Die eigene Region zu erforschen, ist spannend wie ein Krimi

Patrick Mühlefluh löst Colette Fehlmann in der Betreuung der Regionalgeschichtlichen Sammlung ab

Patrick Mühlefluh löst Colette Fehlmann in der Betreuung der Regionalgeschichtlichen Sammlung ab. Sie entdecken zusammen viel Amüsantes in den Ausgaben des Anzeigers aus dem Bezirk Affoltern seit 1915. (Bild Regula Zellweger)

«Geschichte ist die Lehrmeisterin des Lebens», formulierte bereits der Römer Marcus Tullius Cicero. Um die Gegenwart zu verstehen, muss man sich mit der Vergangenheit befassen. Das gilt für den einzelnen Menschen und seine Vergangenheit, aber auch für die Region, in der man lebt.

Wer im Säuliamt aufgewachsen ist und insbesondere wer hierhergezogen ist, findet in der Regionalhistorischen Sammlung in der Regionalbibliothek RBA in Affoltern eine wunderbare Möglichkeit, die Geschichte und Gegenwart der Region individuell zu entdecken.

Regionale Geschichte lebendig halten

Colette Fehlmann und Patrick Mühle-fluh beugen sich über ein grossformatiges, dickes Buch, deuten auf einzelne Stellen, lachen und unterhalten sich angeregt. Es handelt sich bei diesem Buch um die «Anzeiger»-Ausgaben von 1961. Die Sammlung verfügt über alle «Anzeiger» seit 1915 und sie sind vor Ort einsehbar. Wer einmal darin blättert, kann kaum mehr aufhören. So geht es Colette Fehlmann und Patrick Mühle-fluh häufig, denn alte Dokumente lesen sich oft wie Kriminalromane.

Beide sind Profis in Sachen historische Sammlung: Sie verfügen über den Abschluss «Informations-/Dokumentationsspezialist/-in FH», heute «Master of Advanced Studies in Information Science Fhgr».

Colette Fehlmann betreute neben ihrer Arbeit als Bibliothekarin in der RBA die rund 3000 Bücher und Dossiers umfassende Sammlung während elf Jahren. «Diese Arbeit verwurzelte mich zusätzlich tief in der Region und hat mir immer Freude bereitet», erzählt Colette Fehlmann. Alle Medien sind professionell aufbereitet und katalogisiert. Besonders schätzte sie den Kontakt mit Kundinnen und Kunden sowie den Austausch mit Institutionen und Personen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die regionale Geschichte lebendig zu erhalten.

Colette Fehlmann

Colette Fehlmann kann einige Geschichten erzählen. Besonders betroffen machte sie beispielsweise das Büchlein mit Lebenserinnerungen der Anna Barbara Baumann, geb. Näf von Hausen. Es war ein karges Leben voller Kummer und Sorgen, damals, in der armen Landregion Säuliamt.

Als sie eines Tages Besuch aus Deutschland erhielt, staunte sie. Diese Leute recherchierten zu ihren Vorfahren aus der Krim, blieben eine Woche in Kappel und verbrachten viel Zeit in der Sammlung. Sie sind Nachfahren von Ämtler Familien, die 1803 auf die Krim auswanderten und dort die Siedlung Zürichtal, heute Zolotoje Pole, gegründet haben.

«Ich werde der Sammlung verbunden bleiben», erklärt Colette Fehlmann, die nun die Führung der Regional­geschichtlichen Sammlung an Patrick Mühlefluh weitergibt. Er wird noch wenige Wochen in die Arbeit eingeführt und möglichst schnell gut vernetzt. Eine enge Zusammenarbeit besteht beispielsweise mit dem Ortsmuseum, mit der Gemeinnützigen Gesellschaft GGA, mit versierten Lokalhistorikern und mit weiteren Interessengruppierungen rund um einzelne Dörfer.

Colette Fehlmann sah sich als Dienstleisterin. Es war ihr ein grosses Anliegen, die Sammlung in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und jedermann zu motivieren, diese aktiv zu nutzen. Sie verlässt die RBA mit einem lachenden und einem weinenden Auge: «Der Austausch wird mir fehlen, aber ich freue mich darauf, nun im Pensionsalter mehr Zeit zum Lesen zu haben.»

Patrick Mühlefluh

Nach einem abgebrochenen Geschichtsstudium arbeitete Patrick Mühlefluh unter anderem 22 Jahre in der Doku-Zug, deren Aufgabe es war, den niederschwelligen Zugang zu zeitgeschichtlichen ­Dokumenten und öffentlichen Diskussionen zu fördern sowie neue Schwerpunkte zu entwickeln. Die Doku wurde in die Bibliothek Zug übergeführt und Patrick Mühlefluh beschloss, an der Fachhochschule Chur das Studium «Information Science» zu absolvieren. Im Rahmen dieser Ausbildung wurde die Sammlung in Affoltern besucht, um zu erforschen, wie es mit ihr weitergehen könnte. ­Patrick Mühlefluh war begeistert, erkannte aus seiner Tätigkeit für die Doku-Zug die Problemstellungen, die heute und in Zukunft angegangen werden müssen, um den Erhalt der Sammlung und den Zugang dazu für die Öffentlichkeit sicherzustellen. Ein Jahr später wurde die Stelle von Colette Fehlmann ausgeschrieben. Sie kontaktierte sofort Patrick Mühlefluh, brachte er doch beste Voraussetzungen für diesen 20-Prozent-Job mit. Beim Auswahlverfahren machte er das Rennen und begann Anfang 2024 in der RBA zu arbeiten. Daneben ist er im ­Museum und Archiv der Emil Frey ­Classics AG in Safenwil tätig.

Der Wochentag, an dem er in der RBA arbeiten wird, ist noch nicht definiert. Er betont aber, dass er flexibel sei und gern auch auf Anfragen über Mail ausserhalb seiner Präsenzzeiten in Affoltern reagieren werde. Er freut sich auf zahlreiche Besucherinnen und Besucher.

Die Sammlung im ersten Stock der RBA ist keine Freihandbibliothek. Man kann sie aber besuchen und der Fachmann Information und Dokumentation wird entsprechende Medien heraus­suchen, die man vor Ort betrachten kann. Man kann lange verweilen, Fragen stellen und sich intensiv mit eigenen ­Interessen auseinandersetzen. Diese Möglichkeit soll nicht nur von Fach­leuten genutzt werden, auch historisch interessierte Personen oder Eltern, die mit ihren Kindern ihre nähere Heimat besser kennen lernen wollen, sind herzlich ­willkommen.

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