Zwei Varianten, die zu reden geben
Wettswil entscheidet am 30. November über den Zufahrtsweg für das neue Dorfquartier

«Set the right course now!» – «For our safety. For generations». Solche eindringlichen Sätze liest, wer auf dem Flyer, der vor Kurzem in den Briefkästen der Wettswilerinnen und Wettswiler lag, den QR-Code scannt und auf die englische Version wechselt. Es soll ja schliesslich niemand wegen einer Sprachbarriere daran scheitern, das Kreuz am «richtigen» Ort zu setzen. Willkommen im Abstimmungskampf von Wettswil!
Dort soll in näherer Zukunft und sprichwörtlich auf der grünen Wiese ein neuer Dorfteil entstehen. Auf dem Areal Weierächer-Grabmatten sind Wohnungen für mehr als 1000 Personen geplant. Doch bevor die Bagger auffahren, muss klar sein, wie das neue Areal im Norden verkehrstechnisch erschlossen wird. Darüber gab es in der Vergangenheit Zank: Im privaten Rahmen wurden sich die Grundeigentümer nicht einig, sodass die Gemeinde schliesslich ein amtliches Quartierplanverfahren einleiten musste. Dieses dauert seit 2012 an, es stehen zwei Varianten im Raum, und beide haben Befürworter und Gegner.
Nun rückt eine Vorentscheidung näher: Am Abstimmungssonntag vom 30. November haben die Stimmberechtigten die Wahl zwischen diesen beiden Zufahrtsvarianten und legen damit den Grundstein für die weitere, verbindliche Erschliessungsplanung des Gemeinderats. Dieser passt – je nach Variantenwahl des Stimmvolks – die Bau- und Zonenordnung (BZO) so an, damit die favorisierte Zufahrtsvariante umsetzbar wird, und bringt die überarbeitete BZO innerhalb von 18 Monaten an die Urne.
Die Stimmberechtigten hatten vor zwei Jahren bereits einmal über die Teilrevision der BZO Weierächer-Grabmatten entschieden und das Geschäft damals knapp angenommen. Allerdings gelangten Daniel und Hermann Baur damals mit einem Stimmrechtsrekurs an den Bezirksrat (der «Anzeiger» hat berichtet). Ihre Kritik: Mit der Annahme der teilrevidierten BZO hätten die Stimmberechtigten eine Vorentscheidung zugunsten einer Erschliessungsvariante getroffen. Unwissentlich, denn im beleuchtenden Bericht sei dies nicht ersichtlich gewesen. Das Verwaltungsgericht gab ihnen recht und hob das Abstimmungsergebnis im Frühjahr 2024 wieder auf. Ein Jahr später, im Mai 2025, reichten Daniel und Hermann Baur im Namen einer 20-köpfigen IG eine Einzelinitiative ein, über die nun am 30. November entschieden wird.
IG: «Variante 1 ist sicherer und entlastet die Kernzone»
Ziel der IG – die auch die erwähnten Flyer verteilt hat – ist es, die Norderschliessung des neuen Quartiers über den Lenggenweg («Variante 1») zu regeln. Der Lenggenweg führt nicht an den Grundstücken einzelner IG-Mitglieder vorbei (im Gegensatz zur Verkehrsführung, die die Gemeinde bevorzugt). Die IG-Mitglieder sagen, ihr Variantenvorschlag werde bei Weitem nicht nur von direkt betroffenen Anwohnern mitgetragen. Dabei stützen sie sich auch auf eine private Umfrage aus dem Frühjahr 2022, bei der ihre Variante von den rund 500 Teilnehmenden mehr als 90 Prozent Zustimmung erhalten hatte.
Das Komitee argumentiert, dass die Lenggenweg-Variante verkehrstechnisch sicherer sei, weil das Sichtfeld an der Einmündung zur Ettenbergstrasse grösser und die Reaktionszeit damit länger sei. Zudem sei etwa die Lärmbelastung für die Quartiere bei dieser Variante kleiner, und die Kernzone werde entlastet. Weiter sei die Steigung tiefer als bei der anderen Variante. Auch kostenmässig sei Variante 1 eine gute Wahl: Weil die Gemeinde zunächst ebenfalls diese Variante als beste Lösung weiterverfolgt habe, seien die Erschliessungspläne weitgehend vorhanden.
Gemeinde: «Variante 3 ist für Grundeigentümer verträglicher»
Die Gemeinde spricht sich im beleuchtenden Bericht für die Erschliessung über die Breitenmattstrasse aus («Variante 3»; Gegenvorschlag). Zwar geht sie mit der IG einig, dass Variante 1 betreffend Übersichtlichkeit bei der Einmündung in die Ettenbergstrasse Vorteile habe. Mit baulichen Massnahmen könne die Sicherheit jedoch auch bei Variante 3 gleichwertig gewährleistet werden.
Weitere Aspekte sprechen aus Sicht der Gemeinde für Variante 3: Sie sei für die Grundeigentümer verträglicher, weil sie insgesamt günstiger sei, weniger Flächen benötige und zu weniger Mehr-/oder Minderzuteilungen und dadurch zu weniger Geldausgleich zwischen den Grundeigentümern und insgesamt zu besser überbaubaren Grundstücken führe. Auch aus planerischer Sicht überzeuge Variante 3: Es seien deutlich weniger Ein- und Auszonungen nötig. Zudem schneide sie bei der Gestaltung des Siedlungsrandes deutlich besser ab.
Erklärvideo nach Diskussionen bereits wieder offline
Wie viel Zunder im vorliegenden Geschäft liegt, zeigt nicht nur die lange Historie im Quartierplanverfahren. Auch der Abstimmungskampf ist hart umkämpft. Die jüngste Episode dreht sich um ein Erklärvideo, das die Gemeinde Wettswil hatte erstellen lassen. «Die Vorlage ist inhaltlich anspruchsvoll», sagt Gemeindeschreiber Dominik Pfefferli. Ziel des Erklärvideos sei es deshalb gewesen, den Stimmberechtigten die zentralen Punkte in kompakter und verständlicher Form näherzubringen. Dies als «schnelle Informationshilfe» in Ergänzung zum beleuchtenden Bericht. Es war das erste Mal, dass die Gemeinde ein solches Format einsetzte. Die externen Kosten, die für die Umsetzung des Videos entstanden sind, beziffert Pfefferli auf gut 6000 Franken.
Mittlerweile ist das Video online allerdings nicht mehr verfügbar. Die Gemeinde hat es am Freitagmorgen von ihrer Website genommen, um einem erneuten Stimmrechtsrekurs zuvorzukommen. Die IG hatte das Video als zu wenig ausgewogen moniert und angedroht, allenfalls erneut rechtliche Schritte einzuleiten.


