, damit dieser Spuk ein Ende hat.»
Auch alt Stadtpräsident Clemens Grötsch hat unterzeichnet
Zum Quartett der Unterzeichnenden gehört neben Hans Rudolf Haegi, dem ehemaligen RPK-Präsident Orlando Rabaglio und Julius Schnider auch der ehemalige Affoltemer Stadtpräsident Clemens Grötsch, seinerseits ebenfalls Mitglied der Mitte-Partei.
Er hält die 38-Stunden-Woche aus verschiedenen Gründen für den falschen Weg: Den Fachkräftemangel oder die Fluktuation lässt er nicht gelten: Hierzu lägen von Seiten der Stadt bisher keine Zahlen vor. Weiter sieht er im Pflegebereich einen Leistungsabbau, der direkt auf Kosten der zu Pflegenden geht. Und nicht zuletzt seien die Mehrkosten, die dadurch entstehen, finanziell nicht tragbar und zudem noch deutlich zu tief anberaumt, so sein Fazit.
Die Pläne des Stadtrats verortet Grötsch, der während seiner Zeit als Stadtpräsident bei der Bevölkerung durch seine Sparpolitik in die Kritik geraten war, zwischen «übermütig und naiv». «Mit Blick auf die Investitionen, die in den nächsten Jahren anstehen, kann sich die Stadt diese Mehrausgaben nicht leisten», ist er überzeugt. Es sei nicht die Aufgabe der Stadtratsmitglieder, mit kaum finanzierbaren Arbeitszeitlockerungen eine Wohlfühloase zu schaffen. «Sie sind gewählt, um den Job zu machen.»
Initiativen werden an Versammlung im Dezember nicht traktandiert
Stadtschreiber Stefan Trottmann bestätigt den Eingang der beiden Einzelinitiativen auf Anfrage. Zur 38-Stunden-Woche seien es bisher die einzigen, sagt er. Nun hat die Stadt Affoltern drei Monate Zeit, um die beiden Initiativen auf ihre Gültigkeit zu überprüfen. Sollten sie für ungültig erklärt werden, stünde den Initianten der Weg vor den Bezirksrat offen. Sind sie gültig, würde der Antrag zur Ergänzung der Gemeindeordnung eine Urnenabstimmung nach sich ziehen.
Der zweite Antrag, der in Form einer allgemeinen Anregung daherkommt und die 38-Stunden-Woche nur für das Pflegepersonal vorsieht, müsste der Gemeindeversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Für den nächsten Termin am 4. Dezember (bei der ja auch das Budget 2024 mit den höheren Personalkosten genehmigt werden muss) wird es allerdings nicht mehr reichen, wie sich bereits abzeichnet: Ein solcher Antrag müsste der Rechnungsprüfungskommission zur Prüfung vorgelegt und die Traktanden müssen bis spätestens vier Wochen vor der Versammlung veröffentlicht werden.
Gemäss Stadtschreiber ist die amtliche Publikation auf den 31. Oktober vorgesehen. Bis dann ist die dreimonatige Frist, die der Stadt zur Bearbeitung der Initiativen zur Verfügung steht, allerdings noch gar nicht abgelaufen. Und mit einer Bearbeitung innert deutlich vorzeitigerer Frist sei bei einer seriösen Prüfung nicht zu rechnen, sagt Stefan Trottmann.