«Du hast Ecken und Kanten»
Hansueli Bigler als Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes verabschiedet

Der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) ist die grösste Dachorganisation der Schweizer Wirtschaft, die über 230 Verbände und rund 600 000 KMU-Mitglieder vereint. 99,8 Prozent der Firmen sind dort Mitglied. Während 15 Jahren leitete der seit vielen Jahren in Affoltern wohnhafte Hansueli Bigler den Verband als Direktor. Er sass 2019 bis 2023 für die FDP im Nationalrat und fand nach seiner Abwahl in der SVP eine neue Heimat.
Ecken und Kanten
Nach Biglers altershalbem Rücktritt als sgv-Direktor 2023 wurde der Verband zwischenzeitlich von einem Duo geleitet, nachdem Plagiatsvorwürfe gegen den Kandidaten Henrique Schneider publik wurden. Biglers offizielle Verabschiedung erfolgte diese Woche am Schweizerischen Gewerbekongress im Kursaal von Bern, der unter dem Thema «KMU mobil» lief. In diesem Rahmen nahm Bundesrat Albert Rösti zu den kommenden Abstimmungsvorlagen über das Stromgesetz (Abstimmung am 9. Juni) und den Autobahnausbau (Abstimmung frühestens im November) Stellung – zwei Vorlagen, die der sgv befürwortet.
Fabio Regazzi, sgv-Präsident und Tessiner Mitte-Ständerat, würdigte Hansueli Bigler für seine klare politische Ausrichtung, für die klugen Strategien und die Schaffung diverser Kommunikationskanäle. «Du hast Ecken und Kanten. Es war nicht immer einfach mit dir. Wir haben gestritten, aber immer einen guten Weg gefunden – und ein gemeinsames Ziel», sagte Regazzi, der ihm für das riesige Engagement und das hinterlassene Vermächtnis im sgv dankte. Nach lang anhaltendem Applaus verglich Regazzi Bigler mit den vier kantigen Persönlichkeiten Christoph Blocher, Roger Schawinski, Friedrich Dürrenmatt und Otto Fischer (ehemaliger Gewerbedirektor). Mit Schawinski gemeinsam ist natürlich die «Feindschaft» gegenüber der SRG, die in der «No-Billag-Initiative» zum Ausdruck kam. Hansueli Bigler habe den sgv referendums- und initiativfähig gemacht, lobte Regazzi.
Über Strategie wachen
Er habe sehr wohl gewusst, was erfolgreich war. Doch sei er selbstkritisch genug, zu wissen, was nicht funktioniert habe, liess Hansueli Bigler die 350 Delegierten im Berner Kursaal eingangs seiner Abschiedsrede wissen. Wenn man sich nicht streite, so sei es einem in der Sache nicht ernst, rief Bigler dem Präsidenten zu. Sagen, was Sache ist und sich nicht verbiegen lassen: Das habe er schon bei Amtsantritt beherzigt, aber nicht – wie immer wieder behauptet – allein entschieden. In diesem Zusammenhang lobte er ein hervorragendes und loyales Team. Der sgv sei Interessenvertreter, habe Grundlage und Strategie. Darüber zu wachen, sei die Aufgabe des Direktors – wichtig angesichts heterogener Interessensrichtungen bei den 230 angeschlossenen Verbänden. Die sgv-Strategie nannte er eine «Bibel». Die Geschäftsleitung habe sich eisern darangehalten; das letzte Wort gehörte Vorstand und Gewerbekammer.
Als Beispiel nannte Bigler, als der sgv den Verhandlungsabbruch mit dem Institutionellen Rahmenabkommen (InstA) antizipiert habe (Einhaltung Souveränität, kein Europäischer Gerichtshof).
Biglers weiteres wichtiges Anliegen: die Kommunikation. Gebe es jeweils sachlich keinen Angriffspunkt, kritisiere man die Kommunikation. «Ich habe da rasch gelernt: egal, was man von dir sagt. Solange man von dir spricht, bist du als Politiker relevant.» Seine abschliessende Kritik galt der Rolle der Medien. Hier sieht Bigler einen Qualitätsverlust durch Vereinfachung und Zuspitzung auf die Person sowie die Verlagerung auf den Boulevard: «Nicht nur beim Blick, sondern auch beim Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion.»
Hansueli Biglers schloss mit einem Dank an seine Wegbegleiter und -begleiterinnen, vor allem auch an Ehefrau Erika. Er hofft auf weiteres Beharrungsvermögen des Verbandes und hatte auch für die «Heckenschützen» eine gute Nachricht: «Ihr müsst euch nun nicht mehr ärgern …»
Seit 1. Mai ist nun Urs Furrer aus dem Kanton Aargau neuer sgv-Direktor, ehemals Anwalt und während zehn Jahren Leiter der Branchenverbände Chocosuisse und Biscosuisse. Sein Kampf gilt – wie auch beim Vorgänger – der überbordenden Bürokratie. Und er will Vertrauen, das die Wirtschaftsverbände in den letzten Jahren in der Bevölkerung verloren haben, zurückgewinnen.