«Die Zweifel überwiegen»
Bezirksgericht: Freispruch für 38-Jährigen wegen Kokainhandels
Hat er einem Bekannten insgesamt sieben Gramm Kokain zum Preis von 100 Franken pro Portion à 0,7 Gramm verkauft – Drogen, die er sich zuvor von einem Lieferanten beschafft hatte? Ein 38-jähriger in der Schweiz aufgewachsener Mann mit kosovarischen Wurzeln stand Ende letzter Woche vor Bezirksgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm mehrfache Verkäufe vor, namentlich an zwei Orten im Säuliamt: vor einem Restaurant und im Rahmen des sogenannten «Maisfeldfests». Vor dem Restaurant will die Polizei beobachtet haben, wie er in seine Tasche gegriffen und dem Abnehmer durchs offene Autofenster den Stoff übergeben hat. Wegen mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz fordert die Anklage eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 70 Franken und eine Busse von 3000 Franken – dies bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Vor der Einzelrichterin bestritt der Beschuldigte sämtliche Vorwürfe. Der angebliche «Kunde» habe sich womöglich dafür rächen wollen, weil er ihm einmal 100 Franken «gepumpt» und er diese bei besagtem Treffen vor dem Restaurant «vielleicht etwas zu aggressiv» zurückgefordert habe, führte der Beschuldigte aus. «Ich habe noch nie etwas mit Kokain zu tun gehabt, und auch an diesem Maisfeldfest bin ich nicht gewesen, das kenne ich gar nicht», hielt er fest und wehrte sich auch gegen den Vorwurf, an einer Adresse Drogen gebunkert zu haben. «Dort wohnt meine Mutter.»
«Viel Rauch um nichts»
Sein Verteidiger verlangte einen vollumfänglichen Freispruch und eine Genugtuung für seinen Mandanten von mindestens 7200 Franken für 34 Tage unrechtmässige U-Haft. Sämtliche Kosten seien auf die Staatskasse zu nehmen. Für den Anwalt gibt es schlicht zu wenig Beweise, kein komplettes Spurenbild und keine DNA-Spuren seines Mandaten auf den Minigrips des Käufers, der bei der Polizei mit diffusen Aussagen aufgewartet habe. Die Aktenlage sei äusserst dünn; Chatverläufe des Käufers seien gelöscht. Es handle sich hier um reine Behauptungen ohne Beweise, gar falsche Anschuldigungen. «Hier ist viel Rauch um nichts», so der Verteidiger.
Polizei-Arbeit mit Mängeln
Die Einzelrichterin sieht die Sache ähnlich. Sie spricht den 38-Jährigen vom Vorwurf eines mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz frei. Die bei ihm eingezogene Barschaft von 300 Franken bekommt er zurück. Dazu erhält er für die U-Haft eine Genugtuung von 7200 Franken. Die Verfahrens- und Anwaltskosten werden auf die Staatskasse genommen. Vorliegend sei das Gericht auf polizeiliche Beobachtungen angewiesen. Was jedoch der Beschuldigte bei der Übergabe aus der Hosentasche gezogen habe, könne nicht eruiert werden. Auch DNA-Spuren fehlten, zudem sei ein Minigrip erwähnt, jedoch beim Konsumenten deren vier gefunden worden. Die Einzelrichterin spricht von Mängeln bei der polizeilichen Arbeit, zu wenig Konkretes sei hier festgehalten worden, vieles unklar. «Ich bin zwar nicht restlos überzeugt von Ihrer Unschuld, aber die Zweifel überwiegen», sagte die Einzelrichterin und fügte abschliessend bei: «In dubio pro reo.»
Urteil GG 230 009 vom 8. Februar 2024, noch nicht rechtskräftig